Seit 2017 kann Cannabis in Deutschland zum medizinischen Zwecke verordnet werden. Daten aus Dänemark legen nun nahe, dass eine solche Therapie kardiovaskuläre Nebenwirkungen haben kann. Die Autoren halten das Wissen darum für wichtig, auch wenn das absolute Risiko gering ist.
Cannabis als Schmerztherapie geht einer aktuellen Studie zufolge mit einem erhöhten Risiko für Rhythmusstörungen einher. Die Daten werden beim diesjährigen ESC-Kongress in Barcelona präsentiert und wurden vorab in einer ESC-Pressemitteilung verkündet.
„In unserer Studie hatten Menschen, die Cannabis zu medizinischen Zwecken einnahmen, ein um 74% höheres Risiko für Herzrhythmusstörungen als Nichtkonsumenten, wenngleich der absolute Risikounterschied moderat war“, berichtet die Studienautorin Dr. Nina Nouhravesh vom Gentofte University Hospital in Dänemark.
Spärliche Evidenz bzgl. Nebenwirkungen
In Dänemark können Ärztinnen und Ärzte seit 2018 Cannabis zu therapeutischen Zwecken verschreiben, wenn alle anderen verfügbaren Maßnahmen gegen chronische Schmerzen nicht ausreichend geholfen haben. In Deutschland ist das unter bestimmten Voraussetzungen seit 2017 möglich. Cannabisarzneimittel gibt es in unterschiedlichen Formulierungen, die sich in ihren Konzentrationen von Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) unterscheiden. Bisher gibt es nur spärliche Evidenz zu den potenziellen Nebenwirkungen solcher Produkte.
Diese Wissenslücke wollten Nouhravesh und Kollegen etwas schließen. Im Fokus ihres Interesses standen die Auswirkungen von medizinischen Cannabisprodukten auf das Herz-Kreislauf-System. Frühere Studien nährten bereits den Verdacht, dass Cannabis, wenn es als Droge konsumiert wird, eine arrythmogene Wirkung hat.
Für ihre Analyse suchten die dänischen Wissenschaftler unter den 1,6 Millionen in Dänemark zwischen 2018 und 2021 behandelten Schmerzpatienten nach Personen, die mit Cannabis behandelt worden sind: Das war bei 4.931 Personen der Fall (bei 29% war es eine Verordnung mit Dronabinol, bei 46% mit Cannabinoiden und bei 25% mit Cannabidiol). Jeder dieser Patienten wurde mit fünf nach Alter, Geschlecht und Art der Schmerzdiagnose vergleichbaren Patienten gematcht.
Relatives Risiko für Rhythmusstörungen um 74% erhöht
Während des 180-tägigen Follow-up wurden neu aufgetretene kardiovaskuläre Komplikationen in beiden Gruppe dokumentiert und die Häufigkeit miteinander verglichen. In der Cannabis-Gruppe traten bei 0,86% der Patienten erstmals Rhythmusstörungen auf, in der Kontrollgruppe waren 0,49% davon betroffen. Damit hatten die Cannabis-Konsumenten ein um 74% höheres relatives Risiko für die Entstehung einer Herzrhythmusstörung. Keinen Unterschied gab es bei der Häufigkeit von akuten Koronarsyndromen und Herzinsuffizienz.
„Die Studie deutet an, dass es womöglich ein bisher nicht dokumentiertes Arrhythmie-Risiko durch eine medizinische Cannabis-Einnahme gibt“, schlussfolgert Nouhravesh aus diesen Daten. „Selbst wenn die absolute Risikodifferenz gering ist, sollten Patienten wie Ärzte so viele Informationen wie möglich erhalten, wenn sie die Vor- und Nachteile jeglicher Behandlungen abwägen“, macht sie die Bedeutung ihrer Ergebnisse deutlich.
Bei der Interpretation der Daten sollte man aber beachten, dass der Anteil an Patienten, die neben Cannabis auch andere Schmerzmittel eingenommen hatten wie NSAID, Opioide oder Antiepileptika, unter den Cannabis-Konsumenten höher war als in der Kontrollgruppe. „Wir können deshalb nicht ausschließen, dass dieser Umstand die höhere Wahrscheinlichkeit für Arrhythmien erklären kann“, machen die Autoren deutlich.