Therapiemanagement: systemische Sequenzen können Überleben verlängern

Die Prognose von Patienten mit Kolonkarzinom hat sich erheblich verbessert und die medianen Überlebenszeiten von Patienten im metastasierten Stadium (mCRC) haben sich in den letzten 20 Jahren etwa verdoppelt. Wichtig für den Therapieerfolg ist, die verschiedenen Systemoptionen aus Zytostatika und zielgerichteten Substanzen bereits ab der Erstlinientherapie über alle Therapielinien hinweg in der richtigen Sequenz einzusetzen. Neuen Erkenntnissen zufolge spielt auch die Lage des Primärtumors eine entscheidende Rolle bei der Therapiewahl. Eine Option für spätere Therapielinien ist Trifluridin/Tipiracil. Die verschiedenen medikamentösen Optionen, die derzeit für die Therapie des mCRC zur Verfügung stehen, ermöglichen bei sequentieller Anwendung ein Versorgungskontinuum über bis zu vier Therapielinien. Prof. Dr. Stefan Kubicka, Reutlingen, stellte die aktuellen ESMO (European Society for Medical Oncology)-Empfehlungen vor: Diese befürworten in der ersten Behandlungslinie eine Kombinationschemotherapie in Verbindung mit Bevacizumab oder – bei RAS-Wildtyp-Tumoren – mit einem Anti-EGFR (Epidermal Growth Factor Receptor)-Antikörper (Cetuximab oder Panitumumab) als Induktionstherapie über vier bis sechs Monate [1]. Daran schließt sich eine Erhaltungstherapie (4–8 Monate) mit Bevacizumab und Fluoropyrimidinen an. Für die zweite Therapielinie wird eine Cross-over-Chemotherapie in Verbindung mit einer Anti-VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor)-Therapie (Bevacizumab, Aflibercept, Ramucirumab) oder – bei entsprechendem Mutationsstatus – einer Anti-EGFR-Therapie empfohlen. Diese erstreckt sich in der Regel über einen Zeitraum von fünf bis sieben Monaten. Optionen in der Dritt- und Viertlinie Ab der dritten Behandlungslinie steht in Deutschland das orale Zytostatikum Trifluridin/Tipiracil (Lonsurf®) zur Verfügung. Patienten mit RAS-Wildtyp-Tumoren, die noch keine Anti-EGFR-Therapie erhalten haben, können in einer weiteren Therapielinie mit einer Cetuximab- oder Panitumumab-Monotherapie behandelt werden. Grundsätzlich ist in dieser Krankheitssituation auch eine Wiederaufnahme der Initialtherapie als Rechallenge möglich, wenngleich die Datenlage dazu noch unzureichend ist [2]. Tumorlage von Bedeutung Wie Kubicka betonte, hat neben der Mutationsanalyse auch die Lokalisation des Tumors im Kolon Einfluss auf die zu wählende Therapie [3, 4]. Dieser Aspekt ist jedoch noch nicht in den aktuellen ESMO-Leitlinien abgebildet. Wenn ein Tumor des linken Kolons (linke Flexur bis Rektum) vorliegt, scheint der Vorteil einer EGFR-basierten FOLFIRI- oder FOLFOX-Chemotherapie gegenüber einer Anti-VEGF-Therapie in der Erstlinie besonders ausgeprägt zu sein, während bei Patienten mit rechtsseitigem Primarius kein Überlebensvorteil der anti-EGFR-basierten Therapie festzustellen ist. Bei diesen Patienten zeigte sich ein tendenziell längeres Überleben unter einer Bevacizumab-basierten Therapie, laut Kubicka idealerweise mit FOLFOXIRI als Chemotherapie-Backbone. In der Zweitlinie sollte bei Bevacizumab-naiven Patienten den ESMO-Leitlinien zufolge eine antiangiogene Therapie mit Bevacizumab, Aflibercept oder Ramucirumab in Erwägung gezogen werden [1]. Grundsätzlich, so Kubicka, sollten bei der Entscheidung für eine Therapie in der Zweitlinie auch patientenbezogene Faktoren (Performance