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Erschienen in: Die Gastroenterologie 3/2021

Open Access 08.04.2021 | Leberzirrhose | Schwerpunkt

Akute Dekompensation und akut-auf-chronisches Leberversagen

Neues zur den Verlaufsformen der dekompensierten Leberzirrhose

verfasst von: Dr. med. P. G. Ferstl, Dr. med. M. Schulz, Prof. Dr. med. J. Trebicka, PhD

Erschienen in: Die Gastroenterologie | Ausgabe 3/2021

Zusammenfassung

Die akute Dekompensation ist eine rasch eintretende Komplikation der Leberzirrhose. Durch alle Stadien der akuten Dekompensation hinweg weisen die portale Hypertension und systemische Inflammation eine zunehmende Schwere auf. Das akut-auf-chronische Leberversagen ist die schwerste Stufe der akuten Dekompensation, und ist durch Organversagen und hohe Mortalität charakterisiert.
Hinweise

Redaktion

C. Trautwein, Aachen
J. Trebicka, Frankfurt am Main
Für den Tod von Patienten mit Leberzirrhose ist die akute Dekompensation (AD) ausschlaggebend, wobei das Zusammenspiel hepatischer Dekompensation mit extrahepatischer Organdysfunktion und -versagen maßgeblich ist. Die AD weist verschiedene klinische Verläufe auf: von der stabilen dekompensierten Zirrhose über die instabile dekompensierte Zirrhose, das prä-akut-auf-chronische Leberversagen, bis hin zum akut-auf-chronischen Leberversagen, das ein Syndrom mit Organversagen ist.
Die AD und ihre schwerste Form, das akut-auf-chronische Leberversagen (ACLF), sind die häufigste Todesursache bei der Leberzirrhose [1]. Da sie weltweit jährlich mehr als 14 Mio. krankheitsbereinigte Lebensjahre kostet, wird sie mittlerweile zu den führenden Problemen im Gesundheitswesen gerechnet. Die klinische Einschätzung und Risikobewertung dieser Patienten spielen eine große Rolle [2, 3].
Die Schwere der AD korreliert mit dem Ausmaß der systemischen Inflammation
Die wichtigsten Auslöser der AD sind nachgewiesene bakterielle Infektionen, die schwere alkoholische Hepatitis, gastrointestinale (GI-)Blutungen mit Schock sowie die toxische Enzephalopathie [4]. Der Beginn wie auch die Schwere der AD korrelieren mit dem Ausmaß der systemischen Inflammation (SI; [4, 5]). Unter den verschiedenen Stadien der AD ist das Prä-ACLF der Zustand, der dem ACLF vorausgeht [6]. Treten Auslöser mit begleitendem Organversagen oder mehrere Auslöser gleichzeitig auf, haben AD und ACLF einen schwereren Verlauf [4]. Das ACLF wird mittlerweile als die schwerste Form der AD betrachtet, aber ihre klinischen Erscheinungsbilder sowie die inflammatorische „Visitenkarte“ unterscheiden sich maßgeblich. Die SI ist das gemeinsame Kennzeichen von AD und ACLF.

