Die Salvage-Laryngektomie ist eine mögliche Therapieoption in der Behandlung des rezidivierenden und residuellen Larynxkarzinoms nach erfolgter Radio- oder Radiochemotherapie. Unter ständiger Konkurrenz und der rapiden Weiterentwicklung nichtoperativer Behandlungsmethoden des Kopf-Hals-Malignoms in den letzten Jahren ist die Erfassung der onkologischen Ergebnisse und der Komplikationen der Salvage-Chirurgie essenziell für die klinische Entscheidungsfindung.
Hintergrund
Trotz zunehmender Tendenz zu primär organerhaltenden Ansätzen bei lokal fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinomen des Larynx und des Hypopharynx kommt der „Rettungschirurgie“ (Salvage-Chirurgie) weiterhin eine große Bedeutung zu. Abhängig von der Lokalisation und dem Stadium des Primärtumors im Kopf-Hals-Bereich liegen die Rezidivraten nach primär organerhaltender Therapie bei 25–50 % [
1]. In der Behandlung des lokoregionären Rezidivs ist eine wiederholte Strahlentherapie häufig ausgeschlossen, sodass mit der Rettungschirurgie effektive onkologische Ergebnisse erzielt werden können [
2]. Die Wundheilung nach Strahlen- und Chemotherapie ist durch die Fibrosierung des Gewebes und eine Verminderung der Perfusion beeinträchtigt [
3,
4]. Daraus ergibt sich eine deutlich erhöhte Komplikationsrate von bis zu 60 %, verbunden mit deutlich gesteigerter Mortalität und Morbidität sowie einer signifikant beeinträchtigten Lebensqualität [
5]. Die Inkaufnahme der bekannten Nachteile und Risiken der Rettungschirurgie kann nur durch ein verbessertes Überleben gerechtfertigt werden. Als Alternative zur Operation stehen nach Versagen der Erstlinientherapie heutzutage neben der palliativen Chemotherapie und der Wiederbestrahlung auch die Immuntherapie zur Verfügung [
6]. Es gibt zahlreiche klinische Studien, die die Rolle von Checkpointinhibitoren sowohl als Einzelsubstanz als auch in Kombination mit etablierten Behandlungsmethoden untersuchen. Der aktuelle Paradigmenwechsel in der Therapie des rekurrenten fortgeschrittenen Larynxkarzinoms stellt erneut die Wertigkeit der Rettungschirurgie auf den Prüfstand. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Bestimmung der Überlebensrate sowie die Bewertung präoperativer prognostischer Faktoren für das allgemeine und krankheitsfreie Überleben einer Rettungschirurgie von Residualtumoren oder Rezidiven anhand der an der Klinik der Autor(inn)en behandelten Patienten. Sekundäre Ziele umfassten die Auswertung chirurgischer und allgemeiner postoperativer Komplikationen und die Dauer der Sondenernährung.
Studiendesign und Untersuchungsmethoden
Es handelt sich um eine retrospektive Kohortenstudie der Universitätsklinik Erlangen (Abteilung für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie). Die Studie wurde von der zuständigen Ethikkommission genehmigt (Votum 246_20 Bc) und in Einklang mit der Deklaration von Helsinki durchgeführt.
Studiendesign
Die Analyse erfolgte mittels retrospektiver Auswertung von Patientenakten aus der Tumordatenbank der Klinik. Die ausgewählten Patienten haben wegen eines Larynxkarzinoms im Zeitraum von März 2001 bis Oktober 2019 in dem akademischen Tumorzentrum der Autor(inn)en eine totale oder partielle Laryngektomie erhalten. Einschlusskriterien waren ein Tumorresiduum oder ein Lokalrezidiv nach primär organerhaltender nichtchirurgischer Therapie. Als Residuum wurde ein verbleibender Tumoranteil definiert, welcher in einer Panendoskopie direkt nach erfolgter primärer Radio- oder Radiochemotherapie makroskopisch und histologisch bestätigt wurde. Als Rezidiv definierten die Autor(inn)en ein Wiederauftreten des Tumors nach einem freien Intervall und einer unauffälligen Panendoskopie im Anschluss an die Radio- oder Radiochemotherapie. Patienten, die sich im Erkrankungsstadium der Fernmetastasierung befanden oder inoperable Tumoren aufwiesen, wurden aus der Studie ausgeschlossen. Nach Exstirpation des Larynx bzw. Teillaryngektomie mit oder ohne begleitender Pharyngektomie wurden die Defekte je nach Größe primär verschlossen oder mit regionalen oder freien mikrovaskulären Lappenplastiken rekonstruiert. Die Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) erfolgte als prophylaktische Maßnahme. Eine Gastrografin-Ösophagographie wurde nach 10 Tagen postoperativ durchgeführt. Die Autor(inn)en dokumentierten die onkologischen Parameter (TNM, R‑Status), postoperative Komplikationen und den Status gemäß ECOG (Eastern Cooperative Oncology Group). Die Klassifikation des Erkrankungsstadiums erfolgte anhand der 8. Version der UICC (Union Internationale Contre le Cancer [
7]).
