Eine auf koronarer CT-Bildgebung gestützte nicht-invasive Bestimmung der „Fraktionellen Flussreserve“ (FFR-CT) konnte als diagnostische Methode bei KHK-Verdacht zwar die Rate an invasiven Koronarangiografien reduzierten, nicht aber die medizinischen Gesamtkosten, ergab die FORECAST-Studie.
In Großbritannien werden koronare CT-Angiografie (CCTA) und FFR-CT bei Patienten mit Brustschmerzen von dem die Versorgungsrichtlinien festlegenden National Institute for Health and Care Excellence (NICE) seit 2016 als nicht-invasive Methode bereits in der Primärdiagnostik der KHK empfohlen. Diese Empfehlung erfolgte auch in der durch Ergebnisse von Beobachtungsstudien genährten Erwartung, dass sich dadurch die Kosten im Gesundheitswesen substanziell verringern lassen.
Doch da haben sich die NICE-Verantwortlichen wohl verrechnet. Denn die in Großbritannien durchgeführte erste randomisierte Studie zum Effekt der FFR-CT-Messung auf den Ressourcenverbrauch im Gesundheitswesen kommt zu dem Ergebnis, dass damit eine relevante Reduktion medizinischer Kosten nicht erzielt werden konnte. Prof. Nick Curzen von der Universität Southhampton hat die zumindest in ökonomischer Hinsicht enttäuschenden Ergebnisse der FORECAST-Studie beim virtuellen TCT-Kongress („TCT Connect 2020“) vorgestellt
Zusammenspiel von morphologischer und funktioneller Diagnostik
Bei invasiven Herzkatheter-Untersuchungen wird die intravasale Messung der „Fraktionellen Flussreserve“ (FFR) mittels Druckmessdraht schon seit geraumer Zeit zum Nachweis der hämodynamischen Relevanz von Koronarstenosen genutzt. Inzwischen ist es möglich, die FFR auch nicht-invasiv auf Basis der koronaren CCTA-Bildgebung mithilfe der numerischen Strömungsmechanik (computational fluid dynamics) und künstlicher Intelligenz von Großcomputern berechnen zu lassen.
Die aus dem Zusammenspiel von morphologischer und funktioneller CT-Diagnostik resultierende FFR-CT-Bestimmung kann möglicherweise dazu beitragen, unnötige Herzkatheter-Untersuchungen und damit auch Kosten zu verringern. Diese Hoffnung ist in der FORECAST-Studie allerdings nur zum Teil erfüllt worden: Zwar blieb jedem fünften Patienten durch die FFR-CT-Messung eine invasive Koronarangiografie erspart – die medizinischen Gesamtkosten verringerten sich im Vergleich zur konventionellen diagnostischen Vorgehensweise jedoch nicht signifikant.
FFR-CT-Messung reduziert zwar die Rate an invasiven Angiografien…
In FORECAST sind an elf Zentren in Großbritannien 1.400 Patienten mit KHK-verdächtigen Brustschmerzen per Zufallszuteilung zwei Gruppen zugeordnet worden. In der Testgruppe (n=699) sollten alle Patienten einer CCTA und – im Fall von Koronarläsionen ab 40% Stenosegrad – auch einer funktionellen FFR-CT-Messung unterzogen werden. Im Referenzarm (n=700) sollte das diagnostische Prozedere in konventioneller Weise nach den NICE-Guidelines für akuten Brustschmerz erfolgen.
De facto wurde in der Testgruppe bei 96% der Teilnehmer eine CCTA-Untersuchung durchgeführt, in rund einem Drittel der Fälle zusätzlich eine FFR-CT-Messung. Die NICE-Empfehlung der CCTA für die Primärdiagnostik hatte zur Folge, dass auch in der Referenzgruppe 66% der Teilnehmer einer entsprechenden Untersuchung (aber ohne FFR-CT-Messung) unterzogen wurden.
Primärer Studienendpunkt war der Ressourcen-Verbrauch bezüglich nicht-invasiver kardialer Tests, invasiver Angiografie, koronarer Revaskularisationen, Hospitalisierungen wegen kardialer Ereignisse und kardialer Medikation in den ersten neun Monaten nach der CCTA.
Die gute Nachricht: Der Anteil an Patienten, die einer invasiven Koronarangiografie zugeführt wurden, war in der Testgruppe signifikant um 22% niedriger als in der Referenzgruppe (136 vs. 175 Patienten, p=0,01). Bezüglich der Rate an kardialen oder zerebrovaskulären Ereignissen sowie der Häufigkeit von Revaskularisationen bestanden keine nennenswerten Unterschiede zwischen beiden Gruppen.
… nicht aber die medizinischen Gesamtkosten
Die weniger gute Nachricht: Die durch Beobachtungsstudien suggerierte Kostenreduktion durch CCTA und FFR-CT-Messung bestätigte sich nicht. Nach neun Monaten bestand bezüglich der medizinischen Gesamtkosten kein signifikanter Unterschied zwischen Test- und Referenzgruppe (p=0,962).
Zu bedenken ist, dass die Ergebnisse der FORECAST-Studie unter den Bedingungen der National Health Service (NHS), also des staatlichen Gesundheitssystems in Großbritannien, erzielt worden sind. Inwieweit sie auf Gesundheitssysteme in anderen Ländern übertragbar sind, ist daher fraglich.
Curzen konstatierte am Ende seiner Präsentation, dass mehr Studiendaten nötig seien, um die optimale Nutzung der FFR-CT-Messung in der klinischen Praxis zu klären.