Skip to main content
Erschienen in: Gynäkologische Endokrinologie 3/2017

Open Access 09.08.2017 | Kontrazeption | CME

Autoimmunerkrankungen und orale Kontrazeption

verfasst von: Dr. med. B. Böttcher, MA, Prof. Dr. med. L. Wildt

Erschienen in: Gynäkologische Endokrinologie | Ausgabe 3/2017

Zusammenfassung

Autoimmunerkrankungen treten gehäuft bei Frauen im reproduktiven Alter auf. In dieser Lebensphase wird oft eine Kontrazeption gewünscht, sodass sich in der Beratung die Frage stellt, welche Methoden bei der jeweiligen Erkrankung indiziert bzw. kontraindiziert sind. Diesbezüglich am besten untersucht sind der systemische Lupus erythematodes und die multiple Sklerose. Bei anderen Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis oder der Sklerodermie ist die Datenlage hinsichtlich hormoneller Kontrazeptiva begrenzt. In der Beratung sind – abgesehen von der Klärung der bekannten Risikofaktoren – folgende Aspekte von Bedeutung: erhöhtes Thromboserisiko durch die Autoimmunerkrankung wie beim Lupus erythematodes, Hormonabhängigkeit der Erkrankung, erhöhtes Osteoporoserisiko durch Glukokortikoidtherapie oder auch die Bioverfügbarkeit der Medikamente nach operativen Therapien wie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Eine interdisziplinäre Betreuung kann empfehlenswert sein.
Hinweise

Redaktion

B. Toth, Innsbruck
M. von Wolff, Bern

Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags …
  • können Sie bei einer Patientin mit Lupus erythematodes eine differenzierte Kontrazeptionsberatung durchführen.
  • wissen Sie, was bei der Anwendung kontrazeptiver Methoden im Rahmen einer multiplen Sklerose zu beachten ist.
  • kennen Sie die Faktoren, die in der kontrazeptiven Beratung bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen berücksichtigt werden müssen.
  • können Sie Kontrazeptiva bei ausgewählten Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Sklerodermie oder Schilddrüsenerkrankungen verordnen.

Hinführung zum Thema

Autoimmunerkrankungen sind durch Antikörper gekennzeichnet, die gegen körpereigene Strukturen gerichtet sind. Frauen – vor allem im reproduktiven Alter – sind häufiger betroffen als Männer. In dieser Lebensphase wird häufig eine Kontrazeption gewünscht, sodass bei der Beratung hinsichtlich kontrazeptiver Methoden die vorliegende Grunderkrankung berücksichtigt werden muss. Das Verfahren muss spezifisch an die individuelle Situation angepasst sein. Im vorliegenden Beitrag soll insbesondere die Kontrazeption bei
  • Lupus erythematodes,
  • multipler Sklerose,
  • rheumatoider Arthritis,
  • Sklerodermie,
  • Thyreoiditis,
  • Autoimmunthrombozytopenie und
  • chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
diskutiert werden.
Von Autoimmunerkrankungen sind vor allem Frauen im reproduktiven Alter betroffen

