Verordnung von L-Thyroxin oft nicht durch Evidenz gestützt?

Die Verordnungen von Schilddrüsenhormonen haben in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt, bei stabiler Prävalenz der Hypothyreose. Läuft da etwas schief? Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Ausweislich der Zahlen im Arzneiverordnungsreport 2022 zeigt sich bei den definierten Tagesdosen an verordneten Schilddrüsenhormonen ein Anstieg um 40% im Vergleich mit dem Jahr 2010. Demgegenüber liegt die Prävalenz der Hypothyreose, meist verursacht durch eine Hashimoto-Thyreoiditis, relativ stabil bei 0,5–1%. Ältere Erhebungen der Techniker Krankenkasse hatten jedoch gezeigt, dass etwa in Rheinland-Pfalz mehr als 6% der Erwerbstätigen Schilddrüsenhormone erhielten. Andernorts ist die Entwicklung ähnlich, wie eine Arbeitsgruppe um Ivan Ayala von der Mayo-Klinik in Rochester berichtet. Auch in den USA zählt Levothyroxin zu den meistverschriebenen Präparaten, schätzungsweise 7% der Bürger stehen unter einer entsprechenden Verordnung. Ayala und sein Team interessierten sich deshalb dafür, wie häufig die Rezepte für L-Thyroxin aus unangemessenen Gründen ausgestellt werden. Vergleichswerte fehlen oft In die retrospektive Studie wurden knapp 1000 Teilnehmer mit L-Thyroxin-Verordnungen aufgenommen, im Mittel 55 Jahre alt, zu 69% handelte es sich um Frauen, 44% wiesen mögliche Symptome einer Hypothyreose auf. Bei genauerem Hinsehen erwiesen sich 54% der L-Thyroxin-Verordnungen als nicht evidenzbasiert. Inadäquate Rezepte wurden am häufigsten aufgrund eines einzelnen TSH-Wertes unter 10 mU/l ausgestellt, ohne dass ein erhöhter oder überhaupt ein Vergleichswert und ein T4-Wert vorgelegen hätten. Das wäre auch nach deutschen Maßstäben nicht adäquat. So heißt es in der (in Überarbeitung befindlichen) Leitlinie der DEGAM zu erhöhten TSH-Werten in der Hausarztpraxis: „Bei Erstbefund eines Serum-TSH-Spiegels von > 4,0 und ≤ 10,0 mU/l und unauffälligen anamnestischen Befunden sollte zunächst eine Wiederholungsmessung des TSH-Wertes unter Beachtung der Einflussfaktoren zur Verifizierung des Erstergebnisses erfolgen.“ Zur Abklärung gehört eine fT4-Messung. 31% der Levothyroxin-Verordnungen wurden als adäquat eingestuft, wobei eine offenkundige Hypothyreose die häufigste Indikation darstellte. Bei den übrigen Verordnungen blieb offen, ob es sich um adäquate oder inadäquate Verschreibungen handelte, wobei meist eine nicht bestätigte subklinische Hypothyreose mit TSH-Werten von mindestens 10 mU/l vorlag. Mit inadäquaten L-Thyroxin-Verordnungen assoziiert waren in der multivariablen Analyse weibliches Geschlecht und von Allgemeinärzten ausgestellte Rezepte. „Unsere Analyse legt nahe, dass ein beträchtlicher Anteil des rezeptierten Levothyroxins nicht evidenzbasiert verordnet wird“, schreiben Ayala et al. Weitere Forschung sei erforderlich, um diese Ergebnisse zu replizieren, aber auch, um die Sichtweise der Verordner und der Empfänger von Levothyroxin zu ergründen, einschließlich weiterer Faktoren, die womöglich eine Erklärung für die nicht adäquate Verschreibungspraxis liefern. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie häufig wird Levothyroxin nicht evidenzbasiert verordnet? Antwort: In der vorliegenden Studie haben sich mehr als die Hälfte der L-Thyroxin-Verordnungen als inadäquat erwiesen. Bedeutung: Inadäquate Rezepte wurden am häufigsten aufgrund eines einzelnen TSH-Wertes unter 10 mU/l ausgestellt, ohne einen erhöhten oder überhaupt einen Vergleichswert und ohne einen T4-Wert. Einschränkung: Die Studie war retrospektiv angelegt, ein Selektions- und Erhebungsbias ist nicht auszuschließen.

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