Erschienen in:
03.08.2017 | Hämangiom | Originalien
Kavernome des Zentralnervensystems
Verlaufsbeobachtung bei 111 Patienten
verfasst von:
C. Mayer, U. M. Mauer, G. Bluhm, R. Mathieu, C. Hackenbroch, Dr. S. Mayer
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 2/2018
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Zusammenfassung
Fragestellung
Die Prävalenz von Kavernomen beträgt 0,1–0,7 %. Sie werden oftmals als Zufallsbefund im Rahmen von Magnetresonanztomographie(MRT)-Untersuchungen diagnostiziert. In der Literatur variiert das angegebene Blutungsrisiko stark und liegt teils über dem von Aneurysmata, was angesichts der Zugehörigkeit von Kavernomen zum Niederdrucksystem überrascht. Mit dem Wissen um das Vorhandensein eines Kavernoms müssen die Behandler und der Patient sich zwischen einer operativen Versorgung und einem „watchful waiting“ entscheiden. Ziel unserer Untersuchung war es, die Blutungshäufigkeit von Kavernomen und deren Auswirkungen zu erfassen, die Patientenzufriedenheit mit der getroffenen Entscheidung zu erfragen und so eine Therapieentscheidung zu erleichtern.
Material und Methoden
Eingeschlossen wurden alle Patienten, die sich zwischen 2002 und 2012 im Bundeswehrkrankenhaus Ulm in Behandlung befanden und bei denen mittels einer MRT die Diagnose eines oder mehrerer Kavernome des zentralen Nervensystems gestellt wurde. Von diesen 111 Patienten wurden epidemiologische Daten erfasst und es erfolgte eine Analyse der Kavernome bezüglich Lage, Größe, Therapie, Begleiterscheinungen etc. Außerdem wurde an alle Patienten ein umfangreicher Fragebogen mit Fragen zu Symptomen, zum Krankheitsverlauf sowie zur Lebensqualität verschickt. Die Rücklaufquote betrug 38 %. Die Daten wurden anschließend hinsichtlich verschiedener Fragestellungen ausgewertet.
Ergebnis
Je nach Definition eines Blutungsereignisses und Wahl des Beobachtungszeitraumes zeigt sich eine Blutungswahrscheinlichkeit von 1,3–5,9 % pro Patientenjahr. Diese recht hohe Zahl wird allerdings durch die meist milden Folgen eines Blutungsereignisses relativiert. So fanden viele Blutungsereignisse bei Patienten statt, die ein Kavernom als Zufallsbefund diagnostiziert bekamen und symptomfrei sind. In unserem Kollektiv fanden sich zudem keine Patienten mit gravierenden Folgen durch ein Blutungsereignis. 45 % der Patienten mit temporalen Kavernomen haben eine symptomatische Epilepsie. Das Stimmungsbild in der Befragung operierter Patienten war heterogen. Einige Patienten bereuten die Entscheidung für eine Operation retrospektiv.
Diskussion
Aus den erhobenen Daten leiten wir ab, dass die Operationsindikation sehr kritisch gestellt werden sollte und besonders auf einen „informed consent“ des Patienten geachtet werden muss. Die Häufung temporaler Kavernome und die damit einhergehende epileptische Symptomatik ist ein wesentlicher Aspekt, der sicherlich großen Einfluss auf die Entscheidung betroffener Patienten hat. Obwohl es sich bei Kavernomen um venöse Malformationen im Niederdrucksystem handelt, ist die festgestellte Blutungshäufigkeit mit bis zu 5,9 % pro Patientenjahr höher, als von uns erwartet, wird aber in anderen Studien so bestätigt. Berichte über gravierende Folgen einer Kavernomblutung sind auch in der Literatur rar, was die von der relativ hohen Blutungswahrscheinlichkeit ausgehende Gefahr relativiert.