Lupus erythematodes

Der systemische Lupus erythematodes (SLE) gehört zu den häufigsten Autoimmunerkrankungen. Er betrifft vor allem Frauen im reproduktiven Alter. Meist sind mehrere Organsysteme beteiligt; häufig ist eine teratogene medikamentöse Therapie erforderlich. Daher ist eine sichere Kontrazeption erforderlich. Des Weiteren kann eine Therapie mit einem Kombinationspräparat im Hinblick auf die Verbesserung einer glukokortikoidinduzierten Osteoporose sinnvoll sein. Das erhöhte Osteoporoserisiko bei Patientinnen mit SLE wurde eindrücklich in einer retrospektiven Kohortenstudie gezeigt, in der diese Patientinnen 5‑fach häufiger Frakturen angaben als Frauen aus der Normalbevölkerung [1]. Infolge einer Antikoagulation können sich bei Patientinnen mit SLE Thrombozytopenien und dadurch bedingte Hypermenorrhöen entwickeln. Eine hormonelle Kontrazeption kann durch die Verminderung der Blutungsstärke diesem Effekt positiv entgegenwirken.
Die teratogene medikamentöse Therapie macht beim SLE eine sichere Kontrazeption erforderlich
Infolge einer Antikoagulation können sich bei Patientinnen mit SLE Thrombozytopenien und dadurch bedingte Hypermenorrhöen entwickeln
Falls eine Schwangerschaft gewünscht wird, sollte diese möglichst im krankheitsfreien Intervall geplant werden, um geburtshilfliche Risiken wie Aborte oder Präeklampsie zu reduzieren. Die medikamentöse Therapie sollte auf weniger embryotoxische Medikamente umgestellt werden.
Die Empfehlungen zur Kontrazeption bei SLE sind vom Vorliegen von Antiphospholipidantikörpern abhängig [2, 3].
Bezüglich der Anwendung hormoneller Kontrazeptiva bei Patientinnen mit SLE sind
  • die Krankheitsaktivität,
  • das Thromboserisiko und
  • die Zuverlässigkeit der Verhütungsmethode
von Bedeutung. In den zwei größten randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) wurde das Auftreten von Schüben während der Anwendung kontrazeptiver Maßnahmen analysiert. In beiden wurden jedoch Patientinnen mit aktiver schwerer Erkrankung und Thrombosen in der Anamnese von der Studienteilnahme ausgeschlossen.
In einer mexikanischen Studie von Sánchez-Guerrero et al. [4] erhielten die Patientinnen randomisiert kombinierte hormonelle Kontrazeptiva mit 30 μg Ethinylöstradiol und 150 μg Levonorgestrel, eine reine Gestagenpille oder die Kupferspirale. Patientinnen mit positiven Antikardiolipinantikörpern oder Lupusantikoagulans durften an der Studie teilnehmen. Die Krankheitsaktivität wurde über ein Jahr in regelmäßigen Abständen beurteilt. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den drei Gruppen. Der erste Schub trat durchschnittlich nach 3 Monaten auf. Thrombosen traten unter dem kombinierten und dem reinen Gestagenpräparat auf.
In einer multizentrischen RCT von Petri et al. [5, 6] wurden 183 Frauen ohne positive Antikörper eingeschlossen. Sie erhielten über 12 Monate ein triphasisches Kombinationspräparat mit Norethisteronacetat oder Placebo. Auch in dieser Studie zeigte sich kein Unterschied in der Krankheitsaktivität; das Auftreten von Thrombosen unterschied sich nicht signifikant.
Beide Studien schlossen allerdings nur Patientinnen mit einer moderaten bzw. geringen Krankheitsaktivität ein. Daher ist die Aussagekraft für ein Patientinnenkollektiv mit höherer Krankheitsaktivität begrenzt.
Angemerkt werden muss, dass in der Auswertung einer populationsbasierten Fall-Kontroll-Studie der General Practice Research Database in einer Untergruppe von Frauen, die neu mit einem hormonellen Kombinationspräparat begannen, ein erhöhtes Risiko eines Schubs in den ersten 3 Monaten nach Einnahmebeginn festgestellt wurde [7, 8].
In einer kleinen Studie an Patientinnen mit inaktivem SLE wurden 3 Gruppen verglichen. Eine Gruppe erhielt eine Dreimonatsspritze mit Norethisteronacetat, eine Gruppe verwendete eine Levonorgestrelpille (30 μg), eine dritte Gruppe nutzte keine hormonelle Kontrazeption. Hier zeigte sich ebenso kein vermehrtes Auftreten von Krankheitsschüben [9, 10].
Eine Metaanalyse von 2009 schloss 12 Studien zur Anwendung hormoneller Kontrazeptiva bei SLE ein [11, 12]. Hinsichtlich des Thromboserisikos lässt sich feststellen, dass bei Patientinnen mit positiven Antiphospholipidantikörpern ein erhöhtes Risiko für venöse und arterielle Thrombosen besteht. Daher sollten bei diesen Patientinnen hormonelle Kombinationspräparate nicht angewandt werden. In einer weiteren Metaanalyse konnte keine signifikante Assoziation zwischen dem Auftreten eines SLE und der Einnahme hormoneller Kontrazeptiva bei Patientinnen ohne entsprechende Antikörper gezeigt werden [13, 14].
Bei Patientinnen mit Antiphospholipidantikörpern besteht ein erhöhtes Risiko für venöse und arterielle Thrombosen
Aufgrund der Verminderung der Knochendichte sollten keine Depotgestagene verwendet werden; eine Hormonspirale sowie subdermale Gestagenimplantate sind jedoch hinsichtlich des Nutzen-Risiko-Profils vertretbar [15, 16, 17].
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass hormonelle Kombinationspräparate bei SLE kontraindiziert sind, wenn Antiphospholipidantikörper vorliegen. Bei stabilem oder inaktivem Krankheitszustand ohne Antiphospholipidantikörper und ohne weitere Risikofaktoren, wie Thrombosen, Hypertonie oder Rauchen, können Kombinationspräparate – auch im Langzyklus – oder reine Gestagene verordnet werden (Tab. 1).
Tab. 1
Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation zur Kontrazeption bei systemischem Lupus erythematodes. (Mod. nach [17])
 
