Zeitliche und räumliche Unabhängigkeiten sind große Vorteile der Telemedizin. Moderne Technologien ermöglichen so z.B., kontinuierliche Gesundheitsdaten von Patienten zu überwachen, den Informationsaustausch zwischen Behandlern zu verbessern oder neue Fortbildungsformate einzusetzen.
Uhren zeigen die Zeit, können aber auch Aktivitäten oder EKGs aufzeichnen. Telefone können zum Telefonieren genutzt werden, bieten als Smartphone aber auch die Möglichkeit, Informationen zu jeder Zeit an jedem Ort zu erhalten und das eigene Leben, z. B. durch Erinnerungen zu strukturieren. Der zunehmende Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien verändert Möglichkeiten, Gewohnheiten und Erwartungen.
Telemedizin in der Kardiologie ist ein konkretes Beispiel für diesen digitalen Wandel im Gesundheitswesen. Laut Bundesärztekammer ist Telemedizin ein Begriff für „ärztliche Versorgungskonzepte, die als Gemeinsamkeit den prinzipiellen Ansatz aufweisen, dass medizinische Leistungen der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den Bereichen Diagnostik, Therapie und Rehabilitation sowie bei der ärztlichen Entscheidungsberatung über räumliche Entfernungen (oder zeitlichen Versatz) hinweg erbracht werden. Hierbei werden Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt“.
Telemedizinische Konzepte verbessern die Zusammenarbeit
Telemedizin kann die Zusammenarbeit zwischen Behandlern erleichtern. Beispiele für diese sog. „doctor-to-doctor“ – kurz: doc2doc – Anwendungen sind die Telekonsultation, um die Expertise zu erhöhen und Zweitmeinungen in die Befundung und Therapieplanung einzubeziehen, die Teleradiologie und die Telepathologie.
Ausbildung in Pandemiezeiten
Diese Konzepte fokussieren häufig die Übermittlung von Wissen. Darüber hinaus kann die medizinische Aus-, Fort- und Weiterbildung von der Telemedizin profitieren (Teleedukation). Die zeitliche und räumliche Unabhängigkeit sowie der Einsatz digitaler Medien (z. B. virtuelle Operationsszenarien) kann die medizinische Ausbildung bereichern und nicht nur dazu beitragen, neue Forschungsergebnisse schneller in die praktische Anwendung zu überführen, sondern auch unter außergewöhnlichen Umständen, wie der COVID-19 Pandemie, eine qualitativ hochwertige Ausbildung unterstützen.
Kontinuierliches Monitoring von Gesundheitsdaten
Neben doc2doc-Konzepten kann Telemedizin auch den Austausch von Daten oder Informationen zwischen Behandlern und Patienten erleichtern, also per
doc2patient. Hierzu zählen z. B. Telemonitoring, Telediagnostik oder Teletherapie.
Mit Telemonitoring bezeichnet man die Überwachung des Gesundheitsstatus‘ eines Patienten mithilfe externer oder implantierter Sensoren. Externe Sensoren
sind beispielsweise Körperwaagen oder Blutdruckmessgeräte. Wearables wie Smartwatches erweitern bereits heute den Medizinproduktemarkt und ermöglichen ein kontinuierliches Monitoring von Gesundheitsdaten.
Darüber hinaus erfassen telemetriefähige Implantate (Herzschrittmacher, ICD, CRT-P/ CRT-D) ihre eigene Funktionstüchtigkeit und Gesundheitsdaten des Patienten. Die Übertragung dieser Daten erfolgt automatisch. Alle Hersteller von Herzrhythmusimplantaten bieten Übertragungssysteme und dazugehörige digitale Fallakten an.
Betreuung chronisch Kranker
Dem Telemonitoring kommt eine besondere Bedeutung bei der Betreuung und therapeutischen Steuerung chronisch kranker Patienten zu, z.B. Herzinsuffizienzpatienten. Ein kontinuierliches Monitoring bietet das Potenzial, Veränderungen des Gesundheitszustandes frühzeitig zu identifizieren und durch die Anpassung der Diagnosen und / oder der Therapie angemessen zu reagieren. Dadurch lassen sich Krankenhausaufenthalte verkürzen und der Gesundheitszustand des Patienten verbessern.
Darüber hinaus können mithilfe von Telemonitoring-Maßnahmen für notwendige Verhaltensänderungen der Patienten (Ernährung, Adhärenz) initiiert werden. Telemonitoring ist unabhängig vom Standort des Patienten und kann damit sowohl im häuslichen Umfeld als auch in der Klinik oder an einem anderen Aufenthaltsort erfolgen.
Telediagnostik ermöglicht es einem Patienten wiederum, sich durch die Übertragung relevanter Daten, beispielsweise eine Zweitmeinung bzw. einen Befund durch einen nicht ortsansässigen medizinischen Leistungserbringer einzuholen.
Mithilfe der Teletherapie kann der Patient dann Therapiemaßnahmen an einem Ort seiner Wahl durchführen. Durch die Weiterleitung und Prüfung der Therapiedaten durch das betreuende Zentrum ist der Patient trotzdem eng an den Betreuer angebunden.
Die Telechirurgie und Telerobotik erweitern die Möglichkeiten der Telemedizin, indem die Behandlung des Patienten durch eine ärztliche Fernsteuerung von medizinischen Instrumenten oder Geräten erfolgt.
Kleine Sensoren bewähren sich als Alltagshelfer
Telemedizin wird eine zunehmend wichtigere Rolle in der Versorgung der Patienten einnehmen. Kleinere Sensoren lassen sich leichter in den Alltag integrieren. Durch die Kombination mit Lösungen des maschinellen Lernens und Elementen zur Motivation der Patienten wie „Serious Gaming“ können sie zum täglichen Begleiter der Patienten werden. Patienten können sich selbst so immer aktiver an den Versorgungsprozessen beteiligen.
Die vorhandenen Daten und Strukturen ermöglichen eine informierte, abgestimmte, personalisierte und prädiktive Versorgung der Patienten. Hierfür müssen transparente Maßnahmen zur Sicherung der Qualität digitaler Angebote geschaffen werden. So hat beispielsweise die AG33 der DGK (Arbeitsgruppe für Telemonitoring) bereits Anforderungen an Telemedizinzentren formuliert, die als Leitfaden genutzt werden können.
Und nicht zuletzt bedarf es adäquater Finanzierungsstrukturen im deutschen Gesundheitswesen, um die neuen Methoden und ihr Potenzial zum Wohle der Patienten in den Praxisalltag zu integrieren.