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Erschienen in: Der Anaesthesist 5/2017

Open Access 28.03.2017 | Originalien

Konfliktmatrix

Instrument des Risikomanagements im Operationssaal

verfasst von: D. Andel, K. Markstaller, H. Andel

Erschienen in: Die Anaesthesiologie | Ausgabe 5/2017

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Zusammenfassung

Hintergrund

In der Wirtschaft sind Konflikte als Ursache von hohen Kosten und Leistungseinbußen lange bekannt. Bei der Prozessoptimierung im OP-Management findet dieser Aspekt noch keine Beachtung. Gerade im Bereich der Ablauforganisation im OP führen unklare Arbeitsteilungen und mangelnde Kommunikation oft dazu, dass sich die verschiedenen Berufsgruppen als „Konkurrenten“ im Umfeld der Patienten sehen, anstatt als „multiprofessionelles Team“ zu agieren. Dies führt unweigerlich zur Entstehung und zur Eskalation von Konflikten.

Fragestellung

Die von uns entwickelte Konfliktmatrix soll es ermöglichen, mit minimalem Aufwand das Ausmaß der Konflikteskalation im multiprofessionellen OP-Team objektivierbar zu erfassen.

Material und Methoden

Im Bereich eines OP-Bereiches mit 8 OP-Tischen werden alle leitenden Mitarbeitenden aufgefordert, die Konflikteskalation zwischen den einzelnen Berufsgruppen auf einer Skala von 0 bis 9 zu bewerten. Durch Aggregation der Daten wird ein Überblick über die Konfliktlandschaft des OP-Bereichs geschaffen.

Ergebnisse

Von den 11 kontaktierten Bereichen wurde von einem Bereich keine Rückmeldung übermittelt. Die grafischen Darstellungen der Median-, Minimal- und Maximalwerte der Rückmeldungen zur Einschätzung der Eskalationsstufen ermöglichen einen guten Überblick. Der Wertebereich aller Rückmeldungen liegt zwischen 0 und 6. Die Einschätzung der Eskalationsstufen ist sehr unterschiedlich, wobei Differenzen in der Einschätzung bis zu 6 Stufen vorkommen.

