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Erschienen in:

Open Access 16.09.2024 | Keratektomie | Kasuistiken

Phototherapeutische Keratektomie zur Behandlung einer infektiösen Keratitis bei einer Patientin mit PAX6-assozierter Aniridie

verfasst von: Zamira Hoxha, Elias Flockerzi, Nora Szentmáry, Fabian Norbert Fries, Berthold Seitz

Erschienen in: Die Ophthalmologie | Ausgabe 11/2024

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Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Anamnese

Eine 61-jährige Patientin mit PAX6-assoziierter Aniridie stellte sich mit einer persistierenden Hornhauterosio, multiplen Infiltraten und einer Transplantatdekompensation am linken Auge in unserer Klinik vor. Die Erosio persistierte trotz intensiver Lokaltherapie mit Ofloxacin-Augentropfen, Ganciclovir-Gel und stündlich im Wechsel mit Tränenersatzmitteln applizierten autologen Serumaugentropfen seit 8 Wochen. Oberflächliche Infiltrate hatten sich in der Woche davor entwickelt. Am linken Auge waren bereits 3 Hornhauttransplantationen aufgrund von Hornhaut-Endothel-Epithel-Dekompensation im Rahmen der Aniridie-assoziierten Keratopathie (AAK) durchgeführt worden, die letzte im Jahr 2019. Beide Augen zeigten ein Aniridie-assoziiertes Sekundärglaukom. Der Augeninnendruck war nach der Implantation einer Ahmed-Valve und mehreren Exokryokoagulationen des Ziliarkörpers reguliert. In der Allgemeinanamnese der Patientin fand sich lediglich eine mit L‑Thyroxin behandelte Hypothyreose.

Befunde

Bei der Vorstellung betrug die bestkorrigierte Sehschärfe am linken Auge 1/25 Lesetafel, der Augeninnendruck 13 mm Hg. Bei der Spaltlampenuntersuchung wurde eine 4 × 6 mm große, scharf begrenzte Hornhauterosio mit mehreren weißen, scharf abgegrenzten Hornhautinfiltraten festgestellt, die einer Candida-Infektion ähnelten (Abb. 1). Das Transplantat erschien komplett dekompensiert. Die optische Kohärenztomographie des vorderen Augenabschnitts zeigte eine verdickte Hornhaut mit einer minimalen Dicke von 784 μm am Apex und oberflächlich begrenzten Infiltraten im vorderen Stroma (Abb. 2a). Es gab keine Entzündungszeichen oder ein Hypopyon; der Glaskörper war sonographisch ebenfalls reizfrei.

Diagnose

Die Patientin wurde mit der Diagnose einer persistierenden Erosio mit multifokalen oberflächlichen Infiltraten auf dem Transplantat stationär aufgenommen.

