Erschienen in:
01.03.2011 | Leitthema
Pathophysiologische Grundlagen der chirurgisch-bedingten Sepsis
verfasst von:
Prof. Dr. B. Vollmar
Erschienen in:
Die Chirurgie
|
Ausgabe 3/2011
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Zusammenfassung
Infektionen und Traumata, einschließlich operativer Eingriffe, rufen eine systemische inflammatorische Antwort des Organismus hervor. Diese Immunantwort muss fein abgestimmt und genau geregelt werden, da sowohl eine zu geringe als auch eine überschießende Reaktion zu einer erhöhten Mortalität führen kann. Aktivierte Rezeptoren des angeborenen Immunsystems („pattern-recognition receptors“, PRRs) erkennen sog. „damage-associated molecular patterns“ (DAMPs), d. h. spezifische Strukturmotive exogener Pathogene („pathogen-associated molecular patterns“, PAMPs) und endogener zelldebrisassoziierter Pathogene (Alarmine), und können dabei zu einer überschießenden Immunantwort führen. Letztere ist durch ein komplexes Wechselspiel von Zytokinen und Chemokinen, amplifizierende Interaktionen der Gerinnungs-, Komplement- und Entzündungskaskade sowie die Kommunikation von Zellen des angeborenen und erworbenen Immunsystems charakterisiert. Das pathophysiologische Hauptereignis bei der Sepsis ist der Übergang vom anfänglichen hyperentzündlichen Zustand in die Immunparalyse und die zelluläre Anergie mit einer hohen Suszeptibilität der Patienten für sekundäre Infektionen und protrahierte Organschäden. Eine mit dem chirurgischen Trauma per se verbundene Immundysfunktion erhöht das Risiko einer Sepsis mit einem aggravierten Verlauf. Die Immunosuppression wird durch die massive Apoptose von Lymphozyten und dendritischen Zellen, die reduzierte HLA-DR-Expression und das verstärkte Vorliegen von negativ kostimulatorischen Molekülen vermittelt. Neben der Zunahme der T-Zellzahl kommt es zur Verschiebung vom entzündlichen Th1-Phänotyp zu einem antiinflammatorischen Th2-Phänotyp mit der Produktion von Interleukin-10. Weitere Schlüsselmediatoren der Sepsis sind HMGB1, MIF und der Komplementfaktor C5a. Durch die Identifizierung zentraler pathomechanistischer Ereignisse, wie z. B. die Immundysbalance, die Neuroimmunmodulation über den cholinergen antiinflammatorischen Reflex und die komplexe Interaktion von Gerinnung, Entzündung und Komplementkaskade besteht jetzt die Möglichkeit, neuartige Therapeutika zu entwickeln, welche eher die Modulation und weniger die Inhibition der Wirtsreaktion zum Ziel haben.