Kindesmisshandlung1 und Kindstötung
Bei Gewaltdelikten gegen Kinder sind in der Regel die eigenen (leiblichen oder sozialen) Eltern die Täterinnen und Täter; das gilt sowohl für Misshandlungen (Landgraf et al.
2010) als auch für Tötungsdelikte (Haug und Zähringer
2017; Höynck et al.
2015). Dabei begehen Frauen beide Arten von Taten ähnlich häufig wie Männer: So suggeriert die
PKS bei Misshandlungen einen nichtunerheblichen Anteil (etwa 45 %, BKA
2019) von Täterinnen, was durch Dunkelfeldbefragungen bestätigt wird, die etwa eine Gleichverteilung zwischen den Geschlechtern nahelegen (Häuser et al.
2011; Bender und Lösel
2005)
2. Studien weisen auch bei den Tötungsdelikten an Kindern auf ungefähr gleiche Anteile von Täterinnen und Tätern hin (Laubacher et al.
2011), wobei Kindstötungen einen Großteil der Tötungsdelikte durch Frauen ausmachen (Schöpfer et al.
2016). Für beide Delikte ist der Frauenanteil umso größer, je jünger das Kind ist (Adler und Polk
1996; Häuser et al.
2011; Bender und Lösel
2005). Diese Erkenntnisse sind vor dem Hintergrund, dass üblicherweise nach wie vor Frauen die Fürsorge der – insbesondere jungen – Kinder übernehmen, wenig überraschend.
Risikofaktoren, die alle Arten der Kindesmisshandlung (auch Missbrauch) durch Frauen wahrscheinlicher machen, sind insgesamt ein niedriges Alter (Bender und Lösel
2005; Herrmann et al.
2016; Landgraf et al.
2010; Saimeh
2010), der Status alleinerziehend (möglicherweise als Überforderung zu interpretieren) sowie Suchtproblematiken (Landgraf et al.
2010). Hinsichtlich der Täterinnen und Täter zeigt sich zudem ein Zusammenhang zwischen Gewalterfahrung in der eigenen Kindheit (Bender und Lösel
2005; Bentrup
2018; Herrmann et al.
2016) sowie aktuell erlebter Partnergewalt (Brückner
2006) und der Ausübung von Kindesmisshandlungen. Ferner waren psychische Auffälligkeiten, z. B. Depressionen und Neurotizismus, ein Prädiktor für Misshandlungen sowie Vernachlässigungen (Bender und Lösel
2005; Herrmann et al.
2016). Vergleichbar zeigen Studien für die Täterinnen von Kindstötungen, dass Viktimisierungen in der Kindheit sowie Suchtproblematiken, aber auch psychische Auffälligkeiten Risikofaktoren darstellten (Höynck et al.
2015; Laubacher et al.
2011).
Misshandlungen sowie Tötungsdelikte zum Nachteil von Kindern lassen sich anhand Tatstruktur und Motivlage in verschiedene Phänomengruppen einteilen, bei denen sich die Anteile von Täterinnen erheblich unterscheiden. So werden beispielsweise ausschließliche Vernachlässigungen überwiegend von Frauen begangen. Zwar ist diese Fallgruppe in einer Hellfeldstudie durch Haug (
2018) verhältnismäßig klein, in anderen Studien wurde Vernachlässigung – auf körperlicher und emotionaler Ebene – jedoch als die häufigste Form von Kindesmisshandlung identifiziert (Häuser et al.
2011). Ähnlich hohe Frauenanteile zeigten sich auch bei den Tötungsdelikten, die durch Vernachlässigung geschehen, wobei diese Fälle insgesamt eher selten waren. Leibliche Mütter begingen etwa zwei Drittel dieser Kindstötungen. Dabei handelte es sich mehrheitlich um Fälle, in denen entweder eine Krankheit des Opfers falsch eingeschätzt und ärztliche Hilfe – aus verschiedenen Gründen – nicht hinzugezogen wurde, oder um solche, in denen die Bedürfnisse und Belange des Kindes vollständig ignoriert wurden, sodass eine lebensnotwendige Versorgung mit Essen und Trinken ausblieb.
