Schwieriger Säugling – verhaltensauffälliges Schulkind

Schwere komplexe Regulationsprobleme bei Säuglingen können Vorboten psychischer Störungen sein. Werden sie frühzeitig erkannt, kann man späteren Verhaltensauffälligkeiten möglicherweise im Vorfeld begegnen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Schlaf- und Fütterprobleme oder ständiges Schreien treten bei 10–30% der Kinder im Säuglingsalter auf und können Vorboten einer schwierigen Kinderzeit sein. Häufig existieren mehrere Probleme nebeneinander. Halten etwa die Schlafstörungen an, sind sie im Schulalter oft von Hyperaktivität und emotionalen Problemen begleitet. Durch frühe Intervention bei chronischen Regulationsstörungen hofft man, späteren Verhaltensproblemen vorbeugen zu können. Bei welchen Kindern dies sinnvoll erscheint, ist bislang allerdings unklar. Fallon Cook vom Royal Children’s Hospital in Parkville und Kollegen haben mit Daten der „Early Language in Victoria Study“ Assoziationen zwischen dem Regulationsverhalten einjähriger Kinder sowie deren Familiencharakteristika und psychischen Problemen im Alter von fünf bzw. elf Jahren untersucht. Von insgesamt 1759 befragten Müttern im Durchschnittsalter von 32 Jahren lagen vollständige Datensätze vor. Die psychischen Probleme der Kinder im Alter von fünf und elf Jahren wurden durch einen Fragebogen (Strengths and Difficulties Questionnaire, SDQ) erfasst und mit einem Score (0–40 Punkte) für die Gesamtheit der Probleme beziffert. Dabei galt ein Score zwischen 14 und 16 Punkten als grenzwertig, Scores ab 17 Punkten wurden als klinisch relevant gewertet und weisen auf eine psychische Erkrankung hin. Bis zu zehnmal mehr psychische Störungen Die zwölf Monate alten Kinder wurden von Cook und Kollegen aufgrund von Schlaf-, Schrei- und Fütterproblemen, Wutanfällen, Stimmungsschwankungen und allgemeinem Temperament jeweils einem von fünf verschiedenen Profilen zugeordnet: 36,8% galten demnach als ausgeglichen (Kontrollgruppe), 21,3% neigten zu leichten bis mittelschweren Wutanfällen, 25,4% hatten vorwiegend Schlafprobleme, 13,2% waren mäßig unausgeglichen und hatten vielschichtige Regulationsprobleme (z.B. Schlafprobleme, Schreikinder, Wutanfälle und Stimmungsschwankungen) und 3,4% wurden als sehr unausgeglichen eingruppiert und zeigten vielschichtige und schwere Regulationsprobleme. Beim Vergleich der Mütter von weniger ausgeglichenen mit denen von ausgeglichenen Kindern bestanden neben einigen sozioökonomischen Unterschieden bei Ersteren u. a. häufiger psychische Erkrankungen. In der adjustierten Analyse ergaben sich in folgenden Gruppen signifikante Abweichungen gegenüber der Kontrollgruppe mit ausgeglichenen Einjährigen: Bei Kindern mit frühen Wutanfällen traten klinisch relevante psychische Probleme im Alter von fünf Jahren viermal häufiger auf. Da sich dieser Befund mit elf Jahren aber verlor, vermuten die Autoren, dass sich das Problem während der frühen Schulzeit „auswächst“. Immerhin rund 16% der Kinder wurden mehrere mittelgradige bis schwere Regulationsprobleme gleichzeitig bescheinigt. In der Gruppe mit mittelschweren Regulationsstörungen traten im Alter von elf Jahren dreimal häufiger psychische Störungen auf. Bei den sehr unausgeglichenen Einjährigen lagen im Alter von fünf Jahren neunmal und mit elf Jahren zehnmal häufiger Hinweise auf psychische Störungen vor. Mit der Zeit schienen sich die Symptome zudem zu verschlechtern. Werte im Grenzbereich von 14 bis 16 Score-Punkten kamen bei Kindern mit schweren Regulationsstörungen sowohl im Alter von fünf als auch von elf Jahren sieben- bzw. sechsmal häufiger vor als in der Kontrollgruppe. Insgesamt fanden sich bei rund 30% der Kinder mit schweren Regulationsstörungen als Einjährige im Alter von fünf Jahren und bei über 46% im Alter von elf Jahren grenzwertige oder klinisch relevante Scores, die auf eine psychische Erkrankung hinwiesen. Bei Eltern, die über ein Regulationsproblem ihres Säuglings berichten, so Cook und Kollegen, sollte sich der betreuende Kinderarzt nach Ausmaß, Vielschichtigkeit und Schwere weiterer Regulationsprobleme erkundigen, um diejenigen Kinder zu identifizieren, die Unterstützung dringend benötigen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Haben Kinder im Alter von fünf und elf Jahren häufiger psychische Probleme, wenn sie mit einem Jahr Auffälligkeiten in der Regulation erkennen lassen? Antwort: Bei Kindern mit vielfältigen schweren Regulationsproblemen treten im Schulalter zehnmal häufiger klinisch relevante psychische Probleme auf. Bedeutung: Auf Regulationsprobleme sollte verstärkt geachtet werden, damit die Kinder, die am stärksten betroffen sind, frühzeitige Unterstützung erfahren können. Einschränkung: Die psychischen Erkrankungen der Kinder wurden nicht durch diagnostische Interviews bestätigt.

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