Kombinationspräparate
Reine Gestagene
Implantat mit Etonogestrel
Dreimonatsspritze
Kupferspirale
Hormonspirale
Mit Antikörpern (oder unbekannt)
4
3
3
3
1
3
Bei relevanter Thrombozytopenie
2
2
2
3/2a
3/2a
2
Immunsuppressive Therapie
2
2
2
2/2a
2/1a
2
Ohne die o. g. Faktoren
2
2
2
2/2a
1/1a
2
aBeginn der Einnahme/Fortsetzung
Kategorien: 1 Uneingeschränkte Anwendung; 2 Nutzen ist größer als theoretische und nachgewiesene Risiken; 3 theoretische und nachgewiesene Risiken sind größer als Nutzen (relative Kontraindikation); 4 inakzeptables Gesundheitsrisiko (absolute Kontraindikation)
Es muss nochmals deutlich hervorgehoben werden, dass bei Vorliegen eines Antiphospholipidsyndroms hormonelle Kombinationspräparate absolut kontraindiziert sind, da das Risiko für arterielle und venöse Thrombosen signifikant steigt [18, 19, 20, 21].

Multiple Sklerose

Die multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die Frauen fast doppelt so häufig betrifft wie Männer [2, 22]. Sie ist durch eine autoimmun bedingte Degeneration der Axone und Myelinscheiden gekennzeichnet. Eine genetische Disposition scheint eine Rolle zu spielen. Der Krankheitsverlauf ist hormonabhängig: Postpartal treten vermehrt Schübe auf, wohingegen in der Schwangerschaft eine Besserung der Erkrankung auffällt [23, 24]. Stillen zeigte keinen Einfluss. Diese Ergebnisse stammen aus der PRIMS-Studie, die 227 Frauen mit einer Lebendgeburt bis zu 2 Jahre postpartal beobachtete [24]. Im Rahmen des Menstruationszyklus liegt der häufigste Zeitpunkt akuter Exazerbationen prämenstruell [25]. Der Pathomechanismus ist bisher nicht geklärt, vermutlich beeinflussen Progesteron und Östradiol die Zytokinproduktion in Lymphozyten [25].
Der Krankheitsverlauf der multiplen Sklerose ist hormonabhängig
Die Einnahme oraler Kontrazeptiva erhöht nicht das Risiko, an multipler Sklerose zu erkranken [2, 26]. Im Gegenteil wurde sogar ein protektiver Effekt mit einem späteren Auftreten der Erkrankung beschrieben, wenn die Frauen orale Kontrazeptiva über einen längeren Zeitraum eingenommen oder ein Kind geboren hatten [26, 27]. Ebenso ist ein milderer Krankheitsverlauf beschrieben [28]. Bei der Anwendung hormoneller Präparate und manifester Erkrankung ist zu beachten, dass die Patientinnen aufgrund körperlicher Einschränkungen und aufgrund des entzündlichen Prozesses ein erhöhtes Thromboserisiko haben können, zudem kann die Knochengesundheit beeinträchtigt sein [3, 29]. Von subkutan verabreichten reinen Gestagenpräparaten wird daher abgeraten.
Die Einnahme oraler Kontrazeptiva erhöht nicht das Risiko, an multipler Sklerose zu erkranken
Eine aktuelle Metaanalyse beschäftigte sich mit der Sicherheit oraler Kontrazeptiva bei einer manifesten multiplen Sklerose [29]. In den 4 untersuchten Studien ließ sich kein Einfluss auf den Krankheitsverlauf feststellen. Alonso et al. [2] fassten Ergebnisse der 3 größten Kohortenstudien und einer Datenbank zur Beziehung zwischen oralen Kontrazeptiva und multipler Sklerose zusammen. Eingeschlossen waren die Oxford Family Planning Association Study mit 17.032 Patientinnen, die Royal College of General Practitioners’ Oral Contraception Study mit 46.000 Teilnehmerinnen, die Nurses’ Health Study 1 und 2 sowie eine Analyse der General Practice Research Database [2]. Auch wenn keine Differenzierung zwischen verschiedenen Präparaten erfolgte, ziehen die Autoren die Schlussfolgerung, dass epidemiologisch kein relevanter Zusammenhang zwischen der Anwendung oraler Kontrazeptiva und dem Krankheitsverlauf bei multipler Sklerose festzustellen ist. In einer Fragebogenstudie zeigte sich, dass im pillenfreien Intervall vermehrt Symptome beschrieben werden. Daher sollte bei diesen Patientinnen die Anwendung der Pille im Langzyklus empfohlen werden [5].
Einzelne Fallberichte beschreiben das Auftreten von zerebralen venösen Thrombosen [8], sodass die Verwendung hormoneller Kontrazeptiva bei Immobilität nicht empfohlen wird.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass orale hormonelle Kontrazeptiva ohne Vorliegen weiterer Risikofaktoren bei MS nicht kontraindiziert sind; eine Einnahme im Langzyklus bzw. eine Langzeiteinnahme sollte individuell in Betracht gezogen werden [10].