Akute Dekompensation

Pathogenese

Die portale Hypertension (PHT) ist ein zentraler Faktor in der Pathogenese der AD und des ACLF. Sie ist definiert als ein Zustand erhöhten hydrostatischen Drucks in der Portalvene und führt zur reflektorischen Dilatation splanchnischer Arteriolen und auch peripherer Arterien. Dies begünstigt durch ein vermindertes effektives arterielles Blutvolumen sowie die zirrhotische Kardiomyopathie die Entstehung des ACLF [5]. Ferner verursacht die PHT sekundär eine Schädigung der Darmbarriere mit konsekutiver bakterieller Translokation und Ausbildung von SI [7]. Die bakterielle Translokation tritt nur bei zirrhotischer PHT, nicht aber bei akuter bzw. nichtzirrhotischer PHT auf. Es ist daher bemerkenswert, dass die SI durch den transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunt (TIPS) reduziert wird, was u. a. ein Hinweis auf die Schlüsselrolle der PHT bei der Entstehung der SI ist [8, 9].
Die PHT hat bei der Entstehung der systemischen Inflammation eine Schlüsselrolle
Die SI kann laborchemisch durch die Leukozyten und das C‑reaktive Protein abgebildet werden [6]. Doch es existiert eine Vielzahl weiterer potenzieller Biomarker der SI, die sensitiver und/oder spezifischer für die Entwicklung eines ACLF sind. So sind erhöhte Spiegel von Interleukin(IL)-6, IL-1RA und humanes Serumalbumin (HNA) 2 in AD-Patienten unabhängig mit der Entwicklung eines ACLF innerhalb von 28 Tagen assoziiert [3]. Das IL-1α, IL-1β, Plasmarenin (PRC) und Copeptin (PCC) sowie weitere Zytokine sind zusätzliche Inflammationsmarker der AD, die eng mit der Ausbildung eines ACLF verbunden sind [10, 11]. Die SI ist beim ACLF deutlich ausgeprägter als in seinen Vorstufen stabile dekompensierte Zirrhose (SDC), instabile dekompensierte Zirrhose (UDC) und Prä-ACLF [10]. Ist die SI stark genug, um einen Endorganschaden auszulösen, kann sie ein ACLF triggern [3, 4].
Die SI und die AD prädisponieren den Organismus außerdem für „hypermetabolische“ Zustände, in denen die Grundnährstoffe Glukose, Aminosäuren und Fettsäuren vorzugsweise Immunzellen mit einem hohen Energiebedarf bereitgestellt werden [12]. Die Deprivation von Nährstoffen in Verbindung mit inflammatorischen Stimuli kann letztlich Endorganversagen in Niere, Herz und Lunge und somit auch ein ACLF auslösen [13]. Inflammatorische Lipidmediatoren wie Leukotrien E4 (LTE4) tragen zur SI bei und beeinträchtigen auch die bakterizide Aktivität neutrophiler Granulozyten [12]. Da beim ACLF eine unverhältnismäßig hohe Ausschüttung humoraler Marker beobachtet wird und gleichzeitig bakterielle Infektionen mit einer extrem hohen Rate auftreten, wird dem zellulären Immunsystem beim ACLF ein dysfunktionaler oder sogar paralysierter Zustand attestiert [14].

Auslöserereignisse

Ein Dekompensationsereignis wird als das Auftreten eines der folgenden 4 Zustände – oder deren Kombination – bezeichnet: Aszites, GI-Blutungen, hepatische Enzephalopathie (HE) und/oder bakterielle Infektion [15]. Diese Ereignisse komplizieren den klinischen Verlauf der Leberzirrhose in einer unvorhersehbaren Weise und treten häufig wiederkehrend auf. So ist die GI-Blutung signifikant mit der Entstehung der spontan-bakteriellen Peritonitis und weiteren bakteriellen Infektionen assoziiert [15]. Auch bei Patienten mit Aszites, GI-Blutung oder HE kann ein Dekompensationsereignis im Krankheitsverlauf weitere solche Ereignisse nach sich ziehen [16]. Sobald Patienten mit Zirrhose die erste AD-Episode entwickeln, fällt das mittlere Überleben dramatisch von 12 auf weniger als 2 Jahre ab [15]. Die Auslöser sind maßgeblich bakterielle Infektionen, die schwere alkoholische Hepatitis, GI-Blutung mit Schock und die toxische Enzephalopathie. Sie werden im Folgenden besprochen.