Als eine seltene Sonderform der Kindesmisshandlung, die nahezu ausschließlich durch Frauen (meist die leiblichen Mütter) begangen wird (Heubrock
2018; Saimeh
2010), kann das Münchhausen-by-Proxy-Syndrom angesehen werden (Heubrock
2018). Bei dieser artifiziellen Störung werden Krankheitssymptome bei dem Kind vorgespiegelt oder bewusst herbeigeführt, wodurch es immer wieder Ärztinnen und Ärzten vorgestellt und Behandlungen, Therapien und Medikationen unterzogen wird (Heubrock
2018; Saimeh
2010). Die Täterinnen haben oft tiefgreifende Persönlichkeitsstörungen (Heubrock
2018). Als Motive für dieses Verhalten werden die Verstärkung der Abhängigkeit des Kindes oder die Positivdarstellung von sich selbst als selbstlose aufopfernde Mutter genannt (Saimeh
2010).
Ebenso gibt es bei den Tötungsdelikten an Kindern eine Fallgruppe, die nahezu ausschließlich
3 durch Frauen begangen wird: Neonatizide. Dabei handelt es sich um die Tötung von Neugeborenen kurz nach der Geburt
4, eine Definition, die bereits dazu führt, dass überwiegend leibliche Mütter als Täterinnen infrage kommen. Die Anzahl solcher Fälle wird in keiner Statistik gesondert erfasst und ist daher nicht genau zu bestimmen, sie machen allerdings den größten Anteil aller Tötungsdelikte an Kindern aus (Höynck et al.
2015). Anders als es frühere Untersuchungen nahelegten, sind die Frauen nicht vorwiegend Jugendliche, sondern das durchschnittliche Alter liegt bei Anfang bis Mitte Zwanzig (Höynck et al.
2015; Schöne et al.
2011), was dennoch jünger ist als das Durchschnittsalter aller Frauen in Deutschland bei Geburt ihres Kindes
5 (Höynck et al.
2015; Schöne et al.
2011). Die Schwangerschaft ist in der Regel ungewollt und wird daher verdrängt oder ignoriert und verschwiegen (Schöne et al.
2011). Studien ergaben weiter, dass etwa die Hälfte der Täterinnen bereits eigene Kinder hatte (Höynck et al.
2015; Schöne et al.
2011). Hinsichtlich der psychischen Zustände der Frauen zeigte sich, dass häufig sowohl vor als auch während der Tat psychische Auffälligkeiten bestanden, wie schwere Belastungen und Anpassungs- oder Persönlichkeitsstörungen (Höynck et al.
2015; Schöne et al.
2011).
Zwar wurde die verhältnismäßig kleine Fallgruppe der schweren elterlichen Gewalt (z. B. Verbrühen oder Verbrennen, Würgen, Schütteln o. Ä.) in der Hellfelduntersuchung von Haug (
2018) in einem etwas geringeren Ausmaß durch Frauen als durch Männer vertreten. Bei einer Auswertung von schweren Fällen der Kindesmisshandlung in der Leipziger Universitätsklinik wurden allerdings körperliche Misshandlungen in über der Hälfte gemeinsam durch die Eltern durchgeführt, während zudem ein Viertel allein durch die Mutter begangen wurde (Landgraf et al.
2010). Ähnliche Ergebnisse zeigten die Studien zu Tötungsdelikten an Kindern. Hier handelte es sich zwar auch bei etwas weniger als der Hälfte der Misshandlungen mit Todesfolge um Täterinnen. Im Detail waren es überwiegend die leiblichen Mütter, deren Opfer primär Kinder in den ersten Lebensmonaten waren. Aber ebenfalls ergab sich häufig die Konstellation, dass Taten gemeinsam mit dem Partner begangen wurden, wobei der Partner dann der ausführende Täter war und die Mutter durch Passivität und Unterlassen die Tat ermöglichte (Haug und Zähringer
2017; Höynck et al.
2015; Saimeh
2010).