Rheumatoide Arthritis

Die rheumatoide Arthritis ist durch entzündliche Vorgänge an den Gelenken (Synovitiden) gekennzeichnet. Der Zusammenhang der Erkrankung mit Sexualsteroiden wird diskutiert. In der Schwangerschaft bessern sich die Symptome, wohingegen sie postpartal bei über 90 % der Frauen wieder auftreten [12]. Stillen zeigt einen protektiven Effekt; ein unregelmäßiger Zyklus ist mit einem erhöhten Auftreten von Schüben verbunden [13].
In der Schwangerschaft bessern sich die Symptome der rheumatoiden Arthritis
Ob hormonelle Kontrazeptiva protektiv wirken oder nicht, wird kontrovers diskutiert [15], die Datenlage im Hinblick auf derzeit gebräuchliche Kontrazeptiva ist limitiert. In einer aktuellen Kohortenstudie und in der Auswertung des Norfolk Arthritis Register mit 663 Frauen zeigte sich ein positiver Effekt auf den Krankheitsverlauf in den ersten 2 Jahren bei aktueller Verwendung oraler Kontrazeptiva und auch in der Vergangenheit [18, 19]. In einer Fall-Kontroll-Studie zeigte nur die aktuelle Verwendung einen protektiven Effekt [22]. Nach 12 Jahren konnte kein protektiver Langzeiteffekt im Hinblick auf die Einnahme oraler Kontrazeptiva festgestellt werden [23]. In einer Metaanalyse mit 12 Fall-Kontroll-Studien und 5 Kohortenstudien von 2014 ließ sich kein protektiver Effekt demonstrieren; die eingeschlossenen Studien hatten allerdings ein sehr heterogenes Studiendesign mit unterschiedlichen Kontrazeptiva und Populationen [4, 30].
Eine protektive Wirkung hormoneller Kontrazeptiva hinsichtlich der rheumatoiden Arthritis wird kontrovers diskutiert
Eine Anwendung hormoneller Kontrazeptiva, besonders im Langzyklus oder in Langzeiteinnahme, ist bei unregelmäßigen Zyklen zu empfehlen [6, 10], um eine Exazerbation während einer Abbruchblutung zu vermeiden.
Ein erhöhtes Osteoporoserisiko durch eine Glukokortikoidtherapie und durch die Erkrankung selbst ist zu berücksichtigen; ein hormonelles Kombinationspräparat könnte hier eine Therapieergänzung darstellen.

Sklerodermie

Die Sklerodermie fällt durch chronisch-entzündliche und fibrotische Veränderungen der Haut, der Gefäße und des Bindegewebes auf. Bei der progressiv-systemischen Form kann das Herz-Kreislauf-System betroffen sein. Es bestehen keine spezifischen Kontraindikationen für die hormonelle Kontrazeption bei Vorliegen einer Sklerodermie, sofern der kardiopulmonale Status es erlaubt [7, 10].
Bei Sklerodermie bestehen keine spezifischen Kontraindikationen für die hormonelle Kontrazeption