Zielparameter
Primäre Endpunkte der Studie waren die onkologischen Ergebnisse mit der Rate an lokalen und regionären Rezidiven und Fernmetastasen sowie das krankheitsfreie Überleben und das Gesamtüberleben. Die Überlebenszeit wurde vom Tag der Operation bis zum Todestag aufgrund einer beliebigen Ursache (Gesamtüberleben), dem Auftreten eines Rezidivs (krankheitsfreies Überleben), oder des Datums, an dem der Patient zuletzt als lebend (Gesamtüberleben und krankheitsfreies Überleben) oder als nicht krankheitsbedingt tot (krankheitsfreies Überleben) bekannt war, definiert. Die Autor(inn)en zensierten Patienten, die zum Zeitpunkt der Auswertung noch am Leben waren. Sekundäre Endpunkte stellten die Rate an postoperativen Komplikationen, die Dauer der Sondenernährung über die PEG und die Art der Ernährung bei der letzten Nachsorge dar.
Statistische Auswertung
Die metrischen Parameter werden mit dem Mittelwert und der Standardabweichung (SD) angegeben. Die Häufigkeiten der Variablen werden in absoluten und relativen Werten (n; %) dargestellt. Die Überlebenskurven wurden mithilfe der Kaplan-Meier-Schätzung erstellt und anhand des Log-Rank-Tests verglichen. Assoziationen zwischen einzelnen anatomischen Lokalisationen mit dem Gesamtüberleben sowie dem krankheitsfreien Überleben wurden an univariaten Cox-Modellen getestet. Der Zusammenhang zwischen nominalen Variablen wurde mit dem χ2-Test geprüft. Ein p-Wert <0,05 wurde als statistisch signifikant angesehen. Für die statistische Auswertung verwendeten die Autor(inn)en IBM SPSS Statistics, Version 25.0 (Fa. IBM Corporation, Armonk/NY, USA).
Diskussion
In der vorliegenden Arbeit wurde der Verlauf von Patienten nach Rettungschirurgie durch eine totale Laryngektomie oder Teillaryngektomie nach primär nichtchirurgischer Therapie untersucht. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen ein 2‑ und ein 5‑Jahres-Gesamtüberleben von 47,9 bzw. 24,2 % (Abb.
1) und ein krankheitsfreies Überleben von 47,8 bzw. 24,2 %. Insgesamt wiesen 48,5 % der Patienten postoperativ ein Tumorrezidiv auf. Die Autor(inn)en stellten eine signifikant schlechtere 5‑Jahres-Überlebensrate fest, wenn eine hypopharyngeale Beteiligung vorlag (28,8 vs. 10,9 %;
p = 0,041). Die Rettungschirurgie war mit einer hohen Komplikationsrate verbunden. Dabei war die pharyngokutane Fistel die häufigste Komplikation, die zumeist lediglich einer konventionellen Therapie bedurfte. Die Hälfte der behandelten Patienten konnte sich postoperativ komplett oral ernähren.
Allgemein liegt die Rate der lokoregionären Rezidive nach organerhaltender Therapie bei 30–50 % [
1,
8]. Besteht nach primärer Radiochemotherapie ein Tumorresiduum oder ein lokoregionäres Rezidiv, sollte die Möglichkeit der Salvage-Chirurgie geprüft werden. Sie stellt nach Versagen der primär nichtchirurgischen Therapie weiterhin eine kurative Therapieform dar, sofern eine vollständige Resektion mit negativen Rändern präoperativ erreichbar erscheint. Über 70 % der Patienten mit einem Residuum oder Rezidiven nach Radiochemotherapie weisen lokal fortgeschrittene Tumoren der Kategorien T3 und T4 auf [
9]. Dies können die Autor(inn)en mit 27,3 % der Patienten in einem frühen (UICC I und II) und 72,7 % der Patienten in einem lokal fortgeschrittenen Tumorstadium (UICC III und IV) bestätigen. In Anbetracht des Untersuchungszeitraums und der darin begründeten Entwicklung der Bestrahlungstechnik sind die von den Autor(inn)en mittels Rettungschirurgie behandelten Patienten mit den Angaben von Putten et al. [
5] für die Untersuchungsjahre 1990–2007 vergleichbar. Damit bleibt die Rettungschirurgie für den onkologischen Chirurgen weiterhin eine unverändert anspruchsvolle und komplikationsbehaftete chirurgische Therapiemöglichkeit.
