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04.06.2019 | Klinik aktuell | Nachrichten

Krankenhäuser

Mindestmengen für Operationen werden großflächig ignoriert

verfasst von: Christiane Badenberg

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Verbindliche Fallzahlen für schwierige Eingriffe werden von einem Großteil der Krankenhäuser offenbar umgangen. Das zeigt eine Auswertung.

In Deutschland gibt es bislang nur für sieben Indikationen Mindestmengen, aber selbst diese werden kaum eingehalten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Science Media Centers, der Weissen Liste und der Bertelsmann Stiftung.

459 von 1157 Kliniken (39,7 Prozent) haben im Jahr 2017 komplexe Eingriffe vorgenommen, obwohl sie die vorgegebenen Fallzahlen unterschritten haben. Das entspricht laut Studienautoren bundesweit etwa 4300 Operationen.

Aufgefallen sind den Studienautoren mehrere gravierende Faktoren. So gibt es große regionale Unterschiede bei der Erfüllung der Mindestmengen. Erreichen in Bremen 62,5 Prozent der Kliniken die vorgegebenen Mindestmengen nicht und in Brandenburg 56,7 Prozent, trifft das in Mecklenburg-Vorpommern nur auf 29,2 Prozent zu, in Baden-Württemberg auf 30,7 Prozent.

Je komplexer die Op, desto düsterer die Lage

Zudem werden die Mindestmengen seltener eingehalten, wenn die Operation komplexer ist. „Während im Bereich Knieprothesen inzwischen neun von zehn Kliniken die – allerdings nach Ansicht von Fachleuten zu niedrigen – Mindestmengen erreichen, sieht das bei den übrigen Operationen – allesamt hochkomplex und risikoreich – meist anders aus“, heißt es in der Analyse.

Von 378 Kliniken, die 2017 komplexe Operationen an der Speiseröhre vorgenommen haben, erreichten laut Studie 198 (52,4 Prozent) die Mindestmenge von zehn Fällen pro Jahr nicht. 131 dieser Kliniken gaben noch nicht einmal Ausnahmetatbestände an.

Ähnliche Zahlen fanden die Experten auch bei Pankreas-Operationen. Wissenschaftler haben für alle komplexen Pankreasoperationen in Deutschland zwischen 2009 und 2014 eine Sterblichkeit von 11,5 Prozent in Kliniken mit bis zu acht Eingriffen pro Jahr errechnet.

Bei Kliniken mit bis zu zwei Operationen pro Woche lag die Sterblichkeit lediglich bei 6,5 Prozent. Über so viel Erfahrung in diesem Bereich verfügen in Deutschland nur 15 Kliniken. Operiert wurde 2017 aber an 605 deutschen Krankenhäusern. Die Mindestmenge lag auch hier bei zehn Eingriffen pro Jahr.

Geringere Sterblichkeit bei Klinikkonzentration

Dabei zeigt sich laut Studienautoren, dass eine Zentrenbildung immer wieder große Erfolge erziele. So sei es in den Niederlanden gelungen, mit einer strikten Einhaltung der Mindestmenge von zehn Patienten pro Jahr, die Sterblichkeit nach Operationen an der Bauchspeicheldrüse von etwa zehn auf fünf Prozent zu halbieren.

In Dänemark sei die Herzinfarktsterblichkeit in den vergangenen zehn Jahren von etwa acht auf vier Prozent gesunken, nachdem die Zahl der zuständigen Kliniken von 50 auf vier reduziert worden sei.

Mindestmengen bei sieben Eingriffen

Mindestmengen gelten in Deutschland neben den drei genannten Eingriffen auch für die Transplantationen von Stammzellen (25), Lebern (20) und Nieren (25) sowie für die Versorgung von Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm. Letztere wurden nicht ausgewertet.

Die Mindestmengenregelung ist 2004 eingeführt worden und sollte mithilfe finanzieller Sanktionen durchgesetzt werden. Doch dazu ist es bislang kaum gekommen, da die Kliniken häufig „Ausnahmetatbestände“ geltend machen. Dazu zählen Notfälle, der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs, personelle Neuausrichtung oder das Votum der Landesbehörde wegen der Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung.

Die Datenanalyse zeigt auch, dass ein Viertel der Kliniken, die 2017 Mindestmengen-Eingriffe vornahmen, unvollständige Qualitätsberichte abgegeben haben. Die Kliniken äußerten sich nicht dazu, ob sie die Mindestmengen erfüllt hatten. Die fehlerhafte Dokumentation in den Qualitätsberichten wird bislang nicht sanktioniert.

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05.12.2018 | Link

Ärzte Zeitung

Dieser Beitrag stammt aus der Feder unserer Kollegen der Ärzte Zeitung. Noch mehr Beiträge zu Gesundheits- und Berufspolitik, aber auch zu Praxisthemen wie Abrechnung und Recht finden Sie bei Ärzte Zeitung Online.


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