Thyreoiditis

Chronische Entzündungen der Schilddrüse wie Morbus Basedow oder Morbus Hashimoto gelten als Autoimmunerkrankungen. Die Schilddrüsenfunktion wird durch orale Kontrazeptiva nur geringfügig beeinflusst [9, 31, 32]. In einer randomisierten, doppelblinden Studie mit 4 verschiedenen Kombinationspräparaten zeigte sich, dass der freie Schilddrüsenhormonanteil nur unwesentlich steigt, allerdings können Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) aufgrund einer vermehrten Bindung an Serumglobuline ansteigen [11, 32]. Das thyreoideastimulierende Hormon (TSH) war bei Anwendung eines Kombinationspräparates mit Dienogest, Ethinylöstradiol und Östradiolvalerat deutlich erhöht. Innerhalb von 3 Monaten nach Einnahmebeginn zeigte sich ein stabiler Zustand der Schilddrüsenwerte, sodass sich auch ein Langzyklus nicht nachteilig auf diese Parameter auswirkt [14, 31]. Durch die Östrogenwirkung wird die Bildung von thyroxinbindendem Globulin in der Leber aktiviert. Bei einer Hypothyreose sollten die Schilddrüsenparameter unter Einnahme der Pille in den ersten 3 Monaten kontrolliert werden, es besteht aber keine Kontraindikation gegen hormonelle Kombinationspräparate bei einer Autoimmunthyreoiditis.
Die Schilddrüsenfunktion wird durch orale Kontrazeptiva nur geringfügig beeinflusst

Autoimmunthrombozytopenie

Bei einer chronischen Autoimmunthrombozytopenie (Morbus Werlhof) kommt es zu einem beschleunigten Abbau der Thrombozyten durch Autoantikörper. Hierdurch kann eine Blutungsneigung mit Petechien, gastrointestinalen Blutungen, Hämaturie und einer Hypermenorrhö auftreten. Zur Verminderung der Blutungen kann eine therapeutische Amenorrhö indiziert sein. Die kombinierte hormonelle Kontrazeption im Langzyklus stellt daher eine sinnvolle Option dar, wobei ein direkter Einfluss hormoneller Kombinationspräparate auf die Thrombozytenzahl nicht gezeigt werden konnte [16, 17, 33].
Angesichts der Blutungsneigung bei Autoimmunthrombozytopenie ist die kombinierte hormonelle Kontrazeption im Langzyklus eine sinnvolle Option

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gehören zu den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, die durch schubweises Auftreten charakterisiert sind. Die Ätiologie ist nicht abschließend geklärt. Bei der Colitis ulcerosa werden eine autoimmune und genetische Komponente diskutiert [20, 21, 34], als Risikofaktoren gelten Nikotinabusus und auch die Anwendung oraler Kontrazeptiva [2, 35, 36]. In Bezug auf Morbus Crohn und Colitis ulcerosa wird diskutiert, ob unter der Einnahme hormoneller Kontrazeptiva vermehrt Schübe auftreten und ob die Malabsorption eine Wirkungsminderung der Medikamente bedingen kann.
Die Anwendung oraler Kontrazeptiva gilt als Risikofaktor für die Entwicklung einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung
Zwei prospektive Kohortenstudien zum Morbus Crohn ergaben folgende Ergebnisse hinsichtlich des Auftretens von Schüben im Zusammenhang mit einer oralen Kontrazeption: Bei 331 Frauen zeigte sich kein signifikant unterschiedliches Auftreten von Schüben unter der Anwendung von reinen Gestagenpillen (29 %), hoch dosierten kombinierten Kontrazeptiva (40 %) und der Minipille (46 %; [24, 37]). Im Gegensatz dazu zeigte sich in einer weiteren Studie ein vermehrtes Auftreten von Schüben bei insgesamt 28 Frauen, die aktuell (43 %) oder in der Vergangenheit (70 %) orale Kontrazeptiva eingenommen hatten, im Vergleich zu Frauen, die diese Medikamente noch nie verwendet hatten (27 %; [24, 38]).
Bei Patientinnen mit Colitis ulcerosa wurde kein Zusammenhang zwischen der Frequenz von Schüben und der Einnahme oraler Kontrazeptiva gefunden [25, 39].
Eine Analyse der Nurses’ Health Study ergab bei Morbus Crohn eine Assoziation zwischen dem Auftreten der Erkrankung und der Anwendung oraler Kontrazeptiva; bei Colitis ulcerosa zeigte sich dieser Zusammenhang nur bei Raucherinnen [25, 40].
Die Bioverfügbarkeit der oralen Kontrazeptiva im Gastrointestinaltrakt ist in dieser Patientinnengruppe vom Ausmaß der bisher erfolgten operativen Maßnahmen abhängig. In einer pharmakokinetischen Studie bei Patientinnen mit Colitis ulcerosa, die eine Proktokolektomie mit Ileostomie erhalten hatten, waren die Plasmakonzentrationen von Ethinylöstradiol und Levonorgestrel nicht signifikant niedriger als bei gesunden Kontrollen [2, 26, 41]. Es muss angemerkt werden, dass in dieser Studie noch Präparate mit 50 μg Ethinylöstradiol verabreicht wurden, wie es heute nicht mehr üblich ist.
Zusammenfassend dürfen orale Kontrazeptiva bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa verordnet werden. Ein erhöhtes Thromboserisiko per se – insbesondere bei Patientinnen mit Colitis ulcerosa – sollte berücksichtigt werden [36]. Bei zyklusabhängigen Beschwerden des Morbus Crohn sollte eine Einnahme im Langzyklus bzw. eine Langzeiteinnahme erfolgen [42].

