Erschienen in:
01.04.2007 | Phoniatrie und Pädaudiologie
Die „Münsteraner Klassifikation“
Eine neue Einteilung der Hochtonschwerhörigkeit nach Cisplatingabe
verfasst von:
Dr. C.-M. Schmidt, E. Bartholomäus, D. Deuster, A. Heinecke, A. G. Dinnesen
Erschienen in:
HNO
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Ausgabe 4/2007
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Zusammenfassung
Hintergrund
Geringgradige Hörverluste im Hochtonbereich nach Cisplatingabe belegen eine ototoxische Wirkung, auch wenn der Hörverlust klinisch nicht relevant ist. Für wissenschaftliche Fragestellungen, z. B. die Abhängigkeit der Cisplatin-Ototoxizität von Therapieregime, Begleitmedikation oder individueller Toleranz sind eine Früherfassung der ototoxischen Schädigung und eine Klassifikation bezüglich Ausmaß und betroffener Frequenzbereiche im Therapieverlauf von grundlegender Bedeutung. Die Literaturrecherche ergab neben der WHO-Einteilung (1991) der klinisch relevanten Hörstörungen die Einteilungen der Hochtonschwerhörigkeit nach Khan et al. (1982) und Brock et al. (1991). Ihre Anwendbarkeit für wissenschaftliche Fragestellungen wurde im Vergleich mit einer eigenen Klassifikation untersucht.
Patienten und Methoden
Anhand von 55 Patienten (32 Jungen, 23 Mädchen), die von 1999 bis 2004 an der Universitätsklinik Münster mit Cisplatin therapiert wurden, entwickelten wir eine Klassifikation, die den ototoxischen Frühschäden und der Verlaufsbeobachtung von Ausmaß und Frequenzen des Hörschadens gerecht wird. In Anlehnung an die WHO-Klassifikation, jedoch unter Einbezug des Hochtonbereichs ab 4 kHz, wird eingeteilt: Grad 0 (keine Schädigung) beinhaltet Hörverluste bis 10 dB, Grad 1 (beginnende Schädigung) umfasst Hörverluste >10–20 dB bei mindestens einer Frequenz oder Tinnitus. Grad 2 (mäßige Schädigung) beinhaltet Hörverluste ab 4 kHz >20 dB und unterteilt weiter in 2a (>20 bis 40 dB), 2b (>40 bis 60 dB) und 2c (>60 dB). Die Einteilung des Hörverlusts <4 kHz >20 dB in Grad 3 (Beeinträchtigung, kompensierbar mit Hilfsmitteln) erfolgt analog Grad 2 in a, b und c. Grad 4 (Funktionsausfall) umfasst mittlere Hörverluste <4 kHz ab 80 dB. Diese Klassifikation wird mit den Einteilungen nach Khan et al. und Brock et al. verglichen.
Ergebnisse
Für die Früherkennung der Ototoxizität ist unsere Klassifikation besser geeignet als die anderen Einteilungen: Alle Kinder, die nach Therapie einen Hörverlust ab 20 dB aufwiesen, hatten nach unserer Einteilung zuvor auffällige Verlaufsaudiogramme gezeigt. Alle Kinder mit nach unserer Klassifikation auffälligen Verlaufsaudiogrammen entwickelten bis zum Therapieabschluss einen entsprechenden Hörverlust. Die Münsteraner Klassifikation beurteilte somit Verlaufsaudiogramme hinsichtlich der Vorhersage eines Hörverlusts (nach Therapieabschluss, ab 20 dB) mit einer Sensitivität, Spezifität und Effizienz von 1. Hörverschlechterungen im Behandlungsverlauf bildete die Münsteraner Klassifikation bei 45 Patienten (Khan et al. 30 und Brock et al. 38) ab. Damit zeigt sie auch für die Verlaufsbeurteilung eine bessere Eignung als die anderen Klassifikationen.
Schlussfolgerung
Unsere Einteilung ist als Grundlage für wissenschaftliche Untersuchungen zur Cisplatin-Ototoxizität geeignet. Sie ist hinsichtlich der Früherkennung der Ototoxizität und der Darstellung von Hörverschlechterungen besser geeignet als die bestehenden Einteilungen der Hochtonschwerhörigkeit (Khan et al. und Brock et al.).