Die 7 Prädiktoren für eine Subarachnoidalblutung

Akute heftige Kopfschmerzen sind ein häufiges Leitsymptom bei Notaufnahmepatienten. Die Subarachnoidalblutung (SAB) als eine der schwerwiegendsten Differenzialdiagnosen macht lediglich 1–3% der Fälle aus. Während in ca. der Hälfte der SAB-Fälle akute neurologische Defizite inklusive Vigilanzminderung den Weg zur Diagnose weisen, bestehen bei den anderen 50% keine neurologischen Defizite. Gerade diese Patienten profitieren außerordentlich von einer zeitnahen Diagnosestellung, da die Prognose bei prompter Behandlung günstig ist, sich im anderen Falle jedoch durch das hohe Rezidivblutungsrisiko abrupt verschlechtern kann. Der diagnostische Standard beinhaltet eine native CCT (kraniale Computertomographie) und bei unauffälligem Ergebnis eine Lumbalpunktion (LP). Beide Verfahren verursachen erheblichen Aufwand und bergen eigene Gesundheitsrisiken. Die sichere Stratifizierung in eine Niedrigrisikogruppe, bei der anhand klinischer Regeln zuverlässig auf Bildgebung und LP verzichtet werden kann, würde zu einer höheren diagnostischen Effizienz führen, Ressourcen schonen und zur Prozessbeschleunigung in überfüllten Notaufnahmen erheblich beitragen. Studiendesign und Ergebnisse In einer prospektiven multizentrischen (6 kanadische Notaufnahmezentren) Studie wurden 1999 erwachsene Patienten mit akut aufgetretenem (<14 Tage), neuartigem, in der Intensität rasch gipfelndem Kopfschmerz (Onset-to-Peak-Intensity-Latenz <1 h) ohne weitere kognitive (Glasgow Coma Score: 15) oder fokal-neurologische Defizite eingeschlossen. Ihr mittleres Alter lag bei 43,4 Jahren. 60,4% waren weiblich. Ausschlusskriterien waren (Schädel-)Traumata, Rezidivereignisse und bekannte intrazerebrale Pathologien. Es wurden 33 anamnestische und klinische Variablen durch geschulte Notaufnahmeärzte erhoben. Die Interobserver-Reliabilität wurde bei 103 Patienten überprüft. Fast 80% aller Patienten klassifizierten die Beschwerden als jemals heftigsten Kopfschmerz. 33,5% klagten über Nackenschmerzen oder -steifigkeit, 28,4% über Erbrechen. Die mittlere Onset-to-Peak-Intensity-Latenz lag bei 9 min. Bei 1657 Patienten wurde anschließend eine CCT oder eine LP durchgeführt (CCT: n=1606, 80,3%; LP: n=905, 45,3%). Um einen Sampling-Bias auszuschließen, wurden zusätzlich die jeweiligen Notaufnahmeregister nach fälschlich nicht eingeschlossenen bzw. potenziell übersehenen Patienten durchgesehen (n=1050). Sämtliche Patienten wurden einem 1- und 6-monatigen telefonischen Follow-up unterzogen und anhand regionaler Erkrankungs- und Sterberegister nachverfolgt. Endpunkt war der Nachweis einer SAB, definiert als positiver Befund in der nativen CCT oder als Xanthochromie bzw. Frischblut (>5/µl) bei LP gepaart mit angiographischem Aneurysmanachweis. 98,7% der eingeschlossenen Patienten konnten nachverfolgt werden. 130 (6,5%) hatten eine SAB, 48 eine andere schwerwiegende Diagnose (intrazerebrale Blutung, Subduralhämatom, Tumor, bakterielle Meningitis). Bei 82,3% wurden „benigne“ Ursachen diagnostiziert. Bei den 1050 übersehenen Patienten zeigte sich eine SAB-Rate von 2,7%. In der 6-monatigen Nachbeobachtung wurde keine weitere SAB aufgespürt. Mittels multivariater statistischer Modelle wurden 7 Prädiktoren für eine SAB mit hoher Interobserver-Reliabilität identifiziert. Diese waren Alter >40, subjektiver Nackenschmerz oder -steifigkeit, Erbrechensepisoden, beobachtete Synkope, erhöhter Blutdruck (systolisch >160 mmHg bzw. diastolisch >100 mmHg), Beginn während Belastung und Einlieferung per Rettungswagen. Anhand eines „recursive partitioning“ (s. unten) wurden 3 Regeln erstellt, die jeweils 4 der 7 Prädiktoren enthielten. Wenn keiner dieser Prädiktoren vorlag, wurde auch keine SAB festgestellt (Sensitivität 100%, Spezifität 28,4–38,8%) und kann letztendlich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Die Autoren schlossen, dass die Durchführung einer CCT und/oder einer LP nur bei Vorliegen eines Prädiktors erforderlich ist. Diskussion Die Autoren fassen die Studie wie folgt zusammen: Die meisten Kopfschmerzpatienten ohne neurologische Ausfälle und ohne Anamnese eines Schädeltraumas