Fazit für die Praxis

  • In der Kontrazeptionsberatung sollten individuelle Risikofaktoren berücksichtigt werden.
  • Wenn keine Antiphospholipidantikörper vorliegen, können hormonelle Kombinationspräparate beim SLE angewandt werden.
  • Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sind hormonelle Kontrazeptiva möglich. Beachtet werden müssen gegebenenfalls eine verminderte Bioverfügbarkeit nach ausgedehnten Darmresektionen sowie ein gesteigertes Thromboserisiko bei hoher Krankheitsaktivität.
  • Die multiple Sklerose zeigt im Krankheitsverlauf eine Hormonabhängigkeit; hormonelle Kombinationspräparate können angewandt werden, sofern nicht aufgrund einer Immobilisation ein erhöhtes Thromboserisiko vorliegt.
  • Eine therapeutische Amenorrhö durch orale Kontrazeptiva im Langzyklus kann bei einer Autoimmunthrombozytopenie indiziert sein.

Acknowledgements

Open access funding provided by University of Innsbruck and Medical University of Innsbruck.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

B. Böttcher und L. Wildt geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.

Unsere Produktempfehlungen

Gynäkologische Endokrinologie

Print-Titel

 Schwerpunktzeitschrift für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin • Aktuelle Entwicklungen • Praxisrelevante Informationen 4 Hefte pro Jahr Normalpreis 141,34 € Weiterbildung ...

e.Med Interdisziplinär

Kombi-Abonnement

Für Ihren Erfolg in Klinik und Praxis - Die beste Hilfe in Ihrem Arbeitsalltag

Mit e.Med Interdisziplinär erhalten Sie Zugang zu allen CME-Fortbildungen und Fachzeitschriften auf SpringerMedizin.de.

© Springer Medizin

Bis 11. April 2024 bestellen und im ersten Jahr 50 % sparen!

e.Med Gynäkologie

Kombi-Abonnement

Mit e.Med Gynäkologie erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen der beiden Fachgebiete, den Premium-Inhalten der Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten gynäkologischen oder urologischen Zeitschrift Ihrer Wahl.

© Springer Medizin

Bis 11. April 2024 bestellen und im ersten Jahr 50 % sparen!

