Anamnese

Eine 46-jährige Patientin stellte sich mit seit dem 18. Lebensjahr rezidivierenden Episoden einer Alopecia areata totalis vor, die vor einem halben Jahr in eine Alopecia areata universalis übergegangen sei.

Multiple Therapien mit Glukokortikosteroid-haltigen Externa seien erfolglos geblieben. Bis dato seien keine weiteren topischen Behandlungen, wie beispielsweise mit Diphenylcyclopropenon, oder Systemtherapien mit Prednisolon/Dexamethason, eingeleitet worden.

Begleitend bestehe eine schwere atopische Dermatitis am gesamten Integument mit starkem, den Schlaf deutlich einschränkenden Juckreiz. Diese sei in rezidivierenden Schüben seit der frühen Kindheit bekannt.

Weitere Begleiterkrankungen seien eine Hypothyreose sowie eine chronische Sinusitis.

Dauermedikation: Substitution von L‑Thyroxin, Selen, Zink und Vitamin D3, Einnahme von Antihistaminika.

Befund

Bei Erstvorstellung zeigte sich das gesamte Integument inklusive der Partie der Augenbrauen, der Wimpern und des Intimbereichs haarlos (Abb. 1). Des Weiteren fanden sich am kompletten Integument mit Betonung der großen Gelenkbeugen multiple erythematöse, teilweise stark kratzexkoriierte Papeln und Plaques. Außerdem zu sehen waren eine starke Lichenifikation und positive Atopiestigmata, wie z. B. eine Dennie-Morgan-Falte und eine ausgeprägte Xerosis cutis. Im Bereich der Fingernägel präsentierten sich multiple Tüpfel. Insgesamt betrug der SCORAD 60, der DLQI 24.

Abb. 1
figure 1

Alopecia areata totalis

Diagnostik

Auflichtmikroskopisch zeigte sich eine reizlose Kopfhaut mit vorhandenen Follikelöffnungen. Da es sich sowohl bei der Alopecia areata als auch bei der atopischen Dermatitis im weitesten Sinne um eine Blickdiagnose handelt, wurde in diesem Fall auf eine Probebiopsie zur histopathologischen Untersuchung verzichtet.

Laborchemisch zeigten sich bei den bestimmten Routineparametern (Elektrolyte, Nieren‑, Leber- und Schilddrüsenwerte, kleines Blutbild, Differenzialblutbild) keine Auffälligkeiten.

Therapie und Verlauf

Aufgrund der schweren atopischen Dermatitis leiteten wir umgehend eine Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Dupilumab ein. Er blockiert die α‑Untereinheit des IL(Interleukin)-4-Rezeptors und unterbindet die Signalkaskade von IL‑4 und IL-13. Dies führt zu einer reduzierten Th2-Immunantwort [1].

Als topische Begleittherapie erhielt die Patientin Mometasonfuroat-haltige Externa für die betroffenen ekzematösen Körperstellen. Initial wurde Dupilumab in einer Dosierung von 600 mg s.c. verabreicht, im Anschluss 300 mg s.c. alle 14 Tage.

Bereits 6 Wochen nach der ersten Dupilumab-Gabe zeigte sich ein Haarwachstum im Bereich des Kapillitiums und des Gesichts (Abb. 2a,b). Die Haare waren teils depigmentiert, teils bräunlich pigmentiert. Wenig später präsentierten sich feine, dunkel pigmentierte Haare an beiden Unterschenkeln. Weitere 10 Wochen später zeigte sich ein deutlicher, flächiger Haarwuchs mit nur noch wenigen haarlosen Arealen (Abb. 3). Zu dieser Zeit lag der SCORAD bei 8,5 und der DLQI bei 5.

Abb. 2
figure 2

a Tangentialaufnahme vom Kapillitium. Multiple pigmentierte und depigmentierte Haare. b Pigmentierte Haare im Bereich von Augenbrauen und Wimpern

Abb. 3
figure 3

Flächiges Haarwachstum 16 Wochen nach Einleitung von Dupilumab

Bis auf eine leichte Konjunktivitis, die sich mit Tränenersatzmittel erfolgreich behandeln ließ, hatte die Patientin keine Nebenwirkungen und verträgt das Medikament bis dato hervorragend.

