Eine onkologische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter stellt trotz beeindruckender Überlebenszahlen eine enorme Herausforderung für die PatientInnen und deren Familien dar. Die existenzielle Bedrohung durch die Krankheit, invasive Therapiemaßnahmen und deren Nebenwirkungen sowie der Verlust des sicheren häuslichen und sozialen Umfelds beeinflussen die psychische Befindlichkeit. Eine individuelle psychologische Versorgung ist erforderlich: Ziele und Aufgaben der psychoonkologischen Versorgung haben sich, entsprechend den medizinischen Behandlungsmöglichkeiten, mit- und weiterentwickelt. Diese erfolgt heute bedarfsorientiert weit über den Zeitraum der eigentlichen Krebsbehandlung hinaus.
Hintergrund
Seit den Anfängen der Behandlung von onkologischen Erkrankungen im Kindes‑/Jugendalter haben sich durch permanente Therapieoptimierung die Prognosen dramatisch verbessert. Multimodale Therapiekonzepte haben sich etabliert [
16]. Neben der klassischen „Dreisäulentherapie“ (Kombinationen aus Chemo‑, Strahlentherapie und Operationen) mit dem Ziel der kurativen Behandlung [
7] kommen innovative und individualisierte Therapiekonzepte zum Einsatz. Massive lebensbedrohliche, akute Nebenwirkungen sowie gravierende Spät- und Langzeitfolgen sind jedoch häufig der Preis für den Therapieerfolg.
Dadurch wird die psychologische Behandlung in der pädiatrischen Onkologie vor neue Herausforderungen gestellt und eine individualisierte psychosoziale Begleitung oft über viele Lebensphasen hinweg erforderlich [
15]. Eine entsprechende Forderung haben Langzeitüberlebende bereits 2006 in der Erice Declaration erhoben [
10]. Durch die prädiktive Diagnostik hat die Psychoonkologie außerdem einen „Mehrgenerationenauftrag“ bekommen.
Psychosoziale Versorgung als ganzheitliches, interdisziplinäres Behandlungskonzept beruht auf den Prinzipien der Ressourcen‑, Familien- und Prozessorientierung und verfolgt 5 übergeordnete Ziele [
26]:
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Unterstützung der Krankheitsbewältigung,
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Sicherstellung der Therapie und Kooperation,
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Behandlung spezifischer Symptome,
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sozialrechtliche Beratung und Unterstützung sowie
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Nachsorgeorganisation und Prävention psychosozialer Folgeerscheinungen.
Entsprechend der Leitlinie zur psychosozialen Versorgung in der pädiatrischen Onkologie und Hämatologie sollte prinzipiell jeder betroffenen Familie eine psychosoziale Grundversorgung zuteil werden. Bei erhöhten krankheitsbedingten Primärbelastungen wie ungünstige Prognose, Komplikationen, Rezidiv o. Ä. besteht die Indikation zu intensivierter psychosozialer Versorgung [
26].
Psychosoziale Versorgung im stationären Kontext
In der Psychoonkologie können die klar umrissene, strukturierende Krisenintervention und die reflektierende, an Ressourcen orientierte supportive Therapie unterschieden werden [
24]. Vor allem während der Akuttherapie ist ein prozesshaftes Vorgehen erforderlich. Therapeutische Interventionen orientieren sich stark an den jeweiligen Phasen der onkologischen Behandlung [
26]. Auf Basis von Gesprächen und psychologischer Diagnostik werden die psychosozialen Interventionen in den unterschiedlichen Behandlungsphasen laufend angepasst und für die gesamte Familie umgesetzt.
Therapeutische Interventionen orientieren sich stark an den Phasen der onkologischen Behandlung
Im Zentrum steht die Kooperation mit dem medizinischen Behandlungsteam. Der Schwerpunkt der Behandlung liegt auf der Förderung der Ressourcen der PatientInnen und ihrer Familie während der Krise der Krankheit, der Therapie sowie – u. U. – des Sterbens, des Todes und der Trauer. Den Kern dazu bildet ein stützendes und informatives Beziehungsangebot [
26].