Literatur
3.
Zurück zum Zitat Andreoli L (2016) EULAR recommendations for women’s health and the management of family planning, assisted reproduction, pregnancy and menopause in patients with systemic lupus erythematosus and/or antiphospholipid syndrome. Ann Rheum Dis 76:476. doi:10.1136/annrheumdis-2016-209770 CrossRefPubMed Andreoli L (2016) EULAR recommendations for women’s health and the management of family planning, assisted reproduction, pregnancy and menopause in patients with systemic lupus erythematosus and/or antiphospholipid syndrome. Ann Rheum Dis 76:476. doi:10.​1136/​annrheumdis-2016-209770 CrossRefPubMed
4.
8.
Zurück zum Zitat Vandenberghe N, Debouverie M, Anxionnat R et al (2002) Cerebral venous thrombosis in four patients with multiple sclerosis. Eur J Neurol 10:63–66CrossRef Vandenberghe N, Debouverie M, Anxionnat R et al (2002) Cerebral venous thrombosis in four patients with multiple sclerosis. Eur J Neurol 10:63–66CrossRef
10.
Zurück zum Zitat Römer T, Göretzlehner G (2017) Kontrazeption mit OC in 238 Problemsituationen. Walter de Gruyter, Berlin Römer T, Göretzlehner G (2017) Kontrazeption mit OC in 238 Problemsituationen. Walter de Gruyter, Berlin
13.
Zurück zum Zitat Karlson EW, Mandl LA, Hankinson SE, Grodstein F (2004) Do breast-feeding and other reproductive factors influence future risk of rheumatoid arthritis? Results from the Nurses’ Health Study. Arthritis Rheum 50:3458–3467. doi:10.1002/art.20621 CrossRefPubMed Karlson EW, Mandl LA, Hankinson SE, Grodstein F (2004) Do breast-feeding and other reproductive factors influence future risk of rheumatoid arthritis? Results from the Nurses’ Health Study. Arthritis Rheum 50:3458–3467. doi:10.​1002/​art.​20621 CrossRefPubMed
17.
Zurück zum Zitat World Health Organization (2015) Medical Eligibility Criteria for Contraceptive Use, 5. Aufl. World Health Organization (2015) Medical Eligibility Criteria for Contraceptive Use, 5. Aufl.
18.
Zurück zum Zitat Albrecht K, Callhoff J, Buttgereit F et al (2016) Association between the use of oral contraceptives and patient-reported outcomes in an early arthritis cohort. Arthritis Care Res (Hoboken) 68:400–405. doi:10.1002/acr.22667 CrossRef Albrecht K, Callhoff J, Buttgereit F et al (2016) Association between the use of oral contraceptives and patient-reported outcomes in an early arthritis cohort. Arthritis Care Res (Hoboken) 68:400–405. doi:10.​1002/​acr.​22667 CrossRef
19.
Zurück zum Zitat Camacho EM, Lunt M, Farragher TM et al (2011) The relationship between oral contraceptive use and functional outcome in women with recent-onset inflammatory polyarthritis: results from the Norfolk Arthritis Register. Arthritis Rheum 63:2183–2191. doi:10.1002/art.30416 CrossRefPubMed Camacho EM, Lunt M, Farragher TM et al (2011) The relationship between oral contraceptive use and functional outcome in women with recent-onset inflammatory polyarthritis: results from the Norfolk Arthritis Register. Arthritis Rheum 63:2183–2191. doi:10.​1002/​art.​30416 CrossRefPubMed
20.
Zurück zum Zitat Urbanus RT, Siegerink B, Roest M et al (2009) Antiphospholipid antibodies and risk of myocardial infarction and ischaemic stroke in young women in the RATIO study: a case-control study. Lancet Neurol 8:998–1005. doi:10.1016/S1474-4422(09)70239-X CrossRefPubMed Urbanus RT, Siegerink B, Roest M et al (2009) Antiphospholipid antibodies and risk of myocardial infarction and ischaemic stroke in young women in the RATIO study: a case-control study. Lancet Neurol 8:998–1005. doi:10.​1016/​S1474-4422(09)70239-X CrossRefPubMed
22.
Zurück zum Zitat Brennan P, Bankhead C, Silman A, Symmons D (1997) Oral contraceptives and rheumatoid arthritis: results from a primary care-based incident case-control study. Semin Arthritis Rheum 26:817–823CrossRefPubMed Brennan P, Bankhead C, Silman A, Symmons D (1997) Oral contraceptives and rheumatoid arthritis: results from a primary care-based incident case-control study. Semin Arthritis Rheum 26:817–823CrossRefPubMed
23.
Zurück zum Zitat Drossaers-Bakker KW, Zwinderman AH, van Zeben D et al (2002) Pregnancy and oral contraceptive use do not significantly influence outcome in long term rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis 61:405–408CrossRefPubMedPubMedCentral Drossaers-Bakker KW, Zwinderman AH, van Zeben D et al (2002) Pregnancy and oral contraceptive use do not significantly influence outcome in long term rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis 61:405–408CrossRefPubMedPubMedCentral