Diskussion

Die vorgestellte Bewertungsmethode mithilfe der Konfliktmatrix stellt hierbei eine einfache, kostengünstige Methode zur Erfassung der „Konfliktlandschaft“ – v. a. in multiprofessionellen Bereichen wie dem OP-Management – dar. Die Chance der Konfliktprävention bzw. des rechtzeitigen Erkennens bereits vorhandener Konflikte stellt eine enorme Kosten- und Zeitersparnis für die Institution dar und wirkt sich, langfristig gesehen, durch den Aufbau einer Konfliktkultur am Arbeitsplatz positiv auf Zusammenarbeit und Betriebsklima aus.
Im OP treffen unterschiedliche Persönlichkeiten, Arbeitsweisen und Meinungen aufeinander. Reibungsverluste durch Konflikte sind somit natürlich, kosten aber Arbeitszeit und Geld. Eskalierende Konflikte verschlechtern die Teamleistung und gefährden Patienten. Kostenminimierung wird im schwierigen konjunkturellen Umfeld des Gesundheitswesens immer wichtiger. Proaktives Erkennen und Deeskalieren von Konflikten beginnen mit der Erhebung der Istsituation. Es wird eine Konfliktmatrix als Instrument zum ersten Überblicken der Konfliktlandschaft im multidisziplinären Team vorgestellt.
Aufgrund der rasanten Entwicklung neuer Methoden und laufend steigender Qualitätsansprüche, die aber extrem kostenaufwendig sind, ist es zu einem explosionsartigen Ansteigen der Behandlungskosten gekommen. So kostet beispielsweise 1 min OP-Zeit ca. 25 €. Eine zusammenfassende Darstellung der Kostenentwicklung der medizinischen Behandlung in Deutschland ist in der Online-Datenbank der Gesundheitsberichterstattung des Bundes erfasst:
(http://​www.​gbe-bund.​de/​oowa921-install/​servlet/​oowa/​aw92/​WS0100/​_​XWD_​PROC?​_​XWD_​2/​1/​XWD_​CUBE.​DRILL/​_​XWD_​30/​D.​390/​43135, Zugriff November 2016). Darüber hinaus werden bei immer älteren und kränkeren Patienten operative Eingriffe durchgeführt, die vor wenigen Jahren noch gar nicht möglich waren.
Aufgrund des zunehmenden ökonomischen Drucks wird daher vom Spitalserhalter versucht, den perioperativen Behandlungsverlauf möglichst effizient zu gestalten. Hinzu kommt, dass aufgrund der Umsetzung des europäischen Arbeitszeitgesetzes in den meisten Bereichen die Personalressourcen im ärztlichen Bereich deutlich abgenommen haben, ohne dass die Organisationsstruktur entsprechend angepasst worden ist.
Vielfach soll eine Erhöhung der Behandlungsdichte durch Ausnützung von Einsparungspotenzialen mithilfe externer Beratungsfirmen zu Prozessoptimierungen erzielt werden. Insbesondere die gleichzeitige Zunahme des Dokumentationsaufwandes und steigende Patientenzahlen führen allerdings zu einer Zunahme der Personalbelastung. Dadurch steigen sowohl das Risiko, dass Fehler durch Überbelastung entstehen, als auch das Konfliktpotenzial zwischen den Berufsgruppen deutlich an.
Um Konfliktkosten transparent und nachvollziehbar darzustellen, muss zunächst das Konfliktpotenzial möglichst objektiv erfasst werden. Nur so kann ermittelt werden, ob Menschen in Unternehmen effizient zusammenarbeiten, in welchen Unternehmensbereichen Konfliktkosten anfallen, in welcher Höhe sie anfallen und wie viel Geld Unternehmen in die verbesserte Zusammenarbeit ihrer Mitarbeiter investieren sollten.
Eine qualitative Studie der österreichischen Wirtschaftskammer zur betriebswirtschaftlichen Erfassung von Konfliktkosten aus dem Jahr 2006: „Neue Wege zur Ergebnisverbesserung“ [2] kam zu der Erkenntnis, dass innerhalb der kleinen und der mittelgroßen Unternehmen der Konfliktkostenanteil etwa 19 % der Gesamtkosten ausmacht. Im Bereich der Wirtschaft werden dieser Studie zufolge 10–15 % der Arbeitszeit in jedem Unternehmen für Konfliktbewältigung verbraucht. Es werden 30–50 % der wöchentlichen Arbeitszeit von Führungskräften direkt oder indirekt mit Reibungsverlusten, Konflikten oder Konfliktfolgen verbracht. Fehlzeiten aufgrund betrieblicher Ängste und Mobbing am Arbeitsplatz belasten Unternehmen jährlich mit ca. 30 Mrd. Euro. Die Kosten pro Mobbingfall betragen im Durchschnitt 60.000 €. Fluktuationskosten, Abfindungszahlungen, Gesundheitskosten aufgrund innerbetrieblicher Konflikte belasten Unternehmen jährlich mit mehreren Milliarden Euro. Ein Prozent der jährlichen Mitarbeiterkosten geht für unverarbeitete Konflikte verloren. Circa 25 % des Umsatzes hängen von der Kommunikationsqualität ab.
Obwohl davon auszugehen ist, dass im Bereich des Gesundheitswesens die anfallenden Kosten nicht anders abzuschätzen sind, findet dieser Aspekt bei der Suche nach Einsparungspotenzialen derzeit noch keine Beachtung. Daher erscheint es sinnvoll, im Rahmen der Kostenoptimierung auch den Gesichtspunkt der potenziellen Auswirkungen der geplanten Maßnahmen auf vorhandene bzw. neu entstehende Konfliktpotenziale zu berücksichtigen.
Als erster Schritt zur Entscheidung, ob die Einführung eines unternehmensinternen Konfliktmanagementsystems sinnvoll ist, erscheint eine Istanalyse der Ausgangssituation zielführend [5]. Diese Analyse sollte mit möglichst geringem finanziellen Aufwand vom Unternehmen selbst durchführbar sein. In der vorliegenden Arbeit soll die von uns entwickelte Konfliktmatrix als Tool für eine Bewertung der Konfliktlandschaft in multiprofessionellen Arbeitsbereichen wie im OP-Bereich vorgestellt und bewertet werden.

