Bei Patienten mit kryptogenem Schlaganfall und offenem Foramen ovale mit moderatem oder ausgeprägtem Rechts-Links-Shunt sollte zur Rezidivprophylaxe ein interventioneller PFO-Verschluss durchgeführt werden, empfehlen drei deutsche Fachgesellschaften jetzt in einer gemeinsamen Leitlinie.
Bei jüngeren Patienten mit einem offenen oder persistierenden Foramen ovale (PFO), bei denen ein ansonsten ursächlich ungeklärter Schlaganfall („kryptogener“ Schlaganfall) aufgetreten ist, war der Nutzen eines interventionelle PFO-Verschlusses mittels eines per Katheter eingeführten Schirmchens („Okkluder“) lange Zeit umstritten. Der unvollständige Verschluss des Foramen ovale nach der Geburt steht bekanntlich im Verdacht, ein Übertreten von Thromben aus dem venösen in das arterielle Gefäßsystem zu ermöglichen und so ursächlich an der Entstehung von kryptogenen Schlaganfällen beteiligt zu sein. Erst in jüngster Zeit konnte in nunmehr vier randomisierten Studien der Nachweis erbracht werden, dass durch interventionellen PFO-Verschluss das Risiko für Schlaganfall-Rezidive signifikant reduziert werden kann.
„Klare Behandlungsempfehlungen“
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) haben die neue Datenlage inzwischen durch ein interdisziplinäres Expertenkomitee prüfen lassen und auf dieser Grundlage die gemeinsame S2e-Leitlinie „Kryptogener Schlaganfall und offenes Foramen ovale“ erstellt. Sie richtet sich nicht allein an Neurologen, sondern auch an Kardiologen, die jüngere PFO-Patienten mit kryptogenem ischämischem Schlaganfall betreuen.
„Diese Leitlinie formuliert nach Jahren der Unsicherheit für Neurologen und Kardiologen klare Behandlungsempfehlungen bei Patienten mit kryptogenem Schlaganfall“, konstatiert DGK-Erstautor Professor Stephan Baldus, Direktor der Klinik für Kardiologie am Herzzentrum der Uniklinik zu Köln, in einer Pressemitteilung der Fachgesellschaften anlässlich der Leitlinien-Publikation.
Leitlinie gibt fünf Empfehlungen
Die wichtigste von insgesamt fünf in die Leitlinie aufgenommenen Empfehlungen lautet: „Bei Patienten zwischen 16 und 60 Jahren mit einem (nach neurologischer und kardiologischer Abklärung) kryptogenen ischämischen Schlaganfall und offenem Foramen ovale mit moderatem oder ausgeprägtem Rechts-Links-Shunt soll ein interventioneller PFO-Verschluss durchgeführt werden“. Diese Empfehlung erreicht bezüglich Empfehlungsgrad und Evidenzebene die höchsten Stufe (Empfehlungsgrad A, Evidenzebene I).
In Empfehlung 2 geht es um die Frage der antithrombotischen Behandlung bei Patienten, die sich gegen einen PFO-Verschluss aussprechen. Sie lautet: „Bei Patienten mit einem kryptogenen ischämischen Insult und offenem Foramen ovale, die einen PFO-Verschluss ablehnen, gibt es keine Hinweise auf eine Überlegenheit einer oralen Antikoagulation gegenüber einer Behandlung mit einem Thrombozytenfunktionshemmer. Daher sollte die Sekundärprävention mit Aspirin oder Clopidogrel erfolgen“. Dieser Empfehlung wird ein abgeschwächter Empfehlungsgrad B und eine Evidenzebene II zugesprochen.
Empfehlung 3 thematisiert die Art der antithrombotischen Therapie nach erfolgreichem PFO-Verschluss: „Nach einem interventionellen PFO-Verschluss wird eine duale Plättchenhemmung mit 100 mg Aspirin plus 75 mg Clopidogrel für 1–3 Monate empfohlen, gefolgt von einer 12–24-monatigen Monotherapie mit Aspirin 100 mg oder Clopidogrel 75 mg. Bei Patienten mit zusätzlicher Manifestation einer Arteriosklerose wird eine Dauertherapie mit Thrombozytenfunktionshemmern empfohlen“. Diese Empfehlung hat den Empfehlungsgrad B und die Evidenzebene IIb.
Empfehlung 4 geht auf die peri- und postoperativen Risiken des interventionellen PFO-Verschlusses und deren Verhältnis zum Nutzen dieser Prozedur ein. Hier heißt es: „Vorhofflimmern, Perikardtamponaden sowie Lungenembolien sind beschriebene Komplikationen im Rahmen und nach Implantation eines Okkluders. Die Ereignisse sind aber so selten, dass sie den Empfehlungsgrad für die Implantation nicht beeinflussen sollten“. Für Empfehlung 4 werden ein Empfehlungsgrad A und eine Evidenzebene Ia genannt.
Die Expertenkommission der drei Fachgesellschaften hat sich schließlich auch noch Gedanken über das optimale Design der zu verwendenden Okkluder-Systeme gemacht und in Empfehlung 5 mit Empfehlungsgrad A und Evidenzebene Ia zum Ausdruck gebracht. Sie lautet: „Disc-Okkluder erwiesen sich als überlegen in Sicherheit und Effektivität gegenüber nicht zirkulär scheibenförmigen Okkludern“.
Kooperation von Neurologen und Kardiologen
„Vieles hängt auch davon ab, dass Neurologen und Kardiologen in dieser Indikation gut zusammenarbeiten“, wird Professor Hans-Christoph Diener, Neurologe an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und DGN-Erstautor der neuen Leitlinie, in der Pressemitteilung zitiert. „Wenn wir alles richtig machen und die richtigen Patienten auswählen, kann der PFO-Verschluss das Risiko für einen erneuten Schlaganfall um 75 Prozent senken.“
Ein solcher Nutzen galt lange Zeit als fraglich. In drei 2012 und 2013 publizierten Studien (CLOSURE I, PC-Studie, RESPECT) konnte ein relevanter Vorteil des perkutanen PFO-Verschlusses im Vergleich zu einer medikamentösen Therapie (Thrombozytenhemmung bzw. orale Antikoagulation) nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden.
Vier neue Studien brachten die Wende
Drei im September 2017 veröffentlichten Studien (REDUCE, CLOSE, RESPECT extended follow up) veränderten dann die wissenschaftliche Datenlage grundlegend. Alle drei Studien kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der endovaskuläre PFO-Verschluss additiv zur medikamentösen Therapie einer alleinigen medikamentösen Prophylaxe signifikant überlegen war. Mit DEFENSE-PFO kam dann im März 2018 eine vierte Studie hinzu, deren Ergebnisse ebenfalls die Okkluder-Implantation als wirksame Behandlung stützen.
Da ist es keine Überraschung, dass inzwischen auch mehrere Metaanalysen der vorliegenden Studien ebenfalls zu dem Ergebnis kamen, dass sich durch PFO-Verschluss nach kryptogenem Schlaganfall das Risiko für ischämische Schlaganfall-Rezidive im Vergleich zur medikamentösen Prophylaxe mehr als halbieren lässt.