Diagnosephase
Die mit der Diagnose oftmals wahrgenommene Lebensbedrohung stellt einen besonders schwerwiegenden Belastungsfaktor dar [
1,
12]. In dieser Phase treten Schock und Angst in den Vordergrund. Es gilt daher, verlässlicher Ansprechpartner zu sein, und über Entlastungsgespräche und Psychoedukation den Diagnoseschock zu überwinden sowie Orientierung zu bieten. Bereitstellen der wichtigsten Informationen sowie psychische Stabilisierung stehen in dieser Phase im Vordergrund und sollen psychischen Folgeerkrankungen vorbeugen. Jahrzehntelange Erfahrung zeigt, dass die Krankheit und evtl. Spätfolgen besser angenommen werden und eine höhere Compliance gegeben ist, je besser es gelungen ist, vertrauensvolle Beziehungen zum gesamten Behandlungsteam aufzubauen. Dazu braucht es konstante AnsprechpartnerInnen sowie ausreichend Raum und Zeit, um auf die Bedürfnisse und Sorgen der Betroffenen eingehen zu können.
Bereitstellen der wichtigsten Informationen und psychische Stabilisierung stehen im Vordergrund
Besonders im Fall der neuen, individualisierten medizinischen Behandlungsstrategien (Target-Therapien) stellt dieser Aspekt aufgrund kürzerer stationärer Aufenthalte und sehr spezifischer Nebenwirkungen eine neue Herausforderung auch für die Psychoonkologie dar.
Eine onkologische bzw. schwere hämatologische Erkrankung eines Kindes betrifft das gesamte Familiensystem. Die Eltern müssen ihrem erkrankten Kind Halt geben und die Folgen der Erkrankung mittragen, sind jedoch selbst durch die lebensbedrohliche Krankheit ihres Kindes in einem äußerst vulnerablen seelischen Zustand und haben auf lange Zeit eine Fülle an psychosozialen Problemen zu bewältigen [
9,
17]. So lassen sich in vielen Studien körperliche und psychische Symptome bei engen Angehörigen nachweisen [
23]. Schlippe spricht heute von einer „systemischen Familienmedizin“. Dies gilt jedoch nicht nur für die Eltern, sondern auch und insbesondere für die Geschwister krebskranker Kinder, die in der Literatur gern als „Schattenkinder“ bezeichnet werden. Bei diesen können häufig negative emotionale Reaktionen, posttraumatische Stresssymptome und eine geringere Lebensqualität im Vergleich zu Gleichaltrigen beobachtet werden [
2]. Protektive Faktoren sind offene und ehrliche Kommunikation bereits in der Diagnosephase, Einbezug in den Krankheitsprozess und die PatientInnenbetreuung sowie adäquate Information über Krankheit und Behandlung [
26].
Behandlungsphase
Nachweislich können psychoonkologische Interventionen signifikante Verbesserungen der emotionalen Belastung (Angst, Depression, Stress, Verzweiflung) bzw. eine bedeutsame Steigerung der Lebensqualität und den Aufbau hilfreicher Coping-Strategien bewirken [
29]. Psychoedukation zur Förderung des Krankheitsverständnisses und als Vorbereitung auf unterschiedliche diagnostische sowie therapeutische Maßnahmen (Magnetresonanztomographie[MRT]-Untersuchungen, Operationen, Stammzelltransplantationen u. v. m.), Ressourcenaktivierung zur Förderung der Selbstwirksamkeit, Aufbau einer aktiven Bewältigungsstrategie, Ermutigung zum Gefühlsausdruck (wie Trauer, Wut, Angst), Blickverlagerung zu gesunden Anteilen der PatientInnen sowie Stärkung des sozialen Systems (Erziehungs- und Paarberatung) sind besonders wichtige Aufgaben psychologischer Versorgung in dieser Phase.
Altersentsprechend wird über Medien mit hohem Aufforderungscharakter eine emotional distanzierte Auseinandersetzung ermöglicht
Den Sinn der erforderlichen Behandlungsmaßnahmen zu verstehen, ist notwendig, um eine Vertrauensbasis mit dem Patienten/der Patientin herzustellen und ihn/sie aktiv in den therapeutischen Prozess einzubeziehen.