Misshandlungen durch mittelschwere Gewaltdelikte, worunter rohe Gewaltformen wie Prügel, Schläge mit Gegenständen u. Ä. fallen, wurden etwa zu gleichen Teilen durch Männer und Frauen begangen. Viele dieser Fälle traten in Trennungssituationen auf (Haug
2018). Bei der leichten elterlichen Gewalt, die überwiegend einen erzieherischen Charakter hatte und ebenfalls nicht selten in Trennungskontexten und bei familiären Neustrukturierungen erfolgte, zeigte sich hingegen ein deutliches Übergewicht von Tätern (Haug
2018). Sehr selten begingen Frauen Partnerschaftsgewalt mit körperlichen Auswirkungen auf ein Kind (Haug
2018).
Tötungsdelikte an Kindern, bei denen nach Höynck et al. (
2015) und Haug und Zähringer (
2017) der Auslöser der Tat ausschließlich eine psychische Erkrankung (überwiegend psychotische Störungen, Depressionen oder auch Belastungsreaktionen) war, werden ebenfalls überwiegend durch Täterinnen begangen. Allerdings machen diese nur einen sehr geringen Anteil aller Tötungsdelikte an Kindern durch Frauen aus (Höynck et al.
2015; Saimeh
2010). Zu etwa der Hälfte begehen Frauen – in der Regel die leiblichen Mütter – (versuchte) erweiterte Suizide, bei dem die Kinder ebenfalls Opfer sind (Haug und Zähringer
2017; Höynck et al.
2015).
Hingegen sind Täterinnen bei zielgerichteten Tötungen von Kindern, bei denen der Tatauslöser häufig ein Trennungskonflikt war oder das Kind als Störfaktor oder Last in irgendeiner Weise empfunden wurde, eine Ausnahme. Täterinnen von Sexualdelikten, bei denen die Tötung des Kindes sexuelle Handlungen ermöglichen bzw. verdecken soll, wurden keine identifiziert (Haug und Zähringer
2017).
Gewalt in Paarbeziehungen
Gewalt in Paarbeziehungen wird allgemein mit einem männlichen Täter und einem weiblichen Opfer assoziiert. Realität ist auch, dass, wenn Frauen Opfer von Gewalt werden, dies überwiegend durch die (ehemaligen) Partner geschieht (Schröttle
2015). Zwar zeigen Hellfeldstatistiken keine ebenso hohe Gewaltbelastung von Männern durch Taten ihrer Partnerin, was jedoch damit begründet werden kann, dass Opferwerdung und Männlichkeit nicht vereinbar sind (Lenz
2007) und eine solche seltener zugegeben wird (Jungnitz et al.
2004). Da überdies derartige Gewalttaten insgesamt selten angezeigt werden, ist die Relevanz von Dunkelfeldbefragungen besonders hoch. Eine bundesweite Befragung von Männern in Deutschland ermittelte tatsächlich eine ebenso hohe Prävalenzrate von Gewalterfahrungen in der Partnerschaft (Jungnitz et al.
2004) wie die in einer vergleichbaren, wenn auch umfangreicheren, Befragung von Frauen (Müller und Schöttle
2004). Ebenso kommen internationale Studien zu dem Ergebnis, dass Frauen genauso häufig gewalttätig gegenüber ihrem Partner sind wie Männer gegenüber ihrer Partnerin (Swan et al.
2008).
Aber auch in Fällen von Partnergewalt ist es relevant, die genauen Tatstrukturen zu betrachten. Denn eine detailliertere Betrachtung der Vorfälle macht deutlich, dass Männer seltener von schwersten Formen der Gewalt betroffen sind (Johnson
2005; Schröttle
2015; Swan et al.
2008). In der Literatur wird Gewalt in Paarbeziehungen daher in mindestens zwei Arten unterschieden, wobei die beiden am häufigsten angeführten und auch am häufigsten vorkommenden systematisches Kontrollverhalten („intimate terrorism“) und spontanes Konfliktverhalten („common couple violence“) sind (Johnson
2005). Auf Grundlage dieser Unterteilung zeigt sich, dass Frauen eher Gewalt in Konflikten situationsbedingt anwenden (und zwar etwa im gleichen Ausmaß wie Männer), während ein auf Gewalt basierendes systematisches Kontrollverhalten durch Frauen eher selten erfolgt (Johnson
2005; Swan et al.
2008).
Die Literatur zeigt, dass Täterinnen von Partnergewalt, häufiger als Täter, in ihrer Kindheit selbst Gewalt ausgesetzt waren, Konflikte der Eltern miterlebten und nur bei einem Elternteil aufwuchsen (Swan et al.
