Unauffälliger Röntgenbefund, also keine Pneumonie?

Bei der großen Mehrheit der Kinder mit einem negativen Röntgenbefund der Lunge kann eine Pneumonie einer US-Studie zufolge ausgeschlossen werden, auch wenn klinische Verdachtsmomente vorliegen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die Diagnose einer Pneumonie ist bei Kindern nicht immer ganz einfach zu stellen. Die Bestätigung durch ein Röntgenbild des Thorax kann die diagnostische Sicherheit erhöhen. Doch immer wieder werden Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Methode laut. Kritiker fürchten, dass insbesondere in der frühen Phase der Erkrankung oder bei dehydrierten Kindern typische Zeichen nicht vorhanden sind oder leicht übersehen werden können. Zudem ist mit einer Röntgenaufnahme keine Unterscheidung zwischen viralen und bakteriellen Verursachern möglich. Es gehe darum, die Risiken einer Antibiotikatherapie gegen Risiken und Kosten des Thorax-Röntgens abzuwägen, meinen Susan Lipsett von der Harvard Medical School und Kollegen. Ziel ihrer zweijährigen Kohortenstudie war es, den negativen Vorhersagewert (NPV) einer Röntgenaufnahme bei Kindern mit Verdacht auf Pneumonie zu berechnen. So wurden 683 Kinder und Jugendliche zwischen drei Monaten und 18 Jahren, die sich mit Pneumonieverdacht in der Notfallambulanz einer pädiatrischen Einrichtung der Tertiärversorgung einer Thorax-Röntgenaufnahme unterzogen hatten, prospektiv in die Studie eingeschlossen. Im Median waren die Kinder drei Jahre alt. 21% von ihnen wurden stationär aufgenommen. Nicht berücksichtigt wurden Kinder mit chronischen Krankheiten sowie solche, die bereits unter Antibiotikatherapien standen. Primärer Endpunkt der Studie war eine vom behandelnden Arzt klinisch gestellte Pneumoniediagnose, unabhängig von den radiologischen Befunden. Kinder mit unauffälligen Röntgen- und klinischen Befunden wurden nach dem Besuch der Notfallambulanz über zwei Wochen weiterbeobachtet. Ihre Eltern wurden in dieser Zeit zweimal über den Gesundheitszustand der Kinder per Mail befragt. Wurde bei diesen Patienten während der Beobachtungszeit vom behandelnden Arzt eine Pneumonie diagnostiziert, galt der negative Röntgenbefund aus der Notfallambulanz als falsch. Negative Vorhersagewahrscheinlichkeit 99% 186 der insgesamt 683 Röntgenbefunde waren positiv oder zweifelhaft. Bei 156 dieser Patienten war in der Notfallambulanz auch klinisch eine Pneumonie befundet worden. Aber auch von den 497 Patienten mit negativen Röntgenbefunden wurden 44 klinisch als Pneumonie eingeordnet, vor allem aufgrund vermehrter Rasselgeräusche und Atemnot. Von den insgesamt 453 Patienten, bei denen auch klinisch keine Pneumonie diagnostiziert wurde, wurden 42 aus anderen Gründen bereits antibiotisch behandelt. Die übrigen 411 Patienten ohne Antibiotikabehandlung wurden weitere zwei Wochen beobachtet. 18% der Kinder dieser Gruppe waren stationär aufgenommen worden, meist wegen Wheezing oder Atemnot. Bei fünf der 411 Kinder mit negativem Röntgenbefund und ohne Antibiotikatherapie wurde in den nachfolgenden zwei Wochen eine Pneumonie festgestellt. Daraus errechneten die Autoren einen NPV des Röntgenbefundes von 98,8%. Die betroffenen Kinder waren alle jünger als drei Jahre und fieberten in der Mehrzahl bereits zum Zeitpunkt ihrer Vorstellung in der Notfallambulanz mindestens seit einem Tag. Wurden die 44 Patienten mit klinischer, aber ohne röntgenologischer Pneumoniediagnose in die Berechnung des NPV einbezogen, sank der Wert zwar, blieb aber dennoch hoch bei 89%. Lipsett und Kollegen schließen aus ihren Studienergebnissen, dass es vertretbar sei, Kindern mit negativem Röntgenbefund und geringem klinischem Verdacht auf eine Pneumonie eine Antibiotikatherapie zu ersparen und sie stattdessen weiter zu beobachten. Sie beklagen, dass sich die meisten Kinderärzte eher auf klinische Zeichen und Symptome verließen, wenn es um die Entscheidung für oder gegen eine Antibiotikatherapie gehe. Auf diese Weise, so befürchten die Autoren, komme es zu Pneumonieüberdiagnosen, die unnötige Antibiotikatherapie nach sich zögen. Weitergehende Überlegungen In einem Editorial weisen Mattew Garber von der University of Florida und Ricardo Quinonez aus Houston auf die vielen viralen Pneumonien hin. Ihnen geht die Aussage der Studie nicht weit genug: Ihrer Meinung nach ist die Antwort auf die Frage nach dem positiven Vorhersagewert des Röntgens für eine bakterielle Pneumonie ebenso interessant wie der allgemeine NPV. Letztlich, so die Editorialisten, sei es an der Zeit, nicht nur darauf hinzuweisen, dass Kinder mit negativen Röntgenbefunden und geringem klinischem Verdacht ohne Antibiotikatherapie auskämen. Vielmehr müsse auch deutlich werden, dass bei Kindern mit geringen klinischen Anzeichen für eine Pneumonie möglicherweise auch keine Veranlassung zum Röntgen bestehe und die alleinige Beobachtung ausreichen könnte. Damit würden nicht nur Antibiotika, sondern auch Röntgenaufnahmen, weitere Kosten und Unannehmlichkeiten eingespart. Das Wichtigste in Kürze Frage: Welchen negativen Vorhersagewert hat eine Thorax-Röntgenaufnahme bei Kindern mit Verdacht auf Pneumonie? Antwort: Die Mehrheit der Kinder mit Verdacht auf Pneumonie und negativem Thorax-Röntgen-Befund erholt sich ohne Antibiotika. Bedeutung: Das Thorax-Röntgenbild kann den Autoren zufolge als angemessener Referenzstandard angesehen werden, um eine Pneumonie bei Kindern auszuschließen. Einschränkung: Der primäre Endpunkt der Studie basiert auf der klinischen Diagnose des behandelnden Arztes.

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