25.
Zurück zum Zitat Zorgdrager A, De Keyser J (2002) The premenstrual period and exacerbations in multiple sclerosis. Eur Neurol 48:204–206CrossRefPubMed Zorgdrager A, De Keyser J (2002) The premenstrual period and exacerbations in multiple sclerosis. Eur Neurol 48:204–206CrossRefPubMed
30.
Zurück zum Zitat Qi S, Xin R, Guo W, Liu Y (2013) Meta-analysis of oral contraceptives and rheumatoid arthritis risk in women. Ther Clin Risk Manag 10:915–923. doi:10.2147/TCRM.S70867 Qi S, Xin R, Guo W, Liu Y (2013) Meta-analysis of oral contraceptives and rheumatoid arthritis risk in women. Ther Clin Risk Manag 10:915–923. doi:10.​2147/​TCRM.​S70867
32.
Zurück zum Zitat Wiegratz I, Kutschera E, Lee JH et al (2003) Effect of four different oral contraceptives on various sex hormones and serum-binding globulins. Contraception 67(1):25–32CrossRefPubMed Wiegratz I, Kutschera E, Lee JH et al (2003) Effect of four different oral contraceptives on various sex hormones and serum-binding globulins. Contraception 67(1):25–32CrossRefPubMed
33.
Zurück zum Zitat Leck I, Thomson JM, Bocaz JA et al (1991) A multicentre study of coagulation and haemostatic variables during oral contraception: variations with geographical location and ethnicity. Task Force on Oral Contraceptives – WHO Special Programme of Research, Development and Research Training in Human Reproduction. Int J Epidemiol 20:913–920CrossRefPubMed Leck I, Thomson JM, Bocaz JA et al (1991) A multicentre study of coagulation and haemostatic variables during oral contraception: variations with geographical location and ethnicity. Task Force on Oral Contraceptives – WHO Special Programme of Research, Development and Research Training in Human Reproduction. Int J Epidemiol 20:913–920CrossRefPubMed
34.
Zurück zum Zitat Loftus EV (2004) Clinical epidemiology of inflammatory bowel disease: Incidence, prevalence, and environmental influences. Gastroenterology 126:1504–1517CrossRefPubMed Loftus EV (2004) Clinical epidemiology of inflammatory bowel disease: Incidence, prevalence, and environmental influences. Gastroenterology 126:1504–1517CrossRefPubMed
37.
Zurück zum Zitat Cosnes J, Carbonnel F, Carrat F et al (1999) Oral contraceptive use and the clinical course of Crohn’s disease: a prospective cohort study. Gut 45:218–222CrossRefPubMedPubMedCentral Cosnes J, Carbonnel F, Carrat F et al (1999) Oral contraceptive use and the clinical course of Crohn’s disease: a prospective cohort study. Gut 45:218–222CrossRefPubMedPubMedCentral
38.
Zurück zum Zitat Timmer A, Sutherland LR, Martin F (1998) Oral contraceptive use and smoking are risk factors for relapse in Crohn„s disease. The Canadian Mesalamine for Remission of Crohn“s Disease Study Group. Gastroenterology 114:1143–1150CrossRefPubMed Timmer A, Sutherland LR, Martin F (1998) Oral contraceptive use and smoking are risk factors for relapse in Crohn„s disease. The Canadian Mesalamine for Remission of Crohn“s Disease Study Group. Gastroenterology 114:1143–1150CrossRefPubMed
39.
Zurück zum Zitat Bitton A, Peppercorn MA, Antonioli DA et al (2000) Clinical, biological, and histologic parameters as predictors of relapse in ulcerative colitis. Gastroenterology 120:13–20. doi:10.1053/gast.2001.20912 CrossRef Bitton A, Peppercorn MA, Antonioli DA et al (2000) Clinical, biological, and histologic parameters as predictors of relapse in ulcerative colitis. Gastroenterology 120:13–20. doi:10.​1053/​gast.​2001.​20912 CrossRef
41.
Zurück zum Zitat Grimmer SF, Back DJ, Orme ML et al (1986) The bioavailability of ethinyloestradiol and levonorgestrel in patients with an ileostomy. Contraception 33:51–59CrossRefPubMed Grimmer SF, Back DJ, Orme ML et al (1986) The bioavailability of ethinyloestradiol and levonorgestrel in patients with an ileostomy. Contraception 33:51–59CrossRefPubMed
Metadaten
Titel
Autoimmunerkrankungen und orale Kontrazeption
verfasst von
Dr. med. B. Böttcher, MA
Prof. Dr. med. L. Wildt
Publikationsdatum
09.08.2017

Weitere Artikel der Ausgabe 3/2017

Gynäkologische Endokrinologie 3/2017 Zur Ausgabe