Ärzte sollten auf die Verschreibung nichtsteroidaler Entzündungshemmer bei Herzinfarkt-Patienten möglichst verzichten. Doch nicht immer ist das möglich. Eine Studie legt nun nahe, welche Substanzen am sichersten sind – und räumt mit alten Vorteilen auf.
Die Leitlinien warnen: Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAID) sollten Patienten, die erst kürzlich einen Herzinfarkt erlitten haben, möglichst gar nicht verordnet werden. Denn in Studien hat sich gezeigt, dass viele der Substanzen bei gleichzeitiger Einnahme von Plättchenhemmer mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einhergehen.
NSAID erhöhen das Herzrisiko schon bei kurzer Einnahme
Diese Befürchtungen haben sich nun in einer neuen Studie bestätigt. Mit 108.292 Patienten handelt es sich um die bisher größte Studie, die das Risiko einer NSAID-Einnahme bei Postinfarktpatienten untersucht hat.
In der Untersuchung aus Korea war die NSAID-Einnahme bei Herzinfarkt-Patienten mit einem fast siebenfach erhöhtem Risiko für erneute kardiovaskuläre Komplikationen assoziiert (adjustierte Hazard Ratio, HR: 6,96; p ˂ 0,001). Das Blutungs-Risiko war um das Vierfache höher als für Patienten ohne eine solche Verordnung (HR: 4,08; p ˂ 0,001).
Und die Gefahr betraf alle Patienten – egal welchen Plättchenhemmer sie in welcher Kombination eingenommen hatten. Bereits eine einwöchige NSAID-Therapie reichte aus, um das Risiko der Patienten zu steigern.
Diese Schmerzmittel waren am sichersten
Doch was sollen Ärzte tun, wenn eine NSAID-Therapie bei Herzinfarkt-Patienten aufgrund einer behandlungsbedürftigen Grunderkrankung, z.B. einer rheumatoiden Arthritis oder Osteoarthritis, unvermeidbar ist?
Die aktuellen Ergebnisse deuten an, dass das Herzrisiko je nach Substanz unterschiedlich ist. Das geringste Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Blutungen birgt demzufolge Celecoxib (HR: 4,65 und 3,44) und Meloxicam (HR: 3,03 und 2,80). Die größte Gefahr ging von einer Behandlung mit Naproxen und Dexibuprofen aus: mit einem mehr als zehnfach erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (HR: 10,60 und 12,96).
„Unsere Daten legen nahe, dass man Celecoxib und Meloxicam als potenzielle Alternative bei Patienten mit einem Myokardinfarkt erwägen sollte, wenn eine NSAID-Verordnung unvermeidbar ist“, lautet die praktische Empfehlung der Studienautoren um Dr. Dong Oh Kang aus Seoul.
Das bessere Sicherheitsprofil von Celecoxib und Meloxicam erklären sich die südkoreanischen Kardiologen mit der hohen Selektivität beider Substanzen für das Isoenzym Cyclooxygenase-2 (COX-2). Dagegen hemmen nichtselektive COX-Hemmer wie Naproxen neben COX-2 auch COX-1, weshalb diese die Schleimhaut im Magen-Darm-Trakt angreifen und mit der Antiplättchenwirkung von Acetylsalicylsäure, die COX-1 hemmt, interferieren können.
Vor allem COX-2-Hemmer stehen im Verruf – zu unrecht?
Die aktuellen Ergebnisse stehen allerdings im krassen Gegensatz zur klassischen Auffassung. Bis vor wenigen Jahren standen nämlich gerade die selektiven COX-2-Hemmer im Verruf, das kardiovaskuläre Risiko zu erhöhen. Ursache für diesen Generalverdacht war der Skandal um den ersten COX-2-Hemmer Rofecoxib, der in einer Studie das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle im Vergleich zu Placebo nahezu verdoppelte. Die Substanz wurde deshalb 2004 vom Markt genommen.
Die 2016 beim Kongress der „American Heart Association“ (AHA) präsentierte PRECISION-Studie hat die COX-2-Hemmer in der Kardiologie quasi wieder rehabilitiert. In dieser von der FDA geforderten Sicherheitsstudie hat sich Celecoxib unter kardiovaskulären Aspekten als genauso sicher erwiesen als Ibuprofen oder Naproxen. Einige Experten gingen mit der Studie allerdings hart ins Gericht. Kritisiert wurde u.a., dass es sich bei der Studienpopulation nicht wirklich um ein Hochrisikokollektiv gehandelt hatte, Patienten mit einem kürzlich zurückliegenden Herzinfarkt waren beispielsweise ausgeschlossen (mehr dazu in diesem Beitrag).
In diesem Sinne ergänzt die aktuelle Studie nach Ansicht der Studienautoren die Erkenntnisse aus der PRECISION-Studie, also dass Celecoxib auch für Herzinfarkt-Patienten nicht gefährlicher ist als andere NSAID. Da auch Meloxicam in der aktuellen Analyse vergleichsweise sicher war, gehen Oh Kang und Kollegen davon aus, dass die Ergebnisse bzgl. der kardiovaskulären Sicherheit von Celecoxib auch auf andere COX-2-Hemmer, wie eben Meloxicam, zutreffen.
„Keine Studie ist perfekt“
Prof. Juan Badimon und Dr. Carlos Santos-Gallego stimmen der Einschätzung der Studienautoren weitestgehend zu. Allerdings betonen die beiden Kardiologen aus New York, dass „keine Studie perfekt ist“, und auch diese Studie einige Limitationen hat. Da sie nicht randomisiert war, sind Unterschiede in den Baseline-Charakteristika zwischen beiden Patientengruppen (NSAID- vs. Nicht-NSAID-Verordnung) nicht auszuschließen. So könnte es sein, dass die mit NSAID behandelten Patienten aufgrund ihrer Grunderkrankung per se ein höheres kardiovaskuläres Risiko aufweisen, die Risikoerhöhung also nicht allein der Medikation zugeschrieben werden kann.
Keine Informationen liefert die Studie zu der Therapieadhärenz (wie viele haben die Medikation abgebrochen?) und Dosierung der NSAID-Therapie.