Nachgewiesene bakterielle und multiresistente Infektionen

Bei 43 % der Patienten mit AD ist ein Auslöser identifizierbar. Hier sind wiederum die nachgewiesenen Infektionen (definiert als bakterielle Infektionen mit positiver Erregerkultur) mit 58 % der Fälle führend [4, 17]. Die Prävalenz multiresistenter Erreger (MRE) nimmt weltweit zu, wobei nach heutigem Stand die multiresistenten gramnegativen Erreger (MRGN) als größte Bedrohung angesehen werden [18].
Patienten mit Leberzirrhose und MRE sind kränker als Patienten ohne MRE
Patienten mit Leberzirrhose und MRE sind kränker als Patienten ohne MRE, was durch Model-of-end-stage-liver-disease(MEL)- und ACLF-Scores quantifizierbar ist, und bei der Entwicklung des ACLF scheinen MRE-Infektionen eine dominante Rolle zu spielen [16, 19]. Sie sind schwieriger zu behandeln und empirische Therapien schlagen signifikant häufiger fehl [4]. Folglich tritt bei Infektion durch MRE das ACLF signifikant häufiger auf [17, 20, 21]. Im Beitrag von A. Queck, P. Ferstl, T. Bruns, J. Trebicka in diesem Heft wird detailliert auf die bakteriellen Infektionen bei Leberzirrhose und AD eingegangen.

Schwere alkoholische Hepatitis

Ungefähr einem Drittel der AD-Fälle geht eine schwere alkoholische Hepatitis (SAH) voraus [6]. Der klinische Verlauf und die Prognose sind dabei ähnlich wie bei Patienten mit nachgewiesenen Infektionen. Auch bei diesen Patienten liegt eine massive Immundysfunktion vor [9]. Weiterhin stört Alkoholkonsum die intestinale Mikroflora und den Gallesäurestoffwechsel und hat durch Beeinflussung der Darm-Hirn-Achse darüber hinaus auch einen indirekten Einfluss auf die kognitive Funktion.

Toxische Enzephalopathie

Die PREDICT-Studie zeigte, dass neurotoxische Medikamente eine AD und im weiteren Verlauf ein ACLF auslösen konnten. Dies war nur bei Opioiden und Benzodiazepinen der Fall, während bei Patienten mit hepatotoxischen und nephrotoxischen Medikamenten keine erhöhte AD-Inzidenz beobachtet wurde [4, 6].

Gastrointestinale Blutung mit Schock

Patienten mit AD und GI-Blutung befinden sich signifikant häufiger in „milderen“ AD-Stadien wie der SDC oder der UDC [4, 6]. Doch haben Patienten mit ACLF signifikant häufiger eine oder mehrere GI-Blutungen in der Anamnese, als Patienten ohne ACLF [22]. Patienten mit GI-Blutung und Kreislaufversagen sind massiv gefährdet, ein ACLF zu entwickeln [4]. Weiterhin verdoppelt sich die Reblutungsrate in ACLF-Patienten mit Blutungsanamnese, sodass diese ein sehr hohes Sterblichkeitsrisiko aufweisen [22].

Rolle der Auslöseranzahl

In 57 % der Patienten mit AD kann kein Auslöser gefunden werden [4]. In diesen Fällen wird als Trigger die SI diskutiert [3, 7, 23]. Tatsächlich wird die SI nicht nur in Patienten mit UDC und Prä-ACLF beobachtet, sondern auch in Patienten mit kompensierter Zirrhose oder SDC, die jedoch gleichzeitig eine beginnende PHT aufweisen [3]. Je mehr Auslöser die AD hat, desto ungünstiger entwickeln sich das inflammatorische Profil bzw. die SI und der klinische Verlauf [4].