Für eine altersadäquate Aufklärung über die Erkrankung und deren Behandlung ist es im direkten Gespräch besonders wichtig, auch auf nonverbale Signale der Kinder zu achten und ihre Grenzen zu akzeptieren. Über Medien wie Bücher, Spiele, Geschichten, Zeichnungen, Filme etc. ist eine emotional distanzierte Auseinandersetzung mit den Themen Krankheit, Nebenwirkungen der medizinischen Behandlung, Untersuchungen, pflegerische Maßnahmen etc. möglich. Durch die emotionale Trennung von der eigenen Person und den Einsatz von Materialien mit hohem Aufforderungscharakter wird Angst reduziert und Neugier und Offenheit dem Thema gegenüber gefördert.
Psychologische Interventionen bewirken Verbesserungen der emotionalen Belastung
Ressourcen sind für die Betroffenen von größter Bedeutung, um mit der Krankheitssituation umzugehen und damit ein weiteres zentrales Thema der psychoonkologischen Behandlung. Krankheitsverarbeitung ist ein aktiver Prozess, der sowohl die Nutzung vorhandener als auch die Entwicklung neuer Verhaltensweisen und die Erschließung zusätzlicher Ressourcen erfasst. Als protektiv wirksame Faktoren für die kindliche Entwicklung und die Verarbeitung von kritischen Lebensereignissen werden neben individuellen Ressourcen, wie positiver Selbstwahrnehmung, Kohärenzsinn und Optimismus soziale Ressourcen, wie die soziale Unterstützung inner- und außerhalb der Familie sowie Merkmale eines förderlichen Erziehungsklimas benannt [
5].
Die Wirksamkeit psychologischer Interventionen zur Reduktion von Schmerz und chemotherapiebedingten Nebenwirkungen ist ebenfalls wissenschaftlich gesichert [
29,
32] Psychologische Schmerzbehandlung setzt auf den Ebenen der Schmerzwahrnehmung und -bewertung an. Ihr Ziel ist nicht in erster Linie absolute Schmerzfreiheit, sondern die Minimierung der Belastung durch die Schmerzsituation sowie das Vermeiden von Traumatisierung und Schmerzsensibilisierung. Die Erarbeitung von Bewältigungs- und Kontrollmechanismen soll schmerzspezifische Einstellungen beeinflussen und ein adäquates Schmerzverhalten fördern. Als erfolgreiche psychologische Behandlungskonzepte werden diesbezüglich u. a. Psychoedukation, kognitive Uminterpretation, Selbstinstruktion, Entspannungsverfahren, Aktivitätsaufbau, Aufmerksamkeitslenkung, Imagination und Hypnose eingesetzt.
Darüber hinaus werden psychodiagnostische Verfahren zur Früherkennung von Defiziten v. a. im Bereich der Konzentrations‑, Wahrnehmungs- und Gedächtnisleistungen durchgeführt und bei Bedarf spezielle Trainings angeboten.
Gegen Ende der Behandlungsphase werden die vollständige und lückenlose Übergabe in die Nachsorgeambulanz sowie die Sicherung möglicher Nachsorgeangebote außerhalb der Klinik angestrebt.
Psychosoziale Nachsorge
Krankheitsbezogene Erfahrungen und Risiken möglichst gut zu bewältigen und bestmöglich in die eigene Biografie zu integrieren, sind langfristige Ziele im Leben pädiatrisch onkologischer PatientInnen. Geheilt zu sein, bedeutet nicht, gesund zu sein. Aus den neuesten Datenanalysen der Childhood Cancer Survivor Study geht u. a. hervor, dass sich die 15-Jahres-Sterblichkeit von 12,4 % der PatientInnnen, die in den 1970er-Jahren behandelt wurden, bei Kindern/Jugendlichen in den 1990er-Jahren auf 6,0 % halbiert hat [
3]. Trotz optimierter und verbesserter Therapiemaßnahmen bedingen die Erkrankung und die intensiven Behandlungsmaßnahmen aber nach wie vor bei vielen jungen Menschen z. T. schwerwiegende körperliche Spätfolgen. Ein Drittel der Langzeitüberlebenden kann nach onkologischen Erkrankungen im Kindesalter in ein normales Alltagsleben zurückkehren. Ein Drittel der PatientInnen leidet an minimalen Spätfolgen, das restliche Drittel an gravierenden Spätfolgen, die eine langfristige, multidisziplinäre Betreuung auch im Erwachsenenalter erfordern [
13]. Der Anteil an PatientInnen mit Spätfolgen wird in ähnlichen Arbeiten auf 60–75 % der Betroffenen geschätzt [
18,
20,
27].
