Die Einführung der Mistel (Viscum album L.) in die Krebstherapie im Jahre 1921 geht zurück auf Rudolf Steiner. Aufgrund von ihm angeblich intuitiv erfasster „lichthaft-geistiger“ Qualität postulierte er sie als „kausales“ Heilmittel, dessen Anwendung ohne Bezug zu materiellen Inhaltsstoffen in ein anthroposophisches Gesamtkonzept einzubetten sei. Arzneirechtlich profitieren solche Extrakte in der Prüfung auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit im Rahmen der Sonderregelung für „Besondere Therapierichtungen“ von beachtenswerten Erleichterungen. So ist ein allgemein anerkannter Nachweis der klinischen Wirksamkeit von Mistelpräparaten bisher nicht dokumentiert (L. Edler (2004) Dtsch. Ärztebl. 101:A44–49). Mit der jüngst erfolgten Einführung wirkstoffbezogener Präparate stellen sich zudem vermehrt Fragen zur Unbedenklichkeit. Das Lektin der Mistel wirkt in der Dosierung von 1–2 ng/kg Körpergewicht als potenter Immunmodulator. Präklinische Untersuchungen in vitro und in vivo belegen jedoch in mehreren Modellsystemen ein Risiko dieser Lektinanwendung, d. h. Stimulation von Tumorproliferation. Zudem wird aufgrund neuerer Literatur deutlich, dass Zytokine, deren Verfügbarkeit lektinabhängig erhöht sein kann, auch als Wachstumsfaktoren von Tumorzellen fungieren. Diese Ergebnisse bedeuten: lektinbezogene Mistelanwendung ist eine experimentelle Therapieform. Da die Patientensicherheit nicht gefährdet werden darf, sind sie relevant für die ethische Beurteilung der Planung einer klinischen Prüfung und die unkontrollierte Anwendung.