Eine 21-jährige Softball-Spielerin kollabiert auf dem Spielfeld, nachdem sie von einer Gegnerin gefault wurde. Die Ursache des Herzstillstandes scheint zunächst klar. Doch dann machen die Ärzte einen überraschenden Fund, der den anfänglichen Verdacht widerlegt.
Wenn Athleten einen Herzstillstand beim Sport erleiden, sollte vor dem „Return to Sport“ eine umfassende Diagnostik erfolgen, selbst wenn ein Anfangsverdacht vorliegt. Wie bedeutsam eine entsprechende Differenzialdiagnostik sein kann, verdeutlicht der folgende Fall, der von Dr. Bradley Lander und seinem Team vom Columbia University Irving Medical Center in New York im JACC Case Report publiziert wurde.
21-jährige Softball-Spielerin kollabiert auf dem Spielfeld
Eine 21-jährige Softball-Spielerin wird auf dem Weg zur ersten Base von der Gegnerin heftig im Brustbereich attackiert. Die junge Frau kollabiert Sekunden später auf dem Spielfeld. Sie wird sofort reanimiert, zunächst manuell, dann mit einem Defi. Die Frau überlebt den Vorfall ohne neurologische Störungen und wird sofort ins Krankenhaus gebracht.
Dort wird sie zunächst mit einer Basisdiagnostik durchgecheckt. Die körperliche Untersuchung ist unauffällig. Im EKG finden sich Hinweise für eine linksventrikuläre Hypertrophie (LVH), es ist ein AV-Block ersten Grades und ein linksanteriorer Hemiblock zu sehen. In der transthorakalen Echokardiografie (TTE) bestätigt sich das Vorliegen einer milden konzentrischen LVH, die LVEF liegt bei 66%, ansonsten gab es keine Auffälligkeiten. Im Kardio-MRT können die Ärzte, bis auf einen mild ausgeprägten dilatierten linken Ventrikel (enddiastolischer Volumenindex: 114 ml/m²) und eine grenzwertige LVEF (48%), keine pathologischen Veränderungen feststellen. Die geringfügige LV-Dilatation, die LVH und die grenzwertige LVEF schieben die US-Mediziner auf ein sportinduziertes Remodeling.
Commotio cordis als Verdachtsdiagnose
Die Ärzte vermuten angesichts dieser Befunde, dass eine commotio cordis, also eine Herzerschütterung, den Herzstillstand bei der jungen Sportlerin verursacht hat. Eine commotio cordis wird durch ein stumpfes, nicht penetrierendes Trauma ausgelöst, oft sind Gegenstände (Bälle, Pucks) beteiligt, die mit hoher Geschwindigkeit auf Herzhöhe des Körpers einschlagen. Ein solch harter Stoß kann Kammerflimmern und schließlich auch einen Herzstillstand herbeiführen. Meistens haben die betroffenen Personen keine kardialen Vorerkrankungen.
Mit dieser Verdachtsdiagnose wird die Frau aus dem Krankenhaus entlassen, nachdem ihr zuvor ein Loop-Recorder implantiert wurde. Sie wird für eine „Return-to-Sport“-Evaluierung in das Institut von Lander und Kollegen überwiesen.
Brustenge bei Belastung schon seit Kindheitstagen
In diesem Zentrum wird die Patientin nochmals umfassend untersucht, um Differenzialdiagnosen ausschließen zu können. Bei der Anamneseerhebung gibt die Frau an, schon seit ihrer Kindheit an einer Brustenge zu leiden, wenn sie sich belaste. Die Beschwerden wurden damals auf ein belastungsinduziertes Asthma geschoben, weshalb der Frau ein Inhalator verschrieben wurde. Unter dieser Therapie verbesserte sich ihre Symptomatik allerdings nicht.
