Statine können in seltenen Fällen eine nekrotisierende autoimmune Myopathie verursachen. Doch nicht immer sind die Muskelbeschwerden dem Medikament anzulasten. Eine Patientin übertrieb es offenbar mit der gesunden Ernährung.
Als Komplikation einer Statintherapie kann in seltenen Fällen eine nekrotisierende Myopathie auftreten. Bei diesen Patienten lassen sich häufig Autoantikörper gegen das Enzym HMG-CoA-Reduktase nachweisen, das durch Statine gehemmt wird.
In einem ungewöhnlichen Fallbericht kann eine solche lipidsenkende Therapie allerdings nicht die Ursache für die Muskelbeschwerden gewesen sein.
Ärzte um Dr. Ariane Barbacki vom Davis Jewish General Hospital in Montreal berichten von einer 57-jährigen Patientin, die seit zwei Wochen an einer schweren progressiven Myalgie und Muskelschwäche litt. Die Muskelbeschwerden betrafen die Schultermuskulator sowie Hüft- und Nackenflexoren. In der Muskelbiopsie fanden sich schwerwiegende Fasernekrosen und eine mäßige Lymphozyten-Inflammation.
Labordiagnostik spricht für Statine als Ursache
Nach der Labordiagnostik kommt als Ursache der nekrotisierende Myopathie eine Statintherapie infrage. Der Serum-Kreatinkinase-Wert war mit 161,2 µkat/L (9.672 U/L) deutlich erhöht, normal wäre ein Wert zwischen 0,4 und 4,0 µkat/L (24–240 U/L). In einem Enzymimmunoassay ließen sich HMG-CoA-Reduktase-Antikörper nachweisen. Die Tests auf andere Myositis-spezifischen Autoantikörper fielen negativ aus.
Die Frau hatte aber keine Statine und auch sonst keine verdächtigen Nahrungsmittelergänzungsmittel, etwa Rotschimmelreis, oder andere Substanzen eingenommen. Rotschimmelreis hat eine cholesterinsenkende Wirkung, da es Monakolin K, also den Inhaltstoff von Lovastatin, enthält.
Blick auf den Speiseplan macht stutzig
Was war dann die Ursache für die Beschwerden der Frau? Ein Blick auf den Speiseplan machte die behandelten Ärzte stutzig. Die Frau aß in den letzten Monaten jeden Tag zwei Tassen roten Reis aus der Camargue, nicht zu verwechseln mit dem Rotschimmelreis, der gewöhnlich nicht als Lebensmittel verspeist wird.
Barbacki und Kollegen schätzen, dass die Patientin durch den Verzehr solcher Reisemengen etwa 2 Gramm Phytosterine täglich aufgenommen hatte. Phytosterine sind Hauptbestandteil von pflanzlichen Zellmembranen und ähneln in ihrer Struktur dem Cholesterin. Ihnen wird eine leichte cholesterinsenkende Wirkung zugesprochen, die vermutlich auf der kompetitiven hemmenden Wirkung der Cholesterinaufnahme im Darm beruht.
Eine solche Zufuhr von Phytoterinen könne den LDL-Cholesterin-Spiegel um 10 bis 15% senken, berichten die Ärzte. Sie vermuten deshalb, dass die Ernährungsweise der Frau die Ursache für die nekrotisierenden autoimmune Myopathie war.
Bei etwa 65% der betroffenen Patienten mit einem positiven Nachweis von HMG-CoA-Reduktase-Antikörper eine Statintherapie als Ursache der Erkrankung auszuschließen. Die verbleibenden Fälle sind nach Ansicht der kanadischen Ärzte womöglich auf eine spezielle Ernährungsweise zurückzuführen. Ihres Wissens sei das der erste Fal, in welchem sich dieser Zusammenhang so deutlich gezeigt habe.
Behandelt wurde die Frau initial mit Prednision 60 mg/d und in der Folge mit Immunoglobulinen 2 g/kg Körpergewicht alle 4 Wochen, worunter ihre Muskelbeschwerden nachließen.