Die onkologischen Ergebnisse sind therapieübergreifend insgesamt unbefriedigend. Für rein laryngeale Karzinome wird zusammengefasst ein Gesamtüberleben von 48–49 % und mit Beteiligung des Hypopharynx von 17–26 % angegeben [
1,
10]. Alternativ kann eine erneute Radio- oder Radiochemotherapie in kurativer Absicht angeboten werden. Eine umfassende Metaanalyse zu den Ergebnissen der Wiederbestrahlung wurde von Grün et al. kürzlich veröffentlicht. Die Kollegen berichten über eine 2‑ und 5‑Jahres-Gesamtüberlebensrate von 47–57 % und 23 % nach intensitätsmodulierter Radiotherapie mit begleitender Chemotherapie [
11]. Beachtlich sind die damit verbundenen, teilweise gravierenden Nebenwirkungen mit schwerwiegenden Akutreaktionen in bis zu 73 %. Akute lebensbedrohliche Komplikationen wurden in bis zu 11 % der Fälle beschrieben [
11,
12]. Die alleinige palliative Therapie führte Kowalski et al. zufolge an 797 Patienten mit rezidivierendem Kopf-Hals-Malignomen zu einem medianen Überleben von nur 3,8 Monaten und ist bei möglicher Operabilität zurückhaltend zu empfehlen [
13]. Eine erschwerte intraoperative Präparation durch narbige postradiogene Veränderungen und die Minderdurchblutung des Gewebes sind charakteristisch für eine Salvage-Operation [
2]. Dies bedingt die deutlich erhöhten postoperativen Komplikationsraten mit Wundheilungsstörungen, Lymphödemen und v. a. der Ausbildung von pharyngokutanen Fisteln, die die häufigste chirurgische Komplikation darstellen [
4].
Die konservative Therapie steht in solchen Fällen im Vordergrund, sodass nur bei rund einem Drittel aller Fisteln eine operative Versorgung notwendig ist [
4,
14,
15]. Insbesondere Patienten mit einer revisionsbedürftigen Fistel zeigten einen prolongierten Heilungsverlauf mit deutlicher Einschränkung der Lebensqualität [
15]. Die Rekonstruktion des Pharynx mit frischem Gewebe, bespielweise durch die Präparation eines Pektoralis-major-Lappens, hat einen protektiven Effekt auf die Fistelrate [
15]. In Anbetracht der zu erwartenden Komplikationen nach der Salvage-Chirurgie und zum Erhalt einer akzeptablen Lebensqualität und Ernährung trägt auch die Anlage einer PEG bei [
16,
17]. Zwei Drittel der Patienten waren bei der letzten Vorstellung, nach durchschnittlich 25 Monaten, nur teilweise oder gar nicht auf die Sondenernährung angewiesen.
Aufgrund der Problematik eines präoperativen „understaging“, bedingt durch postradiogene Ödeme und narbige Veränderungen, sowie der häufig multizentrischen Tumorherde der Rezidive ist die totale Laryngektomie weiterhin das präferierte Verfahren in der Salvage-Chirurgie des Larynxkarzinoms [
10,
18,
19]. Die Ergebnisse dieser seltenen und anspruchsvollen Therapie müssen in Anbetracht des retrospektiven Studiendesigns und der damit unausweichlich verbundenen Limitationen interpretiert werden. Daraus resultiert ebenfalls die limitierte Patientenanzahl, die vergleichbaren Studien zu diesem Thema entspricht, jedoch die Analyse einzelner Einflussfaktoren auf die betrachteten onkologischen Ergebnisse beeinträchtigt. Ein weiterer Aspekt ist der große Zeitraum der retrospektiven Datenerhebung, der wirkungsvolle Entwicklungen der Radioonkologie umfasst. Dennoch sind die Charakteristika der zu behandelnden Patienten mit denen aus den 1990er- und ersten 2000er-Jahren vergleichbar.
Die Rettungschirurgie des Kehlkopfkarzinoms ist weiterhin eine Therapiemöglichkeit, die auch heutzutage noch ihren Stellenwert gegenüber alternativen Optionen der Wiederbestrahlung hat und in diesen anspruchsvollen Situationen mit dem Patienten ausführlich erörtert werden sollte.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Diese retrospektive Studie erfolgte nach Konsultation der zuständigen Ethikkommission und im Einklang mit nationalem Recht.
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