Ein Omega-3-Fettsäure-Präparat, das mit Icosapent-Ethyl ein hochgereinigtes Derivat der Eicosapentaensäure als Wirkstoff enthält, dürfte in Kürze die EU-Zulassung zur Reduktion kardiovaskulärer Erkrankungen erhalten.
Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA hat jetzt eine Zulassungsempfehlung („positive opinion“) für den Wirkstoff Icosapent-Ethyl des US-Unternehmens Amarin Corporation abgegeben. Wenn die darüber entscheidende Europäische Kommission der CHMP-Empfehlung folgt (was in der Regel der Fall ist), ist die Zulassung zur Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse additiv zu Statinen bei Erwachsenen mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko und Hypertriglyzeridämie in einigen Wochen zu erwarten.
In den USA hatte Icosapent-Ethyl, das zuvor schon seit einigen Jahren zur Behandlung der Hypertriglyzeridämie zugelassen war, eine Zulassungserweiterung zur Senkung des kardiovaskulären Risikos bereits im Dezember 2019 von der Gesundheitsbehörde FDA erhalten. Basis der erweiterten US-Zulassung wie auch des aktuellen Antrags auf EU-Zulassung bilden die Daten der randomisierten REDUCE-IT-Studie.
Kardiovaskuläre Ereignisse um 25% reduziert
Ihre erstmals beim AHA-Kongress 2018 in Chicago präsentierten Ergebnisse verblüfften die Experten. Denn nach vielen gescheiterten Versuchen, die Substitution von marinen Omega-3-Fettsäuren als Behandlungskonzept in der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen zu etablieren, erwies sich Icosapent-Ethyl diesbezüglich in der REDUCE-IT-Studie als sehr erfolgreich.
Für die Studie waren knapp 8.200 Patienten ausgewählt worden, die erhöhte Triglyzerid-Werte (150 bis maximal 500 mg/dl) und relativ niedrige LDL-Cholesterinwerte (40 bis 100 mg/dl) unter Behandlung mit Statinen aufweisen mussten. Teilnahmebedingung war auch, dass entweder schon eine kardiovaskuläre Erkrankung oder ein Diabetes in Kombination mit mindestens einem weiteren Risikofaktor vorlagen (Sekundärprävention bei rund 70%, Primärprävention bei rund 30% der Teilnehmer).
Wie erklärt sich das einzigartige Ergebnis
Nach knapp fünf Jahren war bei 17,2% der mit Icosapent-Ethyl und bei 22% der mit Placebo Behandelten ein Ereignis des primären Endpunktes (kardiovaskulär verursachter Tod, nicht tödlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall, Hospitalisierung wegen instabiler Angina oder koronare Revaskularisation) aufgetreten. Der Unterschied entspricht einer signifikanten relativen Risikoreduktion um 25 Prozent durch Icosapent-Ethyl im Vergleich zu Placebo (p < 0,001).
Auch bei separater Analyse der Endpunkte kardiovaskuläre Mortalität (relative Reduktion um 20%), Herzinfarkte (relative Reduktion um 31%) und Schlaganfälle (relative Reduktion um 28%) ergaben sich jeweils signifikante Unterschiede zugunsten von Icosapent-Ethyl. Die Studienautoren führen den in Kontrast zu den Ergebnissen praktisch allen anderen „Fischöl“-Studien stehenden Erfolg in REDUCE-IT vor allem darauf zurück, dass mit dem geprüften Studienpräparat Eicosapentaensäure (EPA) in hochgereinigter Form, hoher Dosierung (2 × 2 g täglich) und – anders als in den meisten handelsüblichen Fischöl-Präparaten - ohne Beimischung von Docosahexaensäure appliziert worden ist.
Es gibt auch skeptische Stimmen
Gerade die Einzigartigkeit der REDUCE-IT-Ergebnisse hat aber auch immer wieder Anlass zu skeptischen Kommentaren von Experten gegeben. Streit über die Studie gab es erst jüngst wieder beim „virtuellen“ AHA-Kongress 2020. Dort provozierte der US-Kardiologe Dr. Steven Nissen von der Cleveland Clinic mit der Behauptung, dass REDUCE-IT ein „falsch positives Ergebnis“ hervorgebracht habe – nach seiner Ansicht aufgrund von ungünstigen biologischen Effekten des verwendeten Placebo-Präparats (Mineralöl). REDUCE-IT-Studienleiter Dr. Deepak Bhatt vom Brigham and Women’s Hospital in Boston konterte, dass das positive REDUCE-IT-Ergebnis „ziemlich robust“ und die daran geübte Kritik „lächerlich“ sei.