Laut der Arbeitsgruppe Spätfolgen – Late Effects Surveillance System (LESS) werden über 90 % der „survivors“ mit zunehmendem Lebensalter neu diagnostizierte Folgeerkrankungen erleiden [
14]. Pädiatrisch-onkologische PatientInnen gehören zudem zur Risiko- bzw. Hochrisikogruppe für die Entwicklung eines Zweitmalignoms [
6,
8]; dreißig Jahre nach Erstdiagnose beträgt das Risiko durchschnittlich etwa 6,6 % für alle Krebsarten [
11]. Diese Tatsache kann eine erhebliche psychische Belastung darstellen [
31].
Geheilt zu sein, bedeutet nicht, gesund zu sein
Des Weiteren kann eine Krebserkrankung im Kindes- und Jugendalter massive psychosoziale Langzeitfolgen bedingen. Krankheitsbezogene Ängste, affektive Störungen, Schwierigkeiten im sozialen Bereich, Hürden in Ausbildung und Beruf sowie neuropsychologische Spätfolgen [
25] zählen zu den häufigsten.
Die Langzeitanalysen der „Swiss Childhood Cancer Survivor Studie“ haben u. a. gezeigt, dass nicht nur die Anzahl von Survivors mit klinisch relevanten psychischen Belastungen im Studienverlauf zunimmt, sondern auch die Intensität dieser Belastungen [
22].
Psychosoziale Nachsorge beginnt als Teil eines multidisziplinären Nachsorgeangebots spätestens mit dem Übergang von der Akuttherapie in die Nachsorge.
Die erste Zeit nach der Akutbehandlung ist oft gekennzeichnet von großen Erwartungshaltungen, aber auch Ängsten, Erschöpfung und den Herausforderungen des „neuen Alltags“. Ein bedarfsorientiertes und individuelles Angebot wird entwickelt (individuelles psychosoziales Follow-up/Case Management). Dazu gehören neben Beratung und Psychoedukation häufig auch Psychodiagnostik sowie die Einleitung bzw. Vermittlung von Maßnahmen zu Förderung und/oder Therapie, z. B. bei neurokognitiven Krankheitsfolgen und Entwicklungsauffälligkeiten oder Psychotherapiebedarf. Information und Hilfestellung zur Auswahl passender Rehabilitationsmaßnahmen (familienorientierte Rehabilitation, Neuro‑, Jugendrehabilitation, Nachsorgeangebote der Österreichischen Kinderkrebshilfe) sowie Beratungs- und Behandlungsangebote zu sozialen, schulischen und beruflichen Integrationsmaßnahmen spielen ebenso eine wesentliche Rolle wie das interdisziplinäre Erarbeiten eines individuellen Reintegrationsplans.
Mit dem Fortschritt der medizinischen Therapiemaßnahmen haben sich auch die psychosozialen Standards verändert [
30]. Nachsorgekonzepte haben sich zu teils generationenübergreifenden Vorsorgekonzepten weiterentwickelt.
Im Jahr 2003 wurde am Univ.-Klinikum Graz ein Therapieoptimierungsprotokoll für Retinoblastome erstellt, das für PatientInnen mit erblicher Erkrankung eine umfassende Nachsorge bis ins Erwachsenenalter empfiehlt [
28]. Bei dieser PatientInnengruppe besteht die Neigung, im weiteren Leben andere bösartige Tumoren zu entwickeln, und ein etwa 50 %iges Risiko, diese Veranlagung an ihre Nachkommen zu vererben [
19]. Das Leben mit der Angst vor einem weiteren Malignom, regelmäßige augenärztliche und onkologische Kontrollen sowie massive Auswirkungen auf individuelle Lebenskonzepte wie Partnerschaft und Familienplanung sind Stressoren, denen diese PatientInnen lebenslang ausgesetzt sind.