Bezüglich der atopischen Dermatitis ist anzumerken, dass die Patientin bereits 14 Tage nach Einleitung von Dupilumab einen deutlichen Rückgang des Juckreizes und wenig später auch des Ekzems verspürte und keine Ein- bzw. Durchschlafstörungen mehr aufwies.

Aktuell pflegt die Patientin intensiv mit rückfettenden Externa mehrmals täglich und kann auf topische Glukokortikosteroide verzichten.

Kommentar

Unter einer Alopecia areata versteht man einen akut einsetzenden, entzündlich bedingten, symptomlosen, meistens kreisrund beginnenden Haarausfall, bei dem die Haarfollikel intakt bleiben ohne zu vernarben. Männer und Frauen sind in etwa gleich häufig betroffen. Ein Häufigkeitsgipfel wird in der zweiten und dritten Lebensdekade beobachtet [2]. Die häufigste Lokalisation ist das Kapillitium. Hier reicht die Vielfalt der Erkrankung von einem oder mehreren solitären haarlosen Arealen (Alopecia areata localisata) über den kompletten Verlust der Kopfbehaarung (Alopecia areata totalis) bis hin zum kompletten Verlust der Körperbehaarung (Alopecia areata universalis). Die Alopecia areata ist auch ohne therapeutische Interventionen bei leichter Ausprägung meist reversibel.

Eine kausale Therapieoption gibt es bis dato nicht. Therapieversuche können von topischen bzw. intraläsionalen Glukokortikosteroiden, topischem Diphenylcyclopropenon (DCP) oder Dithranol über systemische Glukokortikosteroide bis hin zu Glukokortikosteroid-Stoßtherapien reichen. Ausgeprägte Befunde zeigen sich dabei häufig therapierefraktär.

Die Alopecia areata weist eine Lebenszeitinzidenz von etwa 2,1 % auf [3].

Die Ätiologie ist bis heute noch nicht vollständig verstanden. Neben möglichen autoimmunologischen Ursachen, infektallergischen oder auch psychischen Faktoren wird ein vermehrtes Auftreten bei atopischer Diathese beobachtet [2]. Durch den Verlust des Immunprivilegs kommt es zu einem autoimmunvermittelten Angriff des Haarfollikels [2]. Da auch hierbei die IL-4- und IL-13-vermittelteTh2-Immunantwort eine Rolle spielt, liegt der immunologische Bezug zur atopischen Dermatitis und gleichzeitig zur Wirkung des Antikörpers Dupilumab nahe.

In der Literatur gibt es mehrere Einzelfallberichte dazu, dass es, wie bei der hier vorgestellten Patientin, unter der Therapie mit Dupilumab zu einem Haarwachstum bei Alopecia areata gekommen ist [4, 5].

Aufgrund des bei der Alopecia areata möglichen spontan wiedereinsetzenden Haarwuchs besteht grundsätzlich die Möglichkeit eines zufälligen zeitlichen Zusammenhangs bezüglich des Haarwachstums und der Einnahme von Dupilumab.

Ein weiterer spekulativer Diskussionspunkt wäre das Auslösen der Alopecia areata durch die schwere atopische Dermatitis als spezifischer Auslöser bzw. Stressor. Durch die erfolgreiche Behandlung der ursächlichen atopischen Dermatitis komme es demnach zu einem Ausschalten des Stressors und wiederum zu einem Neuwachsen der Haare. In diesem Fall wäre der Wirkstoff Dupilumab nur indirekt für die Remission der Alopecia areata verantwortlich.

Der ebenfalls für die atopische Dermatitis zugelassene JAK-Inhibitor Baricitinib erzielte kürzlich in einer Phase-3-Studie bei Patienten mit schwerer Alopecia areata eine statistisch signifikante Verbesserung des Haarwachstums auf der Kopfhaut im Vergleich zu den Patienten, die mit Placebo behandelt wurden [6].

Fazit für die Praxis

  • Der monoklonale Antikörper Dupilumab könnte eine neue Therapieoption für Patienten mit einer Alopecia areata darstellen.

  • Patienten, die parallel eine schwere atopische Dermatitis aufweisen, könnten sogar doppelt profitieren.