Therapie und Verlauf

Bei der Aufnahme ergab die Polymerasekettenreaktion (PCR) des Hornhautabstriches und -abradats das Vorhandensein von Bakterien spp., war aber negativ für Pilze und Acanthamöben spp. Die Kultur ergab keinen spezifischen Bakteriennachweis. Die korneale Konfokalmikroskopie zeigte ein klares Hornhautstroma ohne Pilzhyphen, Akanthamöbenzysten oder -trophozoiten. Trotz fehlenden Erregernachweises entschieden wir uns für eine Breitbandtherapie, da dies das bessere Auge der Patientin war. Die antimikrobielle Therapie wurde mit stündlichen Moxifloxacin 0,5 % Augentropfen (AT), Voriconazol 2 % AT und einem Kombipreparat von Polymyxin B + Neomycin + Gramicidin AT intensiviert. Zusätzlich erhielt sie 3 × täglich Ganciclovir 0,15 % Augengel (AG), Kombipräparat von Dexamethason + Neomycinsulfat + Polymyxin-B-sulfat Augensalbe zur Nacht und oral Aciclovir 400 mg 5 × täglich. Nach 6 Tagen zeigte sich nur eine minimale Verbesserung der Hornhautbefunde.
Wir entschieden uns für eine Excimerlaser-assistierte PTK mit 10 mm Durchmesser und einer Ablationstiefe von 150 μm ohne Maskierungsflüssigkeit, was zur vollständigen Entfernung der Infiltrate führte. Bei geringem Epithelialisierungstendenz postoperativ wurde zunächst eine AMT als Patch mit Einsetzen einer Verbandskontaktlinse durchgeführt. Das postoperative Therapieschema umfasste Ofloxacin-AT 3 × täglich, Loteprednol 2 × täglich und 100 % autologe Serumaugentropfen im Wechsel mit HyloGel® AG (URSAPHARM, Saarbrücken, Deutschland) stündlich. 4 Wochen postoperativ zeigte die Hornhaut nach Entfernung der Verbandskontaktlinse und Amnionfäden eine oberflächliche punktförmige Keratopathie, aber kein Rezidiv der Infiltrate. Die Pachymetrie zeigte eine Abnahme der Hornhautschwellung (Abb. 2b). Wir reduzierten die Therapie auf konservierungsmittelfreie Tränenersatzmittel und topische Steroide. Bei den regelmäßigen Nachkontrollen bis zu einem Jahr nach dem Eingriff wurde kein Rezidiv der Infiltrate festgestellt. Die Patientin hatte jedoch rezidivierende Hornhauterosionen, und das Transplantat blieb trüb. Die Erosionen wurden konservativ behandelt. Die Sehschärfe blieb bei 1/15 Lesetafel, und der Augeninnendruck bei 8 mm Hg.

