Erschienen in:
01.09.2003 | Originalien
Wertigkeit der subjektiven Einschätzung der Thoraxverletzungsschwere durch den Notarzt
verfasst von:
Priv.-Doz. Dr. M. Aufmkolk, S. Ruchholtz, M. Hering, C. Waydhas, D. Nast-Kolb, AG Polytrauma der DGU
Erschienen in:
Die Unfallchirurgie
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Ausgabe 9/2003
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Zusammenfassung
Fragestellung
Aufgrund einer erhöhten Letalität und Komplikationsrate sollen die Beatmung und die Thoraxdrainage beim Thoraxtrauma (TT) großzