Erschienen in:
22.12.2016 | Journal Club
Kriminologischer Beitrag
Die Schuld der Opfer
verfasst von:
Dr. Angelika Treibel
Erschienen in:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
|
Ausgabe 1/2017
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Auszug
Per definitionem ist der wesentliche Unterschied zwischen Opfer und Täter der, dass der Täter Schuld auf sich geladen hat, während das Opfer als geschädigte Person unschuldig ist. Juristisch folgt der Schuldspruch gegenüber dem Täter. Dessen ungeachtet gehören Schuld
gefühle häufig zum Empfinden von Opfern. Opfer fühlen sich „schuldig“, auch dann, wenn sie von jeder Mitschuld an der Tat freigesprochen wurden. Es handelt sich um ein subjektives Gefühl, einen psychischen Zustand, nicht um eine juristische Dimension. Insofern werden Schuldgefühle, die von Kriminalitäts- und Gewaltopfern empfunden werden, aus psychologischer Sicht als häufige – aber faktisch unbegründete – Reaktion auf eine Viktimisierung betrachtet. In der psychologischen Beratung oder Psychotherapie geht es häufig darum, diese Schuldgefühle zu bearbeiten. Für die Schuldgefühle von Opfern, die direkt oder indirekt miterleben mussten, dass andere nicht überlebten, wurde der Begriff der „Überlebensschuld“ geprägt. Gemäß einer Definition von Niederland (
1961) beschreibt Überlebensschuld ein allgegenwärtiges Gefühl der Schuld, das von der bewussten oder unbewussten Angst begleitet ist, dafür bestraft zu werden, dass man die Katastrophe, der die Angehörigen zum Opfer fielen, überlebt hat. …