Verschiedene Verlaufsformen

Die dekompensierte Zirrhose kann 4 verschiedene Verläufe haben (Abb. 1; Abb. 2; [6]). Die SDC ist durch zirrhosetypische Komplikationen, geringe SI sowie die realistische Möglichkeit einer rechtzeitigen Rekompensation gekennzeichnet [11]. Patienten mit SDC müssen üblicherweise nicht aufgrund weiterer Dekompensationsereignisse erneut aufgenommen werden. Organversagen werden bei der SDC selten beobachtet, aber eine Hirn- oder Leberdysfunktion treten in 23 % bzw. 14 % der Patienten auf. In vielen Fällen gehen der SDC bakterielle Infektionen voraus oder begleiten sie. Diese können in der Regel gut behandelt werden, sodass sie ausheilen und der Patient das Stadium der Rekompensation erreicht. Die 1‑Jahres-Mortalität bei der SDC beträgt 10 % [6].
Patienten mit UDC weisen eine 1‑Jahres-Mortalität von 36 % auf
Die UDC ist mit einer signifikanten PHT assoziiert und weist eine deutlich erhöhte Inzidenz bakterieller Infekte auf, woraus weitere Dekompensationsereignisse resultieren [3, 6]. Nach dem initialen Dekompensationsereignis ist die UDC durch die Notwendigkeit mindestens einer weiteren Krankenhauswiederaufnahme definiert, doch ein ACLF entwickeln diese Patienten nicht. Obwohl Organdysfunktionen bei der UDC öfter auftreten als bei der SD (29 %, 19 % bzw. 16 % für Hirn‑, Kreislauf- und Leberdysfunktion), werden Organversagen nur selten beobachtet. Patienten mit UDC weisen eine 1‑Jahres-Mortalität von 36 % auf. Maßgeblich ist auch, dass GI-Blutungen deutlich häufiger beobachtet werden als beim Prä-ACLF, was die Rolle der klinisch signifikanten PHT bei der UDC bestätigt [6].
Das Prä-ACLF wird als eine AD-Episode definiert, während oder nach der sich ein ACLF entwickelt [6]. Es ist mit signifikanter SI assoziiert und lässt sich somit von der SDC und der UDC unterscheiden. Beim Prä-ACLF tritt die renale Dysfunktion häufiger auf (23 % verglichen mit 7 % bei SDC und UDC). Die 1‑Jahres-Mortalität ist mit 67 % ebenfalls deutlich schlechter als bei der SDC und der UDC, und im weiteren Verlauf tritt als Maximalform der AD das ACLF auf [6].

Akut-auf-chronisches Leberversagen

Definition und Prognose

Die europäische (EASL), amerikanische (NACSELD) und asiatische (APASL) hepatologische Fachgesellschaft haben etwas unterschiedliche Definitionen des ACLF vorgeschlagen. Sie unterliegen alle per definitionem der klinischen Charakterisierung anhand von Organversagen und beinhalten das Vorliegen einer SI [5]. Das ACLF ist eine hochdynamische Entität der AD und kann innerhalb weniger Tage zum Tod des Patienten führen. Dies beinhaltet auch das klinische Vollbild des Multiorganversagens. Unter allen ACLF-Graden wird das Nierenversagen vor dem Leber- und dem Gerinnungsversagen am häufigsten beobachtet (56 %, 44 % und 28 %; [1]). Insgesamt umfasst das ACLF 6 Entitäten von Organversagen: Niere, Hirn, Leber, Gerinnung, Kreislauf und/oder Atmung.
Für jedes dieser Organversagen wurden spezifische und exakte Grenzwerte definiert (Abb. 3). Abhängig von der Anzahl der versagenden Organsysteme ergibt sich der ACLF-Grad von 1 bis 3 (Abb. 4). Das ACLF ist mit einer 28-Tage-Mortalität von 22 % (ACLF-1) bis zu 77 % (ACLF-3) assoziiert [1]. Die 3‑Monats-Mortalität des ACLF liegt, gemittelt für alle Stadien, bei 51 % [1].

