Die Hoffnung, mit Acetylsalicylsäure (ASS) die Überlebenschancen von COVID-19-Patienten zu verbessern, hat sich nicht erfüllt. Die randomisierte RECOVERY-Studie verlief ziemlich neutral. Damit wird es wohl auch ASS nicht in die Routineversorgung von COVID-19-Patienten schaffen.
Wieder kein Erfolg für einen antithrombotischen Therapieansatz bei COVID-19 – zumindest bei hospitalisierten COVID-Patienten hat die Hinzunahme von ASS keine wirklichen Vorteile gebracht, wie die vorab in einer Pressemitteilung und auf medRxiv veröffentlichen Ergebnisse der großen randomisierten RECOVERY-Studie zeigen.
Im Rahmen der Studie wurden 7.351 wegen einer SARS-CoV-2-Infektion hospitalisierten Patienten mit ASS 150 mg 1 × täglich zusätzlich zur Standardversorgung behandelt, 7.541 Patienten hielten alleinig eine Standardcare ohne ASS.
Kein Unterschied bei 28-Tage-Mortalität
Wie die Studienautoren berichten, unterschied sich die 28-Tage-Mortalität – der primäre Endpunkt – zwischen beiden Gruppen nicht (17% der Patienten mit ASS verstarben vs. 17% in der Standardcare-Gruppe; relatives Risiko, RR: 0,96; p=0,35).
Mit ASS ließ sich auch nicht die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung verhindern: Von den Patienten, die zu Beginn nicht künstlich beatmet wurden, verschlechterten sich der Zustand bei 21% der mit ASS behandelten Patienten im weiteren Verlauf derart, dass sie eine mechanische Beatmung benötigten oder verstarben, in der Standardcare-Gruppe betraf das 22% (RR: 0,96; p=0,23).
Geringfügig kürzer war die Hospitalisierungsdauer in der ASS-Gruppe mit durchschnittlich acht Tagen im Vergleich zu neun Tagen in der Gruppe mit alleiniger Standardversorgung. Ebenso konnten etwas mehr Patienten unter der ASS-Gabe innerhalb von 28 Tagen lebend aus dem Krankenhaus entlassen werden (75% vs. 74%; RR: 1,06; p=0,0062).
„Routineeinsatz nicht zu rechtfertigen“
Studienleiter Prof. Peter Horby sieht darin aber keinen Grund für einen Routineeinsatz des Plättchenhemmers: „Obwohl Aspirin mit einem geringen Anstieg der Wahrscheinlichkeit, lebend entlassen zu werden, einherging, scheint dies nicht ausreichend zu sein, einen großflächigen Einsatz für hospitalisierte COVID-19-Patienten zu rechtfertigen“, lautete das Fazit des an der Universität Oxford tätigen Wissenschaftlers.
Wie zu erwarten war, verringerte sich unter ASS-Gabe das thromboembolische Risiko etwas, jedoch auf Kosten eines höheren Risikos für schwerwiegende Blutungen. Letztlich ergibt sich diesbezüglich eine Pattsituation: Wenn 1.000 COVID-Patienten mit ASS behandelt werden, treten etwa sechs schwere Blutungen mehr auf und etwa sechs thromboembolische Komplikationen werden dadurch verhindert.
Wirkung bei ambulanten Patienten wird noch untersucht
Damit reiht sich die RECOVERY-Studie mit ASS in eine Reihe von Studien ein, in denen für einen spezifischen antithrombotischen Therapieansatz bei COVID-19 keinen Nutzen belegt werden konnte. Darunter beispielsweise die ACTION-Studie mit einer therapeutischen Dosis von Rivaroxaban oder die INSPIRATION-Studie, in der eine höhere Dosis von Enoxaparin bei intensivpflichtigen Patienten keinen Benefit brachte.
Die Studienautoren des RECOVERY-Programms weisen aber darauf hin, dass die Wirkung solcher Behandlungsansätze von der Patientenpopulation abhängen könnte. Bei schwer erkrankten Patienten sei der Punkt womöglich überschritten, bei der eine therapeutische Antikoagulation noch einen Nutzen verspreche, argumentieren sie.
In der RECOVERY-Studie waren die Ergebnisse zwar in allen Subgruppen konsistent, also z.B. unabhängig von der anfänglichen Erkrankungsschwere oder der standardmäßigen Thromboseprophylaxe, die die Patienten abseits von ASS erhalten haben. Eine Wirkung von ASS bei ambulanten COVID-19-Patienten halten Horby und Kollegen trotz allem nicht für ausgeschlossen. Laufende Studien werden dazu weitere Erkenntnisse liefern, ebenso zur Frage, ob andere Antiplättchen-Therapien und die Fibrinolyse einen Nutzen bringen könnten.