Patienten im Krankenhaus, die keine medikamentöse Thromboseprophylaxe erhalten, haben in der Regel auch nichts zu befürchten. Zumindest in einer retrospektiven Analyse war deren Risiko für venöse Thromboembolien gering – nicht so bei Krebspatienten.
Wird ein Patient ins Krankenhaus eingeliefert, wird schnell mal zur Thrombosespritze gegriffen. Das Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) ist bei hospitalisierten Patienten bekanntlich deutlich erhöht. Die Indikation für eine solche Therapie sollte jedoch immer in Abhängigkeit des individuellen Risikos getroffen werden.
Entscheidet man sich gegen eine medikamentöse Prophylaxe, haben die Patienten in der Regel auch nichts zu befürchten. Zumindest deutet darauf eine aktuelle Analyse hin, in der Daten von 17.262 in eine Klinik aufgenommene Patienten ausgewertet wurden. Die Studie wurde beim Kongress der internationalen Thrombose- und Hämostase-Gesellschaft (ISTH) in Berlin präsentiert.
Mehr als ein Drittel bekam keine Prophylaxe
34 % der Patienten erhielten im Krankenhaus keine medikamentöse Thromboseprophylaxe. Bei ihnen kam es während des Aufenthaltes und bis 90 Tage nach der Entlassung zu 18 VTE (0,4 %); 30 Tage nach der Entlassung wurde kein Ereignis mehr registriert. Zum Vergleich: Bei Patienten, die bei Klinikaufnahme eine VTE-Prophylaxe erhalten haben, betrug die die Häufigkeit von VTE 1,1 % (89 Ereignisse). Nicht überraschend kam es bei ihnen während der stationären Zeit häufiger zu Blutungen als bei den nicht behandelten Patienten (0,8 vs. 0,2 %).
Es scheint also, dass die meisten Patienten, die keine VTE-Prophylaxe erhalten, eine gute Prognose haben, schlussfolgern die Studienautoren um Allison Budd von der Universität Ottawa.
VTE-Risiko bei Krebspatienten deutlich höher
Dass die Ereignisrate aber wohl stark vom individuellen Risiko abhängt, macht eine Subanalyse von 3.803 Patienten deutlich, die aufgrund einer malignen Erkrankung in eine stationäre Krebsstation aufgenommen wurden. Knapp die Hälfte der Krebspatienten bekam keine VTE-Prophylaxe (48 %). Immerhin 3,5 % von ihnen erlitten in der Klinik oder danach eine VTE. Generell war das Risiko für VTE bei den onkologischen Patienten um etwa das Vierfache erhöht; in 3,8 % der Fälle trat eine VTE auf, und auch das Risiko für Blutungen war höher als bei den anderen Krankenhauspatienten (1,0 %).
Das Studienergebnis bekräftigt somit die derzeitige Empfehlung zur Prophylaxe der venösen Thromboembolie. Darin wird für Patienten, die wegen bösartiger Tumore stationär behandelt werden, eine medikamentöse VTE-Prophylaxe angeraten (vorzugsweise mit niedermolekularem Heparin oder Fondaparinux).
Leitlinien empfehlen VTE-Prophylaxe bei mittlerem und hohem Risiko
Generell wird in der Leitlinie eine medikamentöse VTE-Prophylaxe aber nur für Patienten mit operativen Eingriffen, Verletzungen und akuten Erkrankungen empfohlen, die ein mittleres und hohes VTE-Risiko aufweisen. Dabei gilt es die Ursache des Krankenhausaufenthaltes, also welche Art der Operation usw., sowie individuelle Patientenfaktoren wie Alter, Tumorerkrankung in der Anamnese, hormonelle Kontrazeption, genetische Prädisposition zu berücksichtigen.
Wie lässt sich das Risiko einschätzen?
Budd und Kollegen schließen aus ihren Daten, dass ein akuter Herzinfarkt, eine Niereninsuffizienz, die Aufnahme auf die Intensivstation sowie das Vorhandensein eines Dauerkatheters sinnvolle Parameter darstellen könnten, um das VTE-Risiko bei der Klinikaufnahme einschätzen zu können. In einer multivariaten Analyse stellten sich das Vorliegen eines Zentralvenenkatheters und eine Tumorerkrankung in der Anamnese als starke Prädiktoren für ein erhöhtes VTE-Risiko heraus.
Natürlich lässt sich aus dieser retrospektiven Analyse, die auf Daten aus nur einem großen Klinikzentrum in Kanada basiert, nicht entnehmen, welche Patienten letztlich von einer VTE-Prophylaxe profitieren und welche nicht. Sehr wahrscheinlich sind eben genau die Patienten nicht behandelt worden, die ein sehr geringes Thromboserisiko aufwiesen, was die niedrige Inzidenz von VTE in dieser Gruppe erklärt.