Methodik

Als erster Schritt erfolgte eine Umfeldanalyse zu Identifikation und Funktion der beteiligten Berufsgruppen. In weiterer Folge werden die jeweils leitenden Mitarbeitenden der Berufsgruppen ersucht, eine Bewertung der Konflikteskalation zwischen allen beteiligten Berufsgruppen entsprechend der Stufeneinteilung nach Friedrich Glasl ([4]; Abb. 1) durchzuführen.
Zu bewerten waren von jeder Leitenden/jedem Leitenden sowohl die Zusammenarbeit innerhalb der eigenen untergeordneten Mitarbeitenden als auch der eigenen Abteilung mit den anderen Abteilungen sowie eine Einschätzung der Zusammenarbeit der anderen Abteilungen/Bereiche untereinander.
Als Bewertungsgrundlage wird eine Erklärung des Eskalationsschemas nach Friedrich Glasl mitübermittelt (Abb. 1; [4]). Die Konfliktstufen wurden um die Stufe 0: konfliktfreie Zusammenarbeit erweitert.
Zur Auswertung der Konfliktmatrix und zur übersichtlichen Darstellung werden jeweils der Median-, der Minimal- und der Maximalwert der Einzelbewertungen berechnet und farbcodiert dargestellt. Um die Einschätzung des Eskalationsniveaus der einzelnen Abteilungen darzustellen, werden zeilenweise aus den Medianwerten der Einschätzungen jeweils der Median-, der Minimal- und der Maximalwert errechnet und grafisch dargestellt.

Ergebnisse

Im Rahmen der Analyse der Prozessabläufe wurden folgende Personengruppen identifiziert und die jeweiligen Leitenden (z.B. Klinikleitung Anästhesie, Klinikleitung Neurochirurgie, Oberpflege Anästhesie etc.) um eine Einschätzung der Eskalationsstufe in der Zusammenarbeit ersucht: Anästhesie, Anästhesiepflege, Intensivpflege, Neurochirurg, OP-Pflege, OP-Assistenz, Radiologie, Reinigungsdienst, radiologisch technische Angestellte (RTA), Stationspflege, Transportpersonal.
Die einzelnen Bereiche sind gänzlich voneinander getrennt und unterschiedlich strukturiert und weisen unterschiedlich viele Mitarbeitende auf; beispielsweise arbeiten im Bereich 30 Neurochirurgen; vom Reinigungspersonal sind immer nur 3 Mitarbeitende vor Ort, die allerdings häufig wechseln (outgesourcter Bereich).
Von den 11 kontaktierten Bereichen wurde von einem Bereich keine Rückmeldung übermittelt. Die Medianwerte stellt Abb. 2, die Minimalwerte Abb. 3 und die Maximalwerte der Rückmeldungen zur Einschätzung der Eskalationsstufen Abb. 4 dar. Der Wertebereich aller Rückmeldungen liegt zwischen 0 und 6. Die Einschätzung der Eskalationsstufen ist sehr unterschiedlich, wobei Differenzen in der Einschätzung bis zu 6 Stufen vorkommen.
In Abb. 5 wird die Spanne der maximal rückgemeldeten Eskalationsstufen – entsprechend den Zeilen in Abb. 4 – aufgeschlüsselt nach den einzelnen Bereichen dargestellt.
Die Bereiche mit den am höchsten ausgewiesenen Eskalationsstufen sind Anästhesie (6), Anästhesiepflege (5), Neurochirurgie (6), Radiologie (6).