2008). Während der Gewaltsituationen erkennt man ebenfalls Unterschiede. So nutzen Frauen zwar häufiger Waffen, vermutlich bedingt durch die konstitutionellen Unterschiede, aber sie drohen seltener mit der Tötung oder einer spezifischen Verletzung des Partners (Melton und Sillito
2012). Zudem scheinen sich die Motive zwischen Täterinnen und Tätern von Partnergewalt zu unterscheiden. Beweggründe wie Abreagieren, Rache oder Eifersucht und Machtausübung werden deutlich häufiger von Männern angegeben, während vermehrt (aber nicht ausschließlich) von Frauen genannte Gründe Selbstverteidigung, Angst und eine Reaktion auf durch den Partner zugefügtes Leid sind (Swan et al.
2008). Dies passt zu der Feststellung, dass der größte Anteil der Frauen, die gewalttätig gegenüber ihrem Partner sind, gleichzeitig Opfer von Gewalt durch den Partner ist (Swan et al.
2008). Dabei muss davon abgesehen werden, ein ausschließlich reaktives und verteidigendes Gewaltverhalten von Frauen anzunehmen, da auch Frauen durch das bewusste Einsetzen von Gewalt konkrete Ziele verfolgen und damit Macht über die Situation zurückgewinnen (Swan et al.
2008).
Eine Bestätigung der dargestellten Erkenntnisse ist auch die Geschlechterverteilung bei der schwersten Art von Gewalt in Paarbeziehungen – nämlich von Tötungsdelikten, die in und nach intimen Beziehungen erfolgen. Diese werden zu einem deutlich geringeren Anteil durch Frauen (etwa 15 %) als durch Männer begangen (Leygraf
2015). Dennoch scheint es die zweithäufigste Art von Tötungsdelikten durch Frauen – nach Kindestötungen – zu sein, was aber nur einen geringen Anteil von etwa einem Sechstel ausmacht (Schöpfer et al.
2016). Täterinnen begingen die Tötungsdelikte eher während und nicht nach dem Ende der Partnerschaft und sie richteten sich meist ausschließlich gegen die Partner (Leygraf
2015). Bei der Frage, ob Frauen diese Taten eher planen, kommen Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während Leygraf (
2015) anders als bei Männern für Frauen überwiegend geplante Taten feststellt
6, sind bei Schöpfer et al. (
2016) die meisten Taten durch Täterinnen ungeplant. Hier wurde Alkoholeinfluss als wesentlicher Auslöser der Tat angegeben. Zudem erfolgte in drei Viertel der untersuchten Fälle die Tötungshandlung im Zusammenhang mit vorherigen Gewalthandlungen des Opfers gegen die Täterin (Schöpfer et al.
2016).
Gewalt in der Altenpflege
Gewalt in der Altenpflege kann grob in zwei verschiedene Arten unterteilt werden, zum einen die Gewalt durch Pflegekräfte in der professionellen, zum anderen die Gewalt von Angehörigen in der häuslichen Pflege. In beiden Situationen werden empfindliche persönliche Grenzen überschritten und eine Intimität hergestellt, wodurch ungleiche Beziehungs- bzw. Machtverhältnisse entstehen und pflegebedürftige Personen über besonders wenige Handlungsmöglichkeiten verfügen, um Straftaten gegen sie zu beenden (Osterbrink und Andratsch
2015).
Ein großer Anteil von professionellem Pflegepersonal (von über drei Vierteln) gibt selbst Misshandlungen und Vernachlässigungen innerhalb der letzten 12 Monate zu (Görgen
2017). Gleiches gilt für pflegende Angehörige, die ebenfalls von eigenen physischen (etwa 20 %) und psychischen Gewalthandlungen (fast 50 %) in den letzten 12 Monaten berichteten (Görgen et al.
2012)
7.