Status, Alter, Komorbiditäten, Wünsche des Patienten) ebenso wie tumorabhängige Faktoren (klinischer Verlauf, Tumorsymptomatik, ggf. Biomarker) und behandlungsabhängige Faktoren (Effektivität/Toxizitätsprofil der Zweitlinientherapien, Vortherapie und Toxizität der Erstlinientherapie, Annehmlichkeit des Protokolls) beachtet werden. Therapie in späteren Linien Eine Therapie jenseits der Zweitlinie ist immer dann angezeigt, wenn der Patient auf die Zweitlinienmedikation nicht anspricht bzw. eine Resistenz dagegen entwickelt oder aber die Behandlung aufgrund von Toxizitäten nicht toleriert. Kubicka plädierte dafür, die Patienten in der Drittlinie leitliniengerecht mit dem wirksamen und gut verträglichen Trifluridin/Tipiracil zu behandeln, das unabhängig von RAS-Mutationsstatus und Vortherapien ab der dritten Therapielinie einsetzbar ist [1]. Eine Rechallenge kann dann in der Folgelinie noch angeschlossen werden, sollte aber laut Kubicka so spät wie möglich erfolgen (Abb. 1). Abb. 1: Systemische Sequenzstrategien beim mCRC; modifiziert nach [2] Springer Medizin Verlag GmbH × Sequentielle Therapie bleibt immer individuell Prof. Dr. Stefan Kasper, Essen, betonte, dass die zu wählende Sequenz immer eine individuelle Entscheidung sei und illustrierte dies anhand von Kasuistiken aus seiner Klinik. Er stellte einen „persönlichen Therapiealgorithmus 2017“ vor, der eine Hilfestellung für die Wahl der richtigen sequentiellen Behandlung geben kann. Patienten mit RAS-Wildtyp-Tumoren und einem linksseitigen Primarius erhalten in der Erstlinie eine Chemotherapie-Doublette ergänzt durch einen EGFR-Inhibitor, gefolgt von einer Zweitlinientherapie aus einer Doublette kombiniert mit einer antiangiogenen Therapie. Liegt bei Patienten mit RAS-Wildtyp-Tumoren ein rechtsseitiger Primarius vor, sollte in der Erstlinie ein antiangiogener Therapieansatz mit Bevacizumab erfolgen, gefolgt von einer Doublette, ergänzt durch einen VEGF-Inhibitor. Gleiches gilt für Patienten mit RAS-mutierten Tumoren unabhängig von der Tumorlokalisation. Patienten mit BRAF-mutierten Tumoren empfiehlt Kasper ein Chemotherapie-Triplett mit oder ohne zusätzlichem Bevacizumab in der Erstlinie, gefolgt von einer Therapie mit einem BRAF-Inhibitor plus EGFR-Inhibitor, ggf. ergänzt durch einen MEK-Inhibitor. In der Drittlinie wird für alle Patienten unabhängig vom molekularen Profil und den Vortherapien eine Behandlung mit Trifluridin/Tipiracil empfohlen, die bei Patienten mit RAS-Wildtyp-Tumoren durch einen EGFR-Inhibitor bzw. eine EGFR-Inhibitor-Rechallenge (bei linksseitigem Primarius) ergänzt werden kann. Bei Patienten mit hoher Mikrosatelliten-Instabilität kann auch eine Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (PD-1/L1 [Programmed Cell Death 1 / Ligand 1]) sinnvoll sein (Abb. 2) [5]. Abb. 2: Möglicher Therapiealgorithmus beim mCRC; modifiziert nach [5] Springer Medizin Verlag GmbH × Deutlich längere QTWIST-Zeit mit Trifluridin/Tipiracil Durch Trifluridin/Tipiracil kann bei Patienten in fortgeschrittenen Therapielinien über längere Zeit ein guter Gesundheitszustand erhalten werden. In der RECOURSE-Studie hatten 65% der mit Trifluridin/Tipiracil behandelten Patienten, die zu Studienbeginn einen ECOG (Eastern Cooperative Oncology Group)-Performance-Status (PS) 0 hatten, auch bei Studienende noch einen PS 0; 28% dieser Patienten hatten einen PS 1 [6]. Von den Patienten im Verum-Arm, die zu Beginn einen PS 1 