Kopfschmerz-Op. funktioniert - aber lange nicht bei jedem!

Bestimmte Patienten mit frontalen Kopfschmerzen scheinen von einer chirurgischen Dekompression zu profitieren. In einer kleinen Studie aus den Niederlanden lag die Erfolgsquote nach enger Indikationsstellung bei über 90%. Die Rationale für die seit langem umstrittene „Migränechirurgie“ ist folgende: Es existiert offenbar ein gewisser Anteil von Kopfschmerzpatienten, bei denen die Schmerzursache in einer Einengung (Entrapment) bestimmter sensorischer Nervenbahnen liegt. Diesen Patienten, so die Hypothese, lässt sich helfen, indem man den Engpass chirurgisch aufweitet (Release). Sorgfältige Patientenauswahl erforderlich Die Voraussetzung ist niederländischen HNO-Chirurgen zufolge eine sorgfältige Patientenselektion. Bei ausgewählten Kandidaten, so das Team um Dr. Boris Filipovic vom Diakonessen Hospital in Utrecht, lasse sich eine Erfolgsquote von über 90% erzielen. In ihrer Studie führte die gezielte endoskopische Release-Op. bei 20 von 22 Patienten, die an mehr als 15 Tagen im Monat an frontalen Kopfschmerzen litten, zu einer mindestens 50%igen Kopfschmerzreduktion. Bei 16 Patienten waren die Kopfschmerzen anschließend vollständig verschwunden. Die ursprüngliche Schmerzintensität lag zwischen 7 und 10 auf einer 10-Punkte-Skala (visuelle Analog-Skala, VAS). Die erfolgreich Behandelten (insgesamt 90,9%) konnten nach dem Eingriff auf die tägliche Einnahme von Schmerzmitteln verzichten. Um für die Op. geeignete Patienten herauszufiltern, ging das Team in mehreren Schritten vor: Zunächst wählten sie Kopfschmerzpatienten aus, welche die Kriterien der International Classification of Headache Disorders für sekundäre Kopfschmerzen erfüllten (ICHD 3-β). Darunter fallen chronische Migräne, chronische Kopfschmerzen vom Spannungstyp und chronische täglich auftretende Kopfschmerzen. Bei allen Teilnehmern verstärkten sich die Schmerzen bei Druck auf die Region über dem N. supratrochlearis (STN) bzw. supraorbitalis (SON). Im nächsten Schritt wurden die Patienten einer CT-Untersuchung unterzogen, um zugrundeliegende Pathologien wie eine Tumorerkrankung oder eine Sinusitis auszuschließen. Positives Ansprechen auf Lokalanästhesie und BTX Den verbleibenden Kandidaten erhielten schließlich eine Lokalanästhesie in Form einer Xylocain-Spritze in den M. corrugator supercilii rund um die Austrittsstellen der o. g. Nerven (STN, SON) im Überaugenwulst. Im Rennen blieb nur, wer unmittelbar nach der Injektion eine deutliche Schmerzlinderung (um 50% auf der VAS) empfand. Nur diese Patienten erhielten nunmehr auf jeder Seite fünf Injektionen mit jeweils 3 IU Botulinumtoxin A in den Korrugatormuskel. Dabei geht man davon aus, dass die Überaktivität des Stirnrunzlers die Einklemmung der supraorbitalen Nerven begünstigt. Botulinumtoxin bewirkt, dass sich der Muskel entspannt und das Entrapment beseitigt wird. Das Ansprechen auf diese Therapie wurde hier als Einschlusskriterium gewertet. Auf 22 Patienten trafen letztlich alle genannten Kriterien zu. Sie wurden nach Absetzen jeglicher Schmerzmedikation der Kopfschmerz-Op. zugeführt. Dabei wurde nach einer W-förmigen Inzision in der Mittellinie das Periost abgehoben und die darunterliegende Muskelgruppe der Glabella-Region stumpf abpräpariert. N. supraorbitalis und N. supratrochlearis wurden freigelegt, ohne die Glabella-Muskeln zu beschädigen. Nach Hämostase erfolgte der Wundverschluss mittels Stapler. Der Patient erhielt anschließend für einen Tag einen Kopfverband. Deutlicher Zusatznutzen der Op. Zur Erfolgskontrolle diente die VA-Skala. Die Kopfschmerzintensität hatte vor dem Eingriff im Mittel bei 8,10 gelegen, drei Monate danach waren es 1,30 und nach einem Jahr 1,09. Sowohl die Injektion mit Botulinumtoxin als auch die Op. hatten im Vergleich zu einer rein medikamentösen Therapie zu einer signifikant stärkeren Schmerzreduktion geführt, wobei die Schmerzen nach der Op. noch einmal deutlich stärker abgenommen hatten als nach der Injektion mit dem Nervengift. Wie die Forscher betonen, war der postoperative Effekt von Dauer; auch der am längsten nachbeobachtete Patient war zum Studienende (in diesem Fall nach 107 Monaten) frei von Kopfschmerzen. Verschwunden waren bei allen erfolgreich behandelten Patienten auch Begleitsymptome wie Licht und Lärmempfindlichkeit, Übelkeit und Erbrechen. Kritiker der Methode warnen vor möglichen Komplikationen des Eingriffs und weisen darauf hin, dass das Verfahren angesichts der geringen Fallzahlen nach wie vor als experimentell betrachtet werden muss. Dem Neurologen Paul G. Mathew vom Brigham and Women’s Hospital in London zufolge ist der Eingriff allenfalls für Patienten geeignet, die sehr häufig unter Kopfschmerzen leiden, bei denen weder Schmerzmedikamente noch BTX-Injektionen ausreichend geholfen haben und die von einem Kopfschmerzspezialisten untersucht wurden (Headache 2014; 54: 142–152). Diese Kriterien zumindest haben die Autoren der vorliegenden Studie berücksichtigt. Das Wichtigste in Kürze Frage: Gibt es Patienten, denen mit einer Kopfschmerz-Op. geholfen ist? Antwort: Mit der endoskopischen Dekompression lässt sich bei ausgewählten Patienten die Kopfschmerzintensität offenbar deutlich reduzieren. Bedeutung: Der Effekt der Op. hielt langfristig an; die meisten Patienten benötigten danach keine regelmäßige Schmerzmedikation mehr. Einschränkung: Die Gruppe der Studienteilnehmer war sehr klein; alle wurden an ein und derselben Klinik behandelt.

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