innerhalb der letzten 8 Tage vor Aufnahme haben eine „harmlose“’, selbstlimitierende Erkrankung. Bei diesen Patienten ist eine weitere Diagnostik mit Computertomographie und Lumbalpunktion prinzipiell nicht erforderlich. Entscheidungspfade, die auf konsistenten klinischen Prädiktoren basieren, ließen in der Studie einen sicheren SAB-Ausschluss zu. Ihre Anwendung könnte helfen, unnötige Untersuchungen zu vermeiden, ohne SAB-Fälle zu übersehen. Der Positivbefund eines der Prädiktoren identifiziert somit Hochrisikopatienten. Die multivariate Extraktion der Entscheidungsregeln basiert auf einer prospektiven Untersuchung. Vor ihrer Implementierung bedarf es jedoch der unabhängigen prospektiven Validierung. Kommentar Eine der größten alltäglichen Herausforderungen in einer Notaufnahme besteht darin, bei unspezifischen Leitsymptomen zielstrebig diejenigen Differenzialdiagnosen zu identifizieren, die den Patienten gefährden. Andererseits muss eine aufwändige und belastende Überdiagnostik vermieden werden. Dieses Spannungsfeld wird am deutlichsten, wenn – wie im Falle der SAB bei Kopfschmerz – die bedrohliche Differenzialdiagnose selten ist und anhand klinischer Kriterien nur unzuverlässig diagnostiziert werden kann und zeit- und kostenintensive sowie risikobehaftete Zusatzuntersuchungen erfordert, andererseits aber eine verpasste Diagnose katastrophale Folgen hätte. Laut Hochrechnung können bei unauffälliger CCT bis zu 1000 LP erforderlich sein, um eine okkulte SAB zu detektieren [1]. Eine sichere Risikostratifizierung erfordert Entscheidungsregeln, die bettseitig praktikabel und reproduzierbar sind und größtmögliche Sicherheit im Hinblick auf eine tragische Risikounterschätzung gewähren. Diesem Anliegen scheint die aktuelle, solide durchgeführte Studie nachzukommen. Bewusst wurde einer 100%igen Sensitivität mit schmalem Konfidenzintervall Priorität vor der Genauigkeit eingeräumt. Dies erinnert an andere Notfall-Tools. wie z. B. den „Glasgow-Blatchford-Score“ bei gastrointestinaler Blutung [2] oder die „CT head rule for minor trauma“ [3], die im Wesentlichen den Nichtbehandlungsbedarf anzeigen. Eine Größenordnung, wie viele CCT und/oder LP bei Anwendung der Regeln hätten vermieden werden können, geben die Autoren jedoch nicht an. Die Methode des „recursive partitioning“ ist fest etabliert für die Erstellung intuitiver klinischer Entscheidungspfade und wurde z. B. bei der „Ottawa ankle rule“ [4] verwendet. Es handelt sich hierbei um eine multivariate Analyse, die Entscheidungsbäume anhand dichotomer Variablen generiert. Sie eignet sich somit v. a. für kategorische, weniger für kontinuierliche Variablen. Vorbehaltlich der prospektiven Validierung ist davon auszugehen, dass Patienten mit heftigen neuartigen Zephalgien ohne begleitende kognitive oder fokal-neurologische Defizite nicht von einer weiterführenden Diagnostik profitieren, wenn keiner der folgenden Risikoindikatoren vorliegt: Alter >40, erhöhter Blutdruck, Erbrechen, Synkope, Beginn während körperlicher Belastung, Nackenschmerzen oder -steifigkeit. Einlieferung durch den Rettungsdienst Hinsichtlich des letztgenannten Parameters weisen die Autoren allerdings zu recht darauf hin, dass die internationale Übertragbarkeit dieses Risikoprädiktors aufgrund unterschiedlicher Rettungsdienstsysteme nur eingeschränkt möglich ist. Mehr zum Thema Lesen Sie zur SAB-Diagnose auch den Beitrag "Frühe CT kann Subarachnoidalblutung ausschließen". Literatur 1. Coats TJ, Loffhagen R (2006) Diagnosis of subarachnoid haemorrhage following a negative computed tomography for acute headache: a Bayesian analysis. Eur J Emerg Med 13:80–83 2. Blatchford O, Murray WR, Blatchford M (2000) A risk score to predict need for treatment for upper gastrointestinal haemorrhage. Lancet 356:1318–1321 3. Stiell IG, Wells GA, Vandemheen K et al (2001) The Canadian CT head rule for patients with minor head injury. Lancet 357:1391–1396 4. Stiell IG, Greenberg GH, McKnight RD et al (1992) A study to develop clinical decision rules for the use of radiography in acute ankle injuries. Ann Emerg Med 21:384–390

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