Diskussion

Die kongenitale Aniridie ist eine seltene panokuläre Krankheit mit variabler Schwere der ophthalmologischen Befunde, darunter Keratopathie, foveale Hypoplasie, Nystagmus, Katarakt, Glaukom und Irishypoplasie [1, 2]. Die AAK ist eine direkte Folge der Limbusstammzellinsuffizienz (LSI) und führt zu rezidivierenden Hornhauterosionen, Ulzerationen und Vernarbungen sowie letztendlich zu progressivem Sehverlust. Die Patienten haben eine reduzierte Sehschärfe, die sich mit zunehmendem Alter durch Fortschreiten der Keratopathie, des Glaukoms und der Katarakt weiter verschlechtert.
Das Vorhandensein von oberflächlichen Hornhautinfiltraten bei der Patientin weckte den Verdacht auf eine mikrobielle Keratitis; jedoch war die präzise Identifizierung eines Erregers nicht möglich. Die PCR-Analyse sowohl des Hornhautabstrichs als auch des durch die PTK vorhandenen Hornhautabradats ergab positive Ergebnisse für Bakterien, obwohl spezifische Arten nicht identifiziert werden konnten. Die Möglichkeit einer Kontamination konnte nicht ausgeschlossen werden. Klinisch ähnelten die Infiltrate einer Candidainfektion, trotz negativer Befunde der Mikrobiologie und konfokaler Mikroskopie. Candida spp. sind Opportunisten, die gelegentlich chronische Keratopathien und Hornhauttransplantationen verkomplizieren können. Eine frühe Candidakeratitis äußert sich als therapierefraktäre Hornhauterosio mit spärlichen Infiltraten, gelegentlich schmerzlos. Sie entwickelt sich langsam zu weiß-grauen Infiltraten und Vorderkammerreizzustand und reagiert nicht auf Breitbandantibiotika. Solche Fälle erfordern eine mindestens 8‑wöchige Behandlung mit Antimykotika. Bei progredienter Keratomykose kann in bis zu zwei Dritteln der Fälle eine Keratoplastik erforderlich sein, oft mit schlechtem visuellem Ergebnis [6].
Die Identifizierung des mikrobiellen Erregers ist bei infektiöser Keratitis nicht immer möglich. Die PCR hat eine hohe Sensitivität bei der Identifizierung von Bakterien (83 %) und Pilzen (85 %), jedoch sinkt diese signifikant, wenn die Proben zuvor mit Antibiotika oder Antimykotika behandelt wurden. Die Kultur hingegen weist eine Sensitivität von nur 59 % für Bakterien und 45 % für Pilze auf [4]. Darüber hinaus haben Toth et al. gezeigt, dass 1,5 % der explantierten Hornhäute mittels PCR positiv auf das Herpes-simplex-Virus getestet wurden, ohne klinische Anzeichen einer Herpeskeratitis [7]. Angesichts dieser Faktoren entschieden wir uns für eine Breitbandtherapie, die jedoch trotz intensiver Behandlung mit Antibiotika, Antimykotika und antiviralen Medikamenten keine Verbesserung brachte.
Aufgrund der oberflächlichen Lokalisation der Infiltrate entschieden wir uns für eine Excimerlaser-assistierte PTK. Die PTK wurde gelegentlich zur Behandlung von therapierefraktären infektiösen Keratitiden bakterieller, mykotischer, viraler oder parasitärer Ursache eingesetzt [3, 5]. Der Excimerlaser ermöglicht die direkte Entfernung von infektiösen Läsionen und nekrotischem Gewebe. Eine ausreichende Hornhautdicke und die Lage der Infiltrate in 10–20 % des vorderen Stromas sind erforderlich. Maskierungsflüssigkeit wird nicht verwendet, da diese die Präzision der Ablation der Läsion beeinträchtigen könnte. Die gleichmäßige und glatte Ablation unterdrückt die Gewebsvernarbung, fördert die Epithelialisierung und ermöglicht eine bessere visuelle Erholung. Unseres Wissens handelt es sich hierbei um den ersten Bericht über die Anwendung der Excimerlaser-assistierten PTK bei einer vermutlich infektiösen Keratitis bei einer Patientin mit kongenitaler Aniridie.
Die Epithelheilung ist aufgrund ihrer LSI und des trockenen Auges eine Herausforderung [1]. Unsere Patientin hatte eine fortgeschrittene AAK (Grad 4 nach Lagali et al. [2]) und hatte bereits 3 Hornhauttransplantationen. Aufgrund der Persistenz der Befunde wäre der nächste Behandlungsschritt eine perforierende Re-Keratoplastik gewesen. Eine Epithelheilungsstörung ist nach jedem Hornhauteingriff zu erwarten, deshalb wurde postoperativ eine AMT als Patch und autologe Serumaugentropfen verwendet.
Vor Erwägung einer Re-Keratoplastik kann die phototherapeutische Keratektomie eine sinnvolle Technik sein, um oberflächlich lokalisierte Hornhautinfektionen zu entfernen.

Fazit für die Praxis

  • Die phototherapeutische Keratektomie kann eine minimal-invasive Technik zum Abtragen von oberflächlichen Hornhautläsionen sein, selbst wenn diese infektiösen Ursprungs sind.
  • Patienten mit kongenitaler Aniridie können davon profitieren, bevor eine Re-Keratoplastik in Betracht gezogen wird.
  • Zur Unterstützung der postoperativen Heilung sollte die Verwendung einer Amnionmembrantransplantation (AMT) in Kombination mit autologen Serumaugentropfen erwogen werden.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

Z. Hoxha, E. Flockerzi, N. Szentmáry, F.N. Fries und B. Seitz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
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Metadaten
Titel
Phototherapeutische Keratektomie zur Behandlung einer infektiösen Keratitis bei einer Patientin mit PAX6-assozierter Aniridie
verfasst von
Zamira Hoxha
Elias Flockerzi
Nora Szentmáry
Fabian Norbert Fries
Berthold Seitz
Publikationsdatum
16.09.2024
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Ophthalmologie / Ausgabe 11/2024
Print ISSN: 2731-720X
Elektronische ISSN: 2731-7218
DOI
https://doi.org/10.1007/s00347-024-02104-7

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