Diskussion

Im Bereich der Wirtschaft ist die Bedeutung von Konflikten als Kostentreiber bereits lange bekannt [1]. Vielfach werden deshalb Konfliktbearbeitungsverfahren im Prozessmanagement vorgesehen [7]. Im Bereich des Gesundheitswesens ist ein proaktives Konfliktmanagement bislang noch weitgehend unbekannt.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Zahlen im Bereich des Gesundheitswesens nicht wesentlich von denen im Wirtschaftsbereich unterscheiden. Gerade im kostenintensiven Bereich des OP-Managements, in dem zusätzlich die reibungslose Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen wesentlich für einen effizienten Ablauf des OP-Programms ist, müssen wohl hohe konfliktbedingte Kosten angenommen werden.
Unabhängig von den Methoden der Konfliktbearbeitung muss jedoch vonseiten des Krankenhausmanagements die Grundsatzentscheidung getroffen werden, ob Konflikte einzelfallorientiert/zufällig oder systematisch, institutionalisiert und zielgerichtet bearbeitet werden sollen [6].
Als erster Schritt zur Entscheidung, ob die Einführung eines unternehmensinternen Konfliktmanagementsystems sinnvoll ist, erscheint eine Istanalyse der Ausgangssituation als zielführend. Hierbei dürfte die Erstellung einer Konfliktmatrix durch die leitenden Mitarbeitenden als kostengünstiges Tool sehr gut geeignet sein, da das Ausfüllen rein nach der gefühlsmäßigen Einschätzung des Eskalationsniveaus selbst in einer komplexen Arbeitsumgebung, wie sie im OP-Bereich vorliegt (11 unterschiedliche Berufsgruppen), nicht mehr als etwa 10 min Zeit in Anspruch nimmt. Durch Übereinanderlegen der Einzelbewertungen entsteht ein Gesamtbild, das einen verlässlichen und auch visuell gut erfassbaren Überblick über das Eskalationsniveau ermöglicht.
In Abhängigkeit von der Kostenrelevanz und der Eskalationsstufe in den einzelnen Bereichen kann die Unternehmensleitung entscheiden, ob die Einführung eines systematischen Konfliktmanagements in dem Gesamtbetrieb oder auch nur in kritischen Teilbereichen sinnvoll erscheint.
Die Einschätzungen der Eskalationsstufen zwischen den einzelnen Leitenden der Bereiche divergieren teilweise erheblich. Dies wahrscheinlich deshalb, weil einige direkt im Tagesgeschäft eingebunden sind, andere – aufgrund der Größe des Gesamtbereichs – nur eine indirekte Sicht auf den Ablauf haben. Das Ausmaß der Unterschiede lässt sich anhand der Abb. 23 und 4 sehr gut abschätzen. Gerade die Einbindung dieser unterschiedlichen Sichtweisen stellt aber eine gute Grundlage für das Auffinden und das größenordnungsmäßige Bewerten von Konflikteskalationsstufen dar.
Für die weitere Bearbeitung ist die Auswertung der maximal rückgemeldeten Eskalationsstufen (Abb. 4) heranzuziehen. Dies deshalb, weil es ja ausreicht, wenn eine der betroffenen Parteien eine hohe Eskalationsstufe wahrnimmt – die einer anderen Berufsgruppe gar nicht bewusst sein muss.
Je höher die Eskalationsstufe von Konflikten ist, desto größer werden die Auswirkungen auf den Betrieb und somit auch die konfliktbedingten Kosten sein.
Demnach sollten die Konfliktbereiche mit den höchsten Eskalationsstufen vordringlich bearbeitet werden.
Als Verfahren zur Konfliktbearbeitung eignen sich neben der Mediation auch Supervision, Coaching, Moderation sowie Teamentwicklungsverfahren. Diese Verfahren überlappen sich vom Zugang her ([9]; Abb. 6).
Naturgemäß kann nicht jedes Verfahren in jeder Eskalationsstufe eingesetzt werden. In der Literatur werden die Moderation als geeignete Vorgehensweise bis Konfliktstufe 3, die Mediation in den Stufen 2–6 (7) und ab Stufe 6 der Eingriff einer Machtinstanz zur Deeskalation angegeben [3].
Da die vorliegende Auswertung ja nur eine Einschätzung der Eskalationsstufe, nicht aber Auskunft über die zugrunde liegenden Konflikte gibt, wären diese im Rahmen der Konfliktbearbeitung zunächst zu explorieren. Dies deshalb, weil die Behandlung der aktuellen Konflikte stets obenauf liegt. Erst durch eine Deeskalation entsteht die notwendige Ruhe für ein weiteres Handeln auf tieferen Eingriffsebenen. Zudem eskalieren unbearbeitete Konflikte weiter, auch wenn ihre tieferen Ursachen beseitigt sind. Das liegt in der Dynamik des Geschehens zwischen den Konfliktparteien. Ganz gleich, wie es um den Konfliktgegenstand selbst bestellt ist – bei Vorliegen eines hohen Eskalationsniveaus – fügen die Konfliktbeteiligten einander immer mehr Kränkungen zu (Verweigerung der Anerkennung, öffentliche Bloßstellung, Drohungen); das muss bearbeitet werden, da sonst eine gute Qualität der Zusammenarbeit nicht mehr herstellbar ist.
Wie bereits oben ausgeführt, ist die verwendete Methodik lediglich geeignet, einen Überblick zu schaffen und „Brennpunkte“ zu erkennen, an denen dann eine nähere Exploration stattfinden muss. Allerdings wird wohl davon auszugehen sein, dass die Bereiche mit den am höchsten ausgewiesenen Eskalationsstufen als „Player“ und Bereiche mit niedrigen Werten als „Beobachter“ einzustufen sein werden.
