Im Fokus einer Statinbehandlung steht das LDL-Cholesterin. Einer aktuellen Analyse zufolge scheint es aber noch bessere Risikomarker zu geben.
Bei Patienten, die Statine einnehmen, sollten sich Ärzte offenbar nicht nur auf das LDL-Cholesterin konzentrieren. Einer aktuellen Analyse zufolge scheint sich das Restrisiko dieser Patienten durch andere Laborparameter besser abschätzen zu lassen: nämlich durch Apolipoprotein B, kurz ApoB, und Non-HDL-Cholesterin.
ApoB und Non-HDL zeigen Restrisiko besser an
So gingen über dem Median liegende ApoB-Spiegel (> 92 mg/dl) im Vergleich zu darunter liegenden in der Copenhagen General Population-Studie mit einem deutlich erhöhten Sterberisiko und Herzinfarktrisiko einher, selbst wenn die LDL-Cholesterin-Spiegel unter dem Median gelegen haben (Hazard Ratio, HR: 1,21 bzw. 1,49). Auch erhöhtes Non-HDL-Cholesterin (> 120 mg/dl) war selbst bei niedrigem LDL-C mit einem erhöhten Risiko assoziiert (HR entsprechend 1,18 und 1,78).
Andersherum war das jedoch nicht der Fall: Also Patienten, deren LDL-C trotz Statintherapie weiterhin über den Median lag (> 89 mg/dl), ApoB und Non-HDL-Cholesterin aber darunter waren, wiesen kein signifikant höheres Risiko für Tod und Herzinfarkt auf als Patienten mit niedrigem LDL-C.
Gut 13.000 mit Statinen behandelte Patienten wurden für die dänische Studie im Schnitt acht Jahre lang nachverfolgt.
Behandlungsziele nicht nur an LDL-Cholesterin festmachen
Für die Studienautoren um Dr. Camilla Ditlev Lindhardt Johannesen stellen ihre neuesten Daten die derzeit übliche Praxis infrage. Momentan werden die Effekte einer Statinbehandlung nämlich vor allem an den LDL-Cholesterin-Zielwerten festgemacht. „Die Ergebnisse der vorliegenden Studie deuten nun an, dass ApoB und Non-HDL-Cholesterin bei mit Statinen behandelten Patienten bessere Marker für das verbleibende Sterberisiko und das Risiko für atherosklerotische Erkrankungen sind als LDL-Cholesterin“, diskutierten die dänischen Wissenschaftler.
Johannesen und Kollegen sprechen sich deshalb „für eine Optimierung der derzeitigen Praxis“ aus. Eine Therapieintensivierung sollte ihrer Ansicht nach nicht allein von den LDL-C-Werten abhängig gemacht werden, sondern auch von ApoB und Non-HDL, „sogar dann, wenn das LDL-Cholesterin niedrig ist“.
Auch Dr. Neil Stone und Dr. Donald Lloyd-Jones setzen sich in einem begleitenden Editorial für die Einbeziehung von ApoB und Non-HDL-C in das Management von Dyslipidämien ein. „Es könnte nützlich sein, Non-HDL-C und, noch besser, die ApoB-Spiegel zu bestimmen, wenn diese verfügbar und nicht kostenintensiv sind“, schreiben die beiden US-Kardiologen.
Doch deshalb sollte man ihrer Ansicht nach LDL-C nicht den Rücken zukehren: „Diese Ergebnisse setzen LDL-C als Marker für den Beginn einer Statintherapie bei Risikopatienten nicht außer Kraft“, betonen sie.
Aktuelle Ergebnisse könnten künftige Leitlinien beeinflussen
In den europäischen Lipidleitlinien von 2019 wurde die Rolle von ApoB bereits aufgewertet. Vor allem bei Personen mit hohen Triglyzeriden, Diabetes, Übergewicht, metabolischem Syndrom und sehr niedrigen LDL-C-Werten wird dessen Bestimmung zur Risikoabschätzung empfohlen (Klasse I C-Empfehlung). Wenn verfügbar, könne es als Alternative zu LDL-C für das Screening, die Diagnose und das Management verwendet werden, heißt es darin.
Nach Ansicht der Studienautoren könnten ihre Ergebnisse weitere Änderungen mit sich bringen. So wird von den US-Leitlinien derzeit ein ApoB-Wert über 130 mg/dl bei Patienten ohne Statinbehandlung als risikomodulierend eingestuft. Johannesen und Kollegen könnten sich vorstellen, dass diese Grenze künftig näher an 92 als an 130 mg/dl gesetzt wird, da in ihrer Studie ein Wert über dem Median von 92 mg/dl bereits mit einem beträchtlich erhöhten Risiko assoziiert war.
ApoB scheint akkurater als Non-HDL
Methodisch sticht die aktuelle Studie laut der beiden Kommentatoren durch eine Besonderheit hervor: Der prognostische Einfluss der Laborparameter wurden mithilfe einer Diskordanzanalyse verglichen. Die Risikomarker wurden also invers zueinander betrachtet: z.B. die Bedeutung von über den Median liegenden LDL-C-Konzentrationen (> 89 mg/dl) bei unter dem Median liegenden ApoB- und Non-HDL-Werten (˂ 92 mg/dl und ˂ 120 mg/dl) und andersherum.
Sind ApoB und Non-HDL diskordant zueinander – also, dass eine erhöht und dass andere erniedrigt – scheint der Einfluss von ApoB größer als der von Non-HDL zu sein, zumindest was das Sterberisiko betrifft. Denn im Falle von hohem ApoB und niedrigem Non-HDL bleibt das Sterberisiko erhöht (nicht aber das Herzinfarktrisiko). Niedriges ApoB mit erhöhtem Non-HDL ging dagegen mit einem geringeren Sterberisiko einher. Mit ApoB scheine sich somit das Restrisiko von Patienten mit einer solchen ungewöhnlichen, aber doch realistischen Konstellation etwas besser abschätzen zu lassen als mit Non-HDL, postulieren Stone und Lloyd-Jones.
Patienten waren womöglich nicht optimal behandelt
In ihrem Editorial weisen die beiden US-Kardiologen auf einige Limitierungen der Studie hin. Unter anderem bemängeln sie, dass die Statineinnahme allein auf der Selbstauskunft der Patienten basierte. Adhärenz, die Statindosierungen usw. seien dabei nicht dokumentiert worden. Zudem lagen die LDL-C-Spiegel vieler Studienteilnehmer zu Beginn über den empfohlenen Zielwerten. Daher vermuten Stone und Lloyd-Jones, dass die Patienten nicht optimal mit Statinen behandelt waren. Und ApoB und Non-HDL dadurch „Raum“ gegeben wurde, ein Restrisiko zu entfalten.