Identifizierbare Auslöser und ihre Therapie

In Fällen mit identifizierbaren Auslösern kommt deren Therapie ein hoher Stellenwert zu. Bei Patienten mit AD, die initial eine inadäquate, d. h. nichtwirksame, antimikrobielle Therapie erhalten, ist das Risiko eines ACLF signifikant erhöht und die 28-Tage-Mortalität steigt – verglichen mit 29 % bei initial adäquater Therapie – auf 54 % an [17]. Da die inadäquate Erstlinienantibiotikatherapie bei nachgewiesener bakterieller Infektion die 90-Tage-Mortalität im ACLF um > 50 % erhöht, wird als Initialtherapie eine breite antimikrobielle Therapie mit Abdeckung der MRE empfohlen [4]. Nach anfänglicher Isolierung des auslösenden Erregers ist eine frühzeitige Therapiedeeskalation entscheidend, um den antimikrobiellen Selektionsdruck und somit das Auftreten von MRE zu minimieren [20]. Daher sollten bei jedem Patienten mit klinisch vermuteter bakterieller und auch fungaler Infektion entsprechende Kulturen und Blutkulturen asserviert werden [15].
Die SAH stellt den zweithäufigsten Auslöser des ACLF dar [4]. Klinische Therapieansätze der SAH sind bislang auf den Einsatz von Kortikosteroiden limitiert, die zwar die Kurzzeitmortalität reduzieren, auf den langfristigen Verlauf jedoch keinen Einfluss haben. Zu spezifischeren Therapien der SAH beim ACLF liegen bisher nur vorläufige Daten vor. Bei direkter Leberschädigung durch Hepatitis-B-Reaktivierung kann mittels antiviraler Medikamente ebenfalls spezifisch angesetzt werden.
Klinische Therapieansätze der SAH sind auf den Einsatz von Kortikosteroiden limitiert
Patienten mit ACLF und GI-Blutung profitieren signifikant von einem präemptiven TIPS (pTIPS) verglichen mit ACLF-Patienten und Blutungsanamnese ohne pTIPS (42-Tage-Mortalität: 13,6 % vs. 51,0 %, 1‑Jahres-Mortalität: 22,7 % vs. 56,5 %, p = 0,002; [22]). Diese Beobachtungen sind mit älteren Daten vereinbar, nach denen ein pTIPS das Überleben von schwer dekompensierten Patienten mit Varizenblutung und Child-C-Score bis 13 Punkte signifikant verbessert [2527].

Klinisches Management

Das klinische Management des ACLF besteht in der Therapie begleitender Organversagen. Im Rahmen der intensivmedizinischen Therapie der ACLF-assoziierten Organversagen kann eine kreislaufunterstützende Therapie mit Katecholaminen, bei respiratorischer Verschlechterung eine High-flow-Therapie oder sogar Intubation notwendig sein [28].
Das häufigste Organversagen im ACLF stellt mit etwa 50 % das akute Nierenversagen (acute kidney injury, AKI) dar [1]. Es wird zur Therapie des AKI nach Ausschluss anderer Ursachen und Absetzten aller nephrotoxischen Substanzen eine Plasmaexpansion mit Humanalbumin empfohlen [15]. Bei fehlendem Ansprechen und klinischem Anhalt für ein hepatorenales Syndrom erfolgt die Therapie entsprechend der aktuellen Leitlinie mit Humanalbumin und Terlipressin [29]. Bei refraktärem oder lebensbedrohlichem AKI kann eine Dialyse notwendig werden. Für extrakorporale Leberunterstützungssysteme im ACLF, wie Albumindialyse („molecular adsorbents recirculating system“, MARS) und fraktionierte Plasmaseparation und -adsorption (Prometheus-System, Fresenius Medical Care, Hof an der Saale, Deutschland), konnte in multizentrischen randomisierten Studien bisher kein eindeutiger Überlebensvorteil nachgewiesen werden [30, 31]. Interessanterweise ergab eine Subgruppenanalyse der PROMETHEUS-Studie einen Überlebensvorteil von Patienten mit einem MELD > 30. Es muss allerdings einschränkend festgehalten werden, dass diese Studien aus den Jahren 2012 und 2013 vor Konsensus der aktuellen Definition des ACLF gemäß European Association for the Study of the Liver (EASL) – Chronic Liver Failure (CLIF) durchgeführt worden sind. In einer neueren Metaanalyse konnte bei ACLF-Patienten mit einer intensivierten MARS-Therapie ein signifikanter Überlebensvorteil gezeigt werden [32]. Es ist anzunehmen, dass extrakorporale Leberunterstützungssysteme als supportive Verfahren oder zur Überbrückung bis zur Lebertransplantation („briding to transplant“) eine Rolle in der Therapie des ACLF einnehmen werden.
Das akute Nierenversagen stellt das häufigste Organversagen im ACLF dar
Im Rahmen der multizentrischen randomisierten GRAFT-Studie sollte der Effekt des granulozytenkoloniestimulierende Faktors (G-CSF) als stamm- und immunzellmobilisierender Mediator im ACLF untersucht werden [33]. Die GRAFT-Studie musste allerdings vorzeitig geschlossen werden, da sich in der Interimsanalyse keine Verbesserung des ACLF-Schweregrads oder des Überlebens zeigte [34]. Ausgehend von den weitreichenden Implikationen der systemischen Inflammationshypothese werden aktuell verschiedene Therapiestrategien in ACLF-Patienten untersucht.
Es sollte zudem frühzeitig eine Vorstellung an einem Lebertransplantationszentrum erfolgen [15]. Die Lebertransplantation (LTX) stellt die definitive und sicherlich beste Therapie der dekompensierten Leberzirrhose dar. Es gibt bis heute allerdings keinen Konsensus in der spezifischen Priorisierung für ACLF-Patienten. Es konnte gezeigt werden, dass Patienten mit ACLF Grad 3 auf der LTX-Warteliste eine höhere Mortalität aufweisen als Patienten mit akutem Leberversagen. In einer kürzlich veröffentlichten Studie konnte zudem gezeigt werden, dass Patienten mit ACLF Grad 3 einen deutlichen Überlebensvorteil nach Lebertransplantation haben [35].

