Kinderrheuma nicht übersehen

Trotz für die JIA typischer Symptome musste ein dreijähriges Mädchen erst eine diagnostische Odyssee hinter sich bringen, bis klar war, worunter sie litt. Diese späte Diagnose einer kinderrheumatologischen Erkrankung ist kein Einzelfall; es drohen Gelenkfehlstellungen, Muskelatrophien und Wachstumsstörungen. Wie ginge es besser? Kinder mit Gelenkschmerzen und -schwellungen durchlaufen häufig eine lange Leidenszeit und müssen zahlreiche Arztbesuche und Untersuchungen erdulden, bevor sie eine korrekte Diagnose erhalten. So erging es auch einem dreijährigen Mädchen mit auffälligem Gangbild, zunehmenden Bewegungseinschränkungen und Schmerzen in den Gelenken. Sie wurde mehrfach bei Kinderärzten, Neuropädiatern, Orthopäden, Osteologen und Humangenetikern vorstellig, doch trotz umfangreicher Diagnostik konnte zunächst kein wegweisender Befund erstellt werden. Späte Diagnose trotz typischer Symptome Bevor das Mädchen in die Kinderklinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg kam, erhielt sie Krankengymnastik und Ergotherapie für 1,5 Jahre. „Die klinische Untersuchung ergab eine Polyarthritis in Knie-, Hüft-, Ellenbogen,- Hand-, Kiefer- und Sprunggelenken, wobei insgesamt wenige Schwellungen aber viele schmerzhafte Bewegungseinschränkungen auffielen“, berichtete Dr. Annette Holl-Wieden, Würzburg, auf dem Pädiatriekongress 2021. Die Laborwerte waren unauffällig, bei der Sonographie zeigten sich jedoch Ergüsse in den schmerzhaften Gelenken. Es wurde die Diagnose juvenile idiopathische Arthritis (JIA), Subtyp Rheumafaktor-negative Polyarthritis, gestellt. Weshalb die Diagnose so spät erfolgte, blieb unklar, denn die Symptome waren typisch für Gelenkrheuma: Gelenkschwellung und/oder schmerzhafte Bewegungseinschränkung. Zudem erfüllte die Patientin die Kriterien für eine JIA: unklare Ursache, Beginn vor dem 16. Geburtstag, Mindestdauer von sechs Wochen und Ausschluss anderer Ursachen. Gelenkfehlstellungen, Muskelatrophien, Wachstumsstörungen Die Folgen einer nicht-entdeckten bzw. nicht-behandelten Arthritis sind vielfältig. Es können Gelenkfehlstellungen, Kontrakturen sowie Muskelatrophien und lokale Wachstumsstörungen auftreten. Wie Holl-Wieden erklärte, kommt es aufgrund der Entzündung primär zu einer vermehrten Durchblutung der betroffenen Epiphysenfugen und somit zu einer Wachstumsbeschleunigung. Im Verlauf der Erkrankung erfolgt jedoch ein vorzeitiger Verschluss der Epiphysenfuge, die in einer Wachstumshemmung resultiert. Die Wachstumsstörungen sind gelenkspezifisch und führen beispielsweise zu Beinlängendifferenzen oder verkürzten Fingern. Bei Verdacht auf Gelenkrheuma sollte das Kind zum Augenarzt überwiesen werden, um eine mögliche anteriore Uveitis abzuklären, die 80 % der JIA-Patienten betrifft. Frühe aggressive Therapie verbessert Outcome „Die frühzeitige Diagnose ist wichtig, weil eine frühe aggressive Therapie das Outcome verbessert“, betonte die Kinderrheumatologin. So lag die Wahrscheinlichkeit für eine Remission bei kurzer Krankheitsdauer vor Therapiebeginn deutlich höher als bei längerer Krankheitsdauer. Laut den Therapieempfehlung der Kommission PRO-KIND der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) sollten alle Kinder zunächst Methotrexat (MTX) erhalten. Zugleich sind Therapieziele festzulegen und diese regelmäßig zu überprüfen. Wird das anvisierte Ziele nach drei Monaten nicht erreicht, sollte ein Therapiewechsel erfolgen – beispielsweise ein Wechsel von MTX auf ein zugelassenes Biologikum. Empfehlung der Redaktion Dossier zur Jahrestagung Aktuelles vom Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2021 Hot Topics aus der gesamten Welt der Pädiatrie: Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin tagte gemeinsam mit den Gesellschaften für Kinder- und Jugendrheumatologie, Kinderradiologie, Kinderchirurgie und Sozialpädiatrie sowie dem Berufsverband für Kinderkrankenpflege. Aktuelle Kongressberichte bündelt unser Dossier. basierend auf: Holl-Wieden A. Gelenkschmerzen und -schwellung – was weist auf eine kinderrheumatologische Erkrankung hin? Kongress für Kinder- und Jugendmedizin, 06.-09.10.2021, Berlin und virtuell

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