Fortführung der psychosozialen Unterstützung durch Nachsorge darf nicht nur eine Empfehlung bleiben
Generell treten Sekundärmalignome bei pädiatrisch-onkologischen PatientInnen 10-mal häufiger auf als Krebserkrankungen in altersentsprechenden Gruppen [
7]. Zudem werden immer mehr Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter auf eine Krebsdisposition zurückgeführt [
21].
Im Rahmen der Erwachsenensprechstunde für Survivors in Graz wurde ein Pilotprojekt zur individuell angepassten psychoonkologischen Prävention (primär für Familien mit hereditärem Tumorprädispositionssyndrom, tertiär für ehemalige KrebspatientInnen) realisiert. Es wurde ein spezielles Informations- und Stressmanagementprogramm entwickelt, das sich an aktuellen Ergebnissen aus verschiedenen interdisziplinären Forschungsbereichen (z. B. Psychoneuroimmunologie, Salutogeneseforschung, Hirnforschung) orientiert, um die Resilienz der Survivors zu steigern und damit positiven Einfluss auf ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit zu nehmen. Dieses Angebot ist jedoch weder österreich- noch europaweit etabliert. Zurecht fordern Survivors umfangreiche Aufklärung über mögliche Spätfolgen sowie europaweite Standards in den Nachsorge‑, Vorsorge- und Transitionsprogrammen [
25]. Die Fortführung der psychosozialen Unterstützung durch multidisziplinäre Nachsorge und die Erfassung von Risikofaktoren im Anpassungsprozess darf nicht nur eine Empfehlung bleiben [
26].
Diskussion
Diese Arbeit bietet einen Überblick über etablierte psychosoziale Versorgungskonzepte auf wissenschaftlicher Basis. Gemeinsames Ziel aller Interventionen ist die bedarfsgerechte, systemorientierte, supportive Betreuung mit dem Bestreben, erkrankungs- und behandlungsbedingte Belastungen bestmöglich zu bewältigen und psychosozialen Langzeitfolgen vorzubeugen.
Aktuelle Entwicklungen in der medizinischen Behandlung mit den dadurch auf die psychosoziale Versorgung zukommenden neuen Herausforderungen und Aufgaben werden angesprochen.
Die stetige Weiterentwicklung der Therapien (Target-Therapie) führt in vielen Fällen zu verkürzten stationären Aufenthalten und weniger bzw. anderen Nebenwirkungen, was Auswirkungen auf Krankheitseinsicht und Compliance haben kann. Die psychosoziale Versorgung wird hier neue Wege finden müssen, um auf der Basis konstanter Beziehungsangebote die PatientInnen im Therapieverlauf weiterhin optimal unterstützen zu können. Andererseits werden bereits jetzt Knochenmark- und Stammzelltransplantationen vermehrt auf nichtonkologische Erkrankungen ausgeweitet. Ein vergleichsweise geringes Krankheitsgefühl und wenige Einschränkungen vor der Transplantation, kurze Vorlaufzeiten zur Vorbereitung der PatientInnen, eine intensive Therapie mit oft massiven Nebenwirkungen und langwierige, die Lebensqualität manchmal über Monate oder Jahre beeinträchtigende Langzeitfolgen stellen sowohl die PatientInnen als auch die (psychosozialen) BehandlerInnen vor neue Herausforderungen.
Auch die prädiktive Diagnostik wird zunehmend weiterentwickelt, ca. 10 % aller Krebserkrankungen sind heute auf eine erbliche Tumordisposition zurückzuführen. Dies eröffnet der Medizin eine völlig neue Dimension der Krankheitsprävention, in der die psychosoziale Versorgung ebenfalls eine tragende Rolle spielen wird [
4]. Doch die Identifikation einer Person mit erhöhtem Krebsrisiko ist nur dann sinnvoll, wenn sie zur Verbesserung der Lebenserwartung und der Lebensqualität führt. Es ist eine Herausforderung für die Psychoonkologie als Teil der präventiven Onkologie, jene klinischen Managementstrategien für die betroffenen PatientInnen/Familien mitzuentwickeln, die nach der Diagnosestellung zu einer Anpassung der Lebensgewohnheiten führen können, um dadurch eine Risikoverringerung zu erreichen.