In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die mit hohen Eskalationsstufen ausgewiesenen Bereiche unmittelbar an dem Prozess der täglich erfolgenden Anpassung des geplanten OP-Programms an den sich dann tatsächlich entwickelnden Ablauf der durchgeführten Operationen mitbestimmend beteiligt sind. Bereiche mit niedrigem Eskalationsniveau sind entweder nicht unmittelbar betroffen (z. B. Intensivpflege) oder nehmen keinen Einfluss auf das OP-Programm (z. B. Reinigungsdienst).
Deshalb deuten die empfundenen höheren Eskalationsstufen bei den ablaufrelevanten Berufsgruppen darauf hin, dass die derzeitige Organisation des Ablaufs entscheidend an der Eskalation beteiligt ist. Bekannte Faktoren aus dem Bereich des Konfliktmanagements sind hierbei „Überregulierung und Unterregulierung der Organisation“. Hierbei ist zu beachten, dass das Ausmaß der Regulierung individuell auf die aktuelle Situation des Bereichs abzustimmen ist. Im Rahmen der Entwicklung einer Unternehmens-/Konfliktkultur ändert sich auch der Regulationsbedarf. Was in der einen Entwicklungsphase als Überregulierung erscheinen würde, kann in der nächsten Entwicklungsphase bereits deutlich als Unterregulierung gesehen werden – und später wiederum als Überregulierung.
Mögliche weitere bekannte Konfliktursachen in Organisationen sind: starre hierarchische Ebenen, unklare Kompetenzbereiche, zu hohe oder zu geringe Anforderungen, Personalmangel, eine kaum oder nichtvorhandene Konflikt- und damit Arbeits- und Unternehmenskultur. All diese Rahmenbedingungen liegen häufig im OP-Bereich vor.
Die Ausweitung knapper Ressourcen stellt eine in der Wirtschaft als effektiv bekannte sachbezogene Maßnahme dar. Auseinandersetzungen um knappe Mittel gehören zu den häufigsten Konfliktursachen. Wenn der Engpass beseitigt wird, dann wird dem Konflikt die Grundlage entzogen, weil sich die wechselseitige Abhängigkeit verringert. Dies kann beispielsweise durch Umzug in größere Räumlichkeiten geschehen, wenn Platzmangel die Ursache war oder durch Einstellung zusätzlicher Sekretariatskräfte, wenn die Back-Office-Unterstützung nicht ausreichend war.
Aus den erhobenen Daten lässt sich nicht ableiten, ob organisatorische Ursachen zugrunde liegen. Dies zu evaluieren, wäre dann eine Teilaufgabe der Konflikterhellung.
Mögliche Hinweise für das Vorliegen einer Dysregulierung wären Diskussionen über den Ablauf des OP-Programms (z. B. Umlagerungs-, Wartezeiten, Beginn und Ende des OP-Betriebs, Reihenfolge der Operationen) innerhalb des multidisziplinären Teams. Neben der Schaffung klarer, an den Bereich angepasster Regelwerke wären auch eine Kontrolle der Einhaltung sowie Konsequenzen einer mangelnden Compliance wesentliche Kriterien einer Verringerung von systemimmanenten Konfliktauslösern. Idealerweise sollte der erste Schritt der Auswertung der Compliance im Team selbst erfolgen – anfänglich, aufgrund der bestehenden hohen Eskalationsstufe, in einem mediator-/moderatorbegleiteten Prozess.
Bei einem solchen Vorgehen würden Mediation bzw. mediative Techniken als Instrument der Organisationsentwicklung eingesetzt werden. Jenseits der Einsparung von Konfliktkosten wären durch ein solches Vorgehen die Optimierung des OP-Programmablaufs und v. a. die Entwicklung einer Konfliktkultur zu erzielen.
Zudem besteht hier eine enge – nichtaufzulösende – Verknüpfung mit dem (im Gesundheitsbereich verpflichtenden) Qualitäts- und Risikomanagement. Dies lässt sich allein aus den Erkenntnissen: „nur zufriedene Mitarbeitende leisten gute Arbeit“ und „Konflikte führen zu einer Verschlechterung der Ergebnisqualität“ – umgelegt auf den OP-Betrieb zu einer Erhöhung des OP-Risikos für die Patienten – ableiten.
Demnach sollte – gerade im Bereich des Gesundheitswesens – bei der Erstellung von Prozessabläufen im Rahmen des Qualitäts- und Risikomanagements die systematische Einbindung eines angepassten Konfliktmanagements beachtet werden. Die Prozesse der Konfliktbearbeitung sollten hierbei dokumentiert und systematisch gesteuert werden. Beispielhaft könnten folgende Elemente eines differenzierten Prozessmanagements als Kriterien herangezogen werden:
  • Definition der Ziele der Konfliktbearbeitung,
  • Definition der konkreten Auslöser für die Konfliktbearbeitung,
  • Beschreibung der notwendigen Prozessschritte,
  • Festlegung der verantwortlichen Akteure,
  • Definition und Dokumentation von Kriterien zur Auswahl von Konfliktbearbeitungsverfahren,
  • Existenz von Aus- und Durchführungshinweisen zur angemessenen Vorgehensweise,
  • Existenz von Regeln zur Dokumentation der Konfliktfälle und zum Umgang mit Dokumenten,
  • Existenz von Regeln zur Evaluierung: Festlegung der Indikatoren zur Messung von Effektivität (Grad der Zielerreichung) und Effizienz (Verfahrenskosten und Verfahrensdauer) der Konfliktbearbeitung.
Ein weiterer wichtiger Faktor im Rahmen eines proaktiven Konfliktmanagements ist die Schulung der Führungskräfte und der Mitarbeitenden zu den Themen Konfliktmanagement und lösungsorientierte Kommunikation und Konfliktlösung, wobei neben grundlegendem Wissen über Kommunikation Werkzeug für positive, kompetente Konfliktarbeit mitgeben werden sollten [8]. Innerbetriebliche Maßnahmen wie Beschwerde- und Konfliktmanagement sollten den Fokus daher nicht nur auf Patienten und Angehörige richten, sondern speziell auch auf die Mitarbeitenden.

