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Erschienen in: medizinische genetik 4/2014

01.12.2014 | Schwerpunktthema: Pränatale Diagnostik

Kinderwunsch als genetisches Risiko?

Gesellschaftliche Implikationen erweiterter präkonzeptioneller Anlageträgerscreenings

verfasst von: PD Dr. Peter Wehling

Erschienen in: medizinische genetik | Ausgabe 4/2014

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Zusammenfassung

Erweiterte präkonzeptionelle Anlageträgerscreenings auf seltene, rezessive Erkrankungen haben sich in jüngster Zeit als neuartige Form genetischer Diagnostik herausgebildet. Bisher werden Tests auf mehr als 100 Anlageträgerschaften von kommerziellen Unternehmen angeboten, eine künftige Übernahme in öffentliche Gesundheitssysteme wird jedoch bereits diskutiert. Falls Mann und Frau die gleiche rezessive Anlage tragen, eröffnet die Diagnostik ihnen verschiedene Alternativen, um die Geburt eines kranken Kindes zu vermeiden. Erweiterte Trägerscreenings haben jedoch problematische gesellschaftliche Implikationen und werfen ungelöste Fragen auf, u. a. wie die getesteten Krankheiten ausgewählt werden und wie eine angemessene genetische Beratung zu gewährleisten ist. Die Vermutung, die Etablierung solcher Screenings sei unvermeidbar, könnte sich als vorschnell erweisen.
Fußnoten
1
Die folgenden Überlegungen sind entstanden im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) an der Universität Frankfurt am Main geförderten soziologischen Forschungsvorhabens „Präkonzeptionelle Genträger-Tests auf seltene Erkrankungen: Soziale Implikationen, ethische Problemstellungen und die Perspektive von Patientenorganisationen – Soziale Implikationen“ (Förderkennzeichen 01GP1202B). Das Vorhaben ist Teil eines Verbundprojekts mit der Universität Göttingen, Institut für Ethik und Geschichte der Medizin.
 
2
In den USA scheint die Trägerschaft für Mukoviszidose häufig erst nach Beginn einer Schwangerschaft getestet zu werden, da es offenbar schwierig ist, die Paare schon vorher auf das Testangebot anzusprechen. Dann sind die Handlungsmöglichkeiten des Paares bei einem positiven Befund weitgehend identisch mit den bei PND gegebenen. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die Implikationen von tatsächlich präkonzeptionell durchgeführten Anlageträgertests.
 
3
Implizit vorausgesetzt und als wünschenswert postuliert wird ein monogames Paar, das Familienplanung betreibt und die Geburt eines Kindes als Projekt betrachtet, das langfristig vorbereitet sein will. Andere Formen von Zusammenleben und Sexualität sowie „ungeplante“ Schwangerschaften passen nicht zur Logik präkonzeptioneller Testung.
 
4
In einem der Interviews im Rahmen unseres Forschungsprojekts erläutert die Vertreterin einer Patientenvereinigung, die eine der im „expanded carrier screening“ erfassten Erkrankungen vertritt: „Und da habe ich gedacht, genau die richtige Frage, was mache ich mit der Antwort? Will ich es wirklich wissen? Und die Frage muss sich jeder vorher stellen und nicht erst einen Test machen, ich hoffe ja, dass es gut geht. Und wenn es dann nicht gut geht, dann habe ich das Malheur.“
 
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Metadaten
Titel
Kinderwunsch als genetisches Risiko?
Gesellschaftliche Implikationen erweiterter präkonzeptioneller Anlageträgerscreenings
verfasst von
PD Dr. Peter Wehling
Publikationsdatum
01.12.2014
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
medizinische genetik / Ausgabe 4/2014
Print ISSN: 0936-5931
Elektronische ISSN: 1863-5490
DOI
https://doi.org/10.1007/s11825-014-0024-0

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