Zu viele Kilos auf der Waage und östrogenhaltige Verhütungsmittel sind für sich genommen bereits kardiovaskuläre Risikofaktoren – jetzt gibt es Hinweise, dass es sich erheblich auf das VTE-Risiko auswirkt, wenn beides zutrifft.
Obwohl Adipositas und östrogenhaltige Verhütungsmittel unabhängige kardiovaskuläre Risikofaktoren sind, erhalten viele adipöse Frauen weiterhin Präparate zur Empfängnisverhütung, die Östrogen enthalten. Eine Übersichtsarbeit hat jetzt ergeben, dass das Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) von Frauen mit Adipositas, die östrogen- und gestagenhaltige orale Kontrazeptiva verwenden, im Vergleich zu normalgewichtigen Frauen ohne solche Medikamente bis zu 24-fach erhöht ist.
Reine Gestagenprodukte als Alternative
Der Review von Prof. Giuseppe Rosano vom IRCCS San Raffaele Pisana in Rom und seinem Team hebt die neuesten Erkenntnisse zu den Auswirkungen von zu hohem Körpergewicht und Verhütungsmitteln auf das VTE-Risiko hervor. „Studien deuten darauf hin, dass Adipositas und kombinierte orale Kontrazeptiva einen synergistischen Effekt auf das VTE-Risiko haben und dies bei Verschreibungsentscheidungen berücksichtigt werden sollte“, so Rosano. Reine Gestagenprodukte, darunter Pillen, Intrauterinpessare oder Implantate, seien eine sicherere Alternative zu Kombinationspillen bei übergewichtigen Frauen.
Nach Schätzungen der WHO hat sich die weltweite Prävalenz von Adipositas in den vergangenen Jahrzehnten fast verdreifacht, wobei 15% der erwachsenen Frauen adipös sind. Das VTE-Risiko steigt schrittweise mit dem Body-Mass-Index und ist bei adipösen im Vergleich zu normalgewichtigen Frauen mehr als doppelt so hoch. Bei Frauen unter 40 Jahren hat Adipositas den größten Einfluss auf VTE, bei ihnen ist das Risiko gegenüber Normalgewichtigen um das Fünffache erhöht. Das sei wichtig, da viele Frauen in diesem Alter Verhütungsmittel nutzen“, geben Rosano et al. zu bedenken.
Orale Kontrazeptiva, die Östrogen und Gestagen enthalten, gehen mit einem gesteigerten Risiko für VTE einher – bei Frauen, die sie einnehmen, ist es im Vergleich zu Frauen, die dies nicht tun, um das Drei- bis Siebenfache erhöht. Verhütungsmittel, die nur Gestagen enthalten, sind dagegen nicht mit einem solchen Risiko assoziiert. „Der durch kombinierte Kontrazeptiva induzierte prokoagulatorische Zustand, oxidativer Stress und ein proinflammatorischer Zustand tragen zur Prädisposition für VTE bei“, erklären sich die Forschenden um Rosano den Effekt.
VTE-Risiko vervielfacht sich
Das Forscherteam hat Daten zusammengetragen, die untermauern, dass die Kombination aus Übergewicht oder Adipositas und der Anwendung kombinierter oraler Kontrazeptiva das Risiko für VTE bei Frauen im gebärfähigen Alter erhöht. In einer großen Studie war das VTE-Risiko bei Übergewicht um das 1,7-Fache und bei Adipositas um das 2,4-Fache gesteigert. Unter den Anwenderinnen von kombinierten Pillen war das VTE-Risiko jedoch bei übergewichtigen Frauen zwölfmal und bei adipösen Frauen 24 Mal so hoch wie bei Normalgewichtigen.
Die WHO, das Center for Disease Control (CDC) und die United Kingdom Medical Eligibility Criteria (UKMEC) geben Klasse-I-Empfehlungen für die Verwendung von „Progestin-only products“ (POPs), wie Pillen, die nur Desogestrel enthalten, niedrigdosierte Norethisteron-Pillen und intrauterine hormonelle Kontrazeptionsmethoden, bei Frauen mit einem BMI ≥ 30 kg/m 2 (d.h. es gibt keine Einschränkungen für den Gebrauch). Klasse-II-Empfehlungen für reine Gestagenpillen und -implantate sprechen sie aus, wenn mehrere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck, Adipositas und Dyslipidämie gleichzeitig vorliegen.
Rosano und sein Team raten übergewichtigen Frauen, die Verhütungsmittel einnehmen, aufgrund des möglicherweise erhöhten VTE-Risikos Maßnahmen zu ergreifen, um andere kardiovaskuläre Risikofaktoren zu verringern, etwa indem sie aufhören zu rauchen oder sich mehr bewegen.