Fazit für die Praxis

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass gerade im Gesundheitsbereich eine regelmäßige Konfliktanalyse zum Qualitätsstandard gehören sollte. Die vorgestellte Bewertungsmethode mithilfe der Konfliktmatrix stellt hierbei eine einfache, kostengünstige Methode zur Erfassung der „Konfliktlandschaft“ – v. a. in multiprofessionellen Bereichen wie dem OP-Management – dar. Die Chance der Konfliktprävention bzw. des rechtzeitigen Erkennens bereits vorhandener Konflikte stellt eine enorme Kosten- und Zeitersparnis für die Institution dar und wirkt sich, langfristig gesehen, durch den Aufbau einer Konfliktkultur am Arbeitsplatz, positiv auf Zusammenarbeit und Betriebsklima aus. Gerade im kostenintensiven Bereich des OP-Managements sollte daher ein systematisches Konfliktmanagement als Instrument des Qualitätsmanagements implementiert werden.
Open access funding provided by Medical University of Vienna.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

D. Andel, K. Markstaller und H. Andel geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.

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Literatur
3.
Zurück zum Zitat Glasl F (2004) Das Kontingenz-Modell der Konfliktbehandlung. Perspekt Mediat 2:82–87 Glasl F (2004) Das Kontingenz-Modell der Konfliktbehandlung. Perspekt Mediat 2:82–87
4.
Zurück zum Zitat Glasl F (2004) Konfliktmanagement: Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater, 8. Aufl. Freies Geistesleben, Stuttgart Glasl F (2004) Konfliktmanagement: Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater, 8. Aufl. Freies Geistesleben, Stuttgart
9.
Zurück zum Zitat Proksch S (2014) Konfliktmanagement im Unternehmen. Springer, Berlin, HeidelbergCrossRef Proksch S (2014) Konfliktmanagement im Unternehmen. Springer, Berlin, HeidelbergCrossRef
Metadaten
Titel
Konfliktmatrix
Instrument des Risikomanagements im Operationssaal
verfasst von
D. Andel
K. Markstaller
H. Andel
Publikationsdatum
28.03.2017
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Anaesthesiologie / Ausgabe 5/2017
Print ISSN: 2731-6858
Elektronische ISSN: 2731-6866
DOI
https://doi.org/10.1007/s00101-017-0295-3

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