hatten, hatten 70% bei Studienende weiterhin einen PS 1 [7]. Da die Lebensqualität als Patient Reported Outcome (PRO) in der RECOURSE-Studie nicht zu den Studienendpunkten gehörte, wurde in einer Post-hoc-Analyse die qualitätsadjustierte Überlebenszeit untersucht [8]. Als spezifisches Verfahren wurde die QTWIST-Methode (Quality-adjusted Time Without Symptoms of disease or Toxicity) verwendet. Hierzu wird das Gesamtüberleben (OS) in drei durch den Gesundheitszustand definierte Abschnitte unterteilt: die Zeitspanne, in der der Patient mit unerwünschten Nebenwirkungen der Therapie (Grad 3 oder 4) konfrontiert ist, die Zeit vor einer weiteren Krankheitsprogression ohne Toxizitäten oder Symptome und die Zeitspanne nach Diagnose eines klinischen oder radiologischen Progresses bis zum Tod bzw. Zensur. Insgesamt 798 Patienten wurden im Rahmen der medianen Follow-up-Zeit von 11,8 Monaten untersucht, davon 533 Patienten unter Trifluridin/Tipiracil und 265 unter Placebo. Im Median waren alle drei Zeiträume bei den mit Trifluridin/Tipiracil behandelten Patienten länger als bei den Patienten im Kontrollarm. Das qualitätsadjustierte Überleben war im Verum-Arm um 1,5 Monate (95%-Konfidenzintervall 1,49–1,52) länger als bei den Patienten der Placebogruppe. Die mit der QTWIST-Analyse erzielten Erkenntnisse zur Lebensqualität der Patienten waren konsistent mit den Daten, die durch andere Surrogatmarker für die Lebensqualität erfasst wurden. Erste Daten aus der Praxis In Deutschland wurde bereits vor Zulassung von Trifluridin/Tipiracil im Januar 2016 ein Härtefallprogramm (Compassionate-use Programm, CUP) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingerichtet, um den Patienten frühzeitig Zugang zu der neuen Therapie zu gewähren. Die 226 Patienten mit mehrfach vorbehandeltem CRC erhielten innerhalb des CUP-Programms im Mittel 2,5 Behandlungszyklen mit Trifluridin/Tipiracil. Insgesamt erwies sich das Sicherheitsprofil des Zytostatikums als ähnlich günstig wie in der Zulassungsstudie RECOURSE [6]. Auch die Patientencharakteristika im CUP-Programm entsprachen denen der Phase-III-Studie mit Ausnahme der Vorbehandlung mit Regorafenib, die im CUP-Programm häufiger war (33,6% versus 18%). Zudem gab es im CUP-Programm mehr Patienten mit schlechterem ECOG-Performance-Status [9]. Literatur van Cutsem E et al., Ann Oncol 2016, 27:1386–1422 Kubicka S, Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) 2017, Vortrag Tejpar S et al., JAMA Oncol 2016, doi:10.1001/jamaoncol.2016.3797 [Epub ahead of print] Boeckx N et al., Ann Oncol 2017, 28:1862–1868 Kasper S, Jahrestagung der DGHO 2017, Vortrag Mayer RJ et al., N Engl J Med 2015, 372:1909–1919 van Cutsem E et al., European Society for Medical Oncology (ESMO) Congress 2016, Poster 515P Karthaus M et al., Jahrestagung der DGHO 2017, Abstract P584 Kasper S et al., Jahrestagung der DGHO 2017, Abstract P589 Impressum „Sequentielle Therapie des Kolonkarzinoms – von der Adjuvanz bis zum Stadium IV“ Symposium anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) Stuttgart, 29. September 2017 Berichterstattung: Dr. Petra Ortner, München Artikel gedruckt in Der Onkologe, Band 24, Heft 1, Januar 2018 Mit freundlicher Unterstützung der Servier Deutschland GmbH, München Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Ann Köbler Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. 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