Der überwiegende Anteil der Beschuldigten solcher Delikte durch professionelles Pflegepersonal ist weiblich: etwa zwei Drittel bei Gewalthandlungen und drei Viertel bei Vernachlässigung (Olhöft
2017). Dies ist allerdings vor dem Hintergrund hoher Frauenanteile in dem Berufsfeld der ambulanten (87 %) und professionellen Pflege in (teil)stationären Einrichtungen (79 %) zu bewerten (Statistisches Bundesamt
2019c). In der häuslichen Pflege, bei der Angehörige die Pflegeaufgaben übernehmen (evtl. unterstützt von häuslichen Pflegediensten), werden keine Frauenanteile bei Gewalthandlungen in deutschen Studien genannt. Insgesamt übernehmen Frauen diese Aufgaben zu etwa zwei Dritteln (Wetzstein et al.
2015).
Die Literatur beschreibt unterschiedliche Ursachen von Gewalt. So können „schwierige“ pflegebedürftige Personen gewalttätiges Verhalten auslösen (Osterbrink und Andratsch
2015). Darunter lassen sich beispielsweise multimorbide, auf diverse pflegerische Handlungen angewiesene, Patientinnen und Patienten subsumieren, die besonders viel Aufmerksamkeit benötigen. Ebenfalls gehören dazu Personen, die die Pflege und Versorgung verweigern oder erschweren, und solche, die besonders forderndes oder auch grenzüberschreitendes Verhalten an den Tag legen, was – insbesondere bei pflegenden Angehörigen – nicht auf evtl. Krankheiten bzw. psychische Störungen zurückgeführt, sondern stattdessen als persönliche Angriffe bzw. Beleidigungen angesehen werden kann (Eggert et al.
2018; Görgen et al.
2007; Olhöft
2017). Auch erleben pflegende Personen tatsächlich sehr häufig psychische und physische Gewalt, ausgehend von der pflegebedürftigen Person. Besonders Demenzerkrankungen spielen hier eine Rolle (Eggert et al.
2018).
Die personenbezogenen Gründe, die zu Gewalt gegen die gepflegten Personen führen, sind bei professionellen und angehörigen pflegenden Personen ebenfalls ähnlich. Hierzu gehören physische bzw. psychische Einschränkungen und ein höheres Alter, aber auch Überforderung
8, leichte Reizbarkeit und unangemessene Stressbewältigungsstrategien wie Alkoholkonsum erhöhen die Wahrscheinlichkeit von problematischem Verhalten (Görgen et al.
2007; Olhöft
2017). Bei Angehörigen kommen zudem fehlendes Wissen über Krankheitsverläufe und Behandlungen sowie das Empfinden, durch die Pflege zu wenig Zeit für sich selbst zu haben, hinzu (Eggert et al.
2018; Görgen et al.
2012).
In der professionellen Pflege ist ein weiterer auf organisatorischer Ebene liegender Risikofaktoren eine hohe Arbeitsbelastung aufgrund von Personalmangel oder der Beschäftigung unzureichend ausgebildeten Personals, die zu zeitsparenden und möglichst effizienten, aber dafür möglicherweise auch unzureichenden und einschüchternden Arbeitsweisen führt. Zudem werden ein schlechtes Betriebsklima und damit einhergehend häufige Personalwechsel genannt (Olhöft
2017).
In der häuslichen Pflege erweist sich die Qualität der zuvor bestehenden Beziehung zwischen der pflegenden und der gepflegten Person und somit die Motivation der ausgeübten Pflege als relevant. Hier wird nach Görgen et al. (
2012) eine Kombination aus einer negativen Beziehungsentwicklung und der Pflegeübernahme aufgrund einer Bereicherungsmotivation als besonders kritisch eingeschätzt.
In seltenen Ausnahmefällen können sich die Situationen in der häuslichen Pflege so sehr zuspitzen, dass es zur schwersten Form der Gewalt, nämlich zur Tötung der gepflegten Person, kommt. Eine Studie, die Tötungsdelikte von Frauen im Raum München analysiert hat, fand 4 Fälle in 20 Jahren, in denen gegen Frauen wegen der Tötung ihrer pflegebedürftigen (Schwieger‑)Mutter ermittelt wurde (Schöpfer et al.
2016). Serientötungen durch psychisch auffällige Täterinnen in Alten- und Pflegeheimen geschehen nur äußerst vereinzelt, wenn auch evtl. durch unzureichende Leichenschau in der Häufigkeit unterschätzt (Doberentz et al.
2009).