Erschienen in:
01.06.2010 | Fall und Kommentare
Kommentar II zum Fall: „Behandlungsabbruch bei Anorexie?“
verfasst von:
Dagmar Schmitz, Jean-Philippe Ernst
Erschienen in:
Ethik in der Medizin
|
Ausgabe 2/2010
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Auszug
In dem vorliegenden Fall geht es um den Wunsch einer 18-jährigen Anorexie-Patientin, die therapeutischen Maßnahmen zu beenden und in eine palliative Einrichtung verlegt zu werden. Diesem Wunsch kommt ein großes Gewicht zu. In eine Behandlungsentscheidung sollen sowohl das ärztlich-klinische Urteil als auch das Urteil des betroffenen Patienten über den Sinn einer bestimmten Maßnahme einfließen. Auch das klinische Urteil beruht nicht in seiner Gänze auf „medizinischen Fakten“, sondern hat bedeutende normative Anteile. Werturteile des individuellen Arztes aber dürfen – unter dem Tarnmantel der wissenschaftlichen Objektivität – nicht dazu benutzt werden, die Werturteile des Patienten zu missachten oder zu übergehen. Es erfordert daher eine besondere Vorsicht und Begründung, falls in Einzelfällen erwogen werden sollte, dem erklärten Wunsch einer Patientin nicht nachzukommen und – eventuell sogar mithilfe von Zwang – die medizinische Maßnahme durchzuführen. Das Selbstbestimmungsrecht gilt selbstverständlich auch für Menschen, bei denen eine psychische Krankheit diagnostiziert wurde. Auch eine solche Diagnose darf niemals dazu führen, dass eine Person kategorisch, ohne Bewertung des Einzelfalles als „nicht einwilligungsfähig“ eingestuft wird. …