Umfassende Differenzialdiagnostik
In dem Institut von Lander und Kollegen wird eine erneute EKG- und TTE-Diagnostik durchgeführt, die im Grunde die anfänglichen Befunde bestätigt. Allerdings entdecken die Kardiologen im EKG noch eine verzögerte R-Wellen-Progression. Die isolierte LVH im EKG interpretierten sie als grenzwertigen Befund, weil eine Linksachsen-Abweichung vorliege, argumentieren sie. Brustbeschwerden und Atemnot bei einem trainierten Sportler seien ebenfalls nicht normal, geben sie zu bedenken.
Eine anschließend vorgenommene genetische Untersuchung auf das Vorhandensein eines Long-QT-Syndroms ist unauffällig. Ein Stress-Echo muss abgebrochen werden, weil die junge Frau im Laufe der Untersuchung Brustenge und zunehmende ventrikuläre Extrasystolen entwickelt hat. Im Echo zu sehen sind ventrikuläre Extrasystolen und eine mitt-distale anteroseptale Hypokinesie.
Ärzte stoßen auf überraschenden Befund
Die Ärzte entschließen sich, eine koronare CT-Angiografie (CCTA) vorzunehmen und stoßen dabei auf einen überraschenden Befund: Die linke Koronararterie der Patientin entspringt nämlich aus der Arteria pulmonalis – ein selten vorkommende angeborene Koronararterienanomalie, die als ALCAPA („anomalous origin of the left coronary artery from the pulmonary artery“) oder Bland-White-Garland-Syndrom bezeichnet wird. Als Begleitphänomen dieses Herzfehlers ist die rechte Koronararterie bei der jungen Frau stark vergrößert, es haben sich Kollateralen ausgebildet und die LAD ist retrograd gefüllt.
Nach Einschätzung von Lander und seinem Team stellt diese Koronararterienanomalie die „wahre Ursache“ für den Herzstillstand der Sportlerin dar. Von einem ALCAPA betroffene Patienten entwickeln infolge der Flussumkehr in der linken Koronararterie („Coronary Steal“) häufig einen linksventrikulären Overload und chronische Ischämiezustände, die in einer Herzinsuffizienz resultieren können. Wenn sich nach der Geburt keine Kollateralen zwischen der rechten und linken Koronararterie ausbilden, kommt es meist schon im Säuglingsalter zu Komplikationen (infantiler Typ). 90% der betroffenen Kinder versterben in den ersten Monaten ihres Lebens, wenn der Herzfehler nicht chirurgisch korrigiert wird. Bei ausgeprägter Kollateralenbildung entwickeln ALCAPA-Patienten oft erst im Erwachsenenalter Symptome (Erwachsenentyp). Typischerweise treten dann Beschwerden wie Angina, Synkopen oder Dyspnoe auf. Betroffene haben ein erhöhtes Herztod-Risiko und weisen häufig eine Mitralklappeninsuffizienz auf.
Weiteres Management
Lander und sein Team vermuten, dass der Herzstillstand bei der jungen Sportlerin durch die Kombination aus chronischer Ischämie (wegen des Herzfehlers) und Trauma ausgelöst wurde. Die US-Kardiologen beraten sie sich nach der Diagnosestellung mit Kinderkardiologen und Herzchirurgen, um das weitere Management festzulegen. Das Board entscheidet sich für eine chirurgische Korrektur des Herzfehlers, und zwar für eine Reimplantation der abnormal verlaufenden linken Koronararterie in die Aorta, mit dem Ziel, eine Myokardversorgung über beide Koronarien zu erreichen.
Die Patientin übersteht diesen Eingriff ohne Komplikationen. In der Folge verbessern sich ihre Beschwerden, ebenso wie die LVEF und Belastungskapazität. Es kommt zu keinen weiteren Rhythmusstörungen. Infolgedessen beginnt die Frau eine kardiale Rehabilitation, mit dem Plan, ihren Sport wieder ausüben zu können.
„Dieser Fall verdeutlicht, wie wichtig eine breite Differenzialdiagnostik und vollständige Evaluation von Athleten mit einem plötzlichen Herztod ist, speziell dann, wenn auf der Grundlage des initialen Ereignisses als Ursache eine commotio cordis vermutet wird“, ziehen Lander und sein Team als Lehre aus diesem Fall.
Fazit für die Praxis: |
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