Fazit für die Praxis

  • Die akute Dekompensation(AD) ist die Hauptursache für Morbidität und Mortalität bei Patienten mit Leberzirrhose.
  • Sie kann verschiedene Verläufe haben, wobei die stabile dekompensierte Zirrhose die mildeste und das akut-auf-chronische Leberversagen (ACLF) die schwerwiegendste und tödlichste Form sind.
  • Die 3‑Monats-Mortalität des ACLF liegt bei 51 %. In Abwesenheit von Organversagen bestimmen das Ausmaß der portalen Hypertension und systemische Inflammation den Krankheitsverlauf.
  • Wissenschaftliche Anstrengungen sollten sich u. a. darauf richten, die klinische Versorgung der AD zu stratifizieren, zu individualisieren und standardmäßige Therapieregime für häufig beobachtete AD-Konstellationen zu etablieren.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

P. Ferstl, M. Schulz und J. Trebicka geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
2.
26.
Zurück zum Zitat Gerbes A, Labenz J, Appenrodt B et al (2019) Aktualisierte S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) „Komplikationen der Leberzirrhose“. Z Gastroenterol 57:611–680CrossRef Gerbes A, Labenz J, Appenrodt B et al (2019) Aktualisierte S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) „Komplikationen der Leberzirrhose“. Z Gastroenterol 57:611–680CrossRef
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Zurück zum Zitat Bañares R, Ibáñez-Samaniego L, Torner JM et al (2019) Meta-analysis of individual patient data of albumin dialysis in acute-on-chronic liver failure: focus on treatment intensity. Therap Adv Gastroenterol 12:1756284819879565CrossRef Bañares R, Ibáñez-Samaniego L, Torner JM et al (2019) Meta-analysis of individual patient data of albumin dialysis in acute-on-chronic liver failure: focus on treatment intensity. Therap Adv Gastroenterol 12:1756284819879565CrossRef
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Metadaten
Titel
Akute Dekompensation und akut-auf-chronisches Leberversagen
Neues zur den Verlaufsformen der dekompensierten Leberzirrhose
verfasst von
Dr. med. P. G. Ferstl
Dr. med. M. Schulz
Prof. Dr. med. J. Trebicka, PhD
Publikationsdatum
08.04.2021
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Gastroenterologie / Ausgabe 3/2021
Print ISSN: 2731-7420
Elektronische ISSN: 2731-7439
DOI
https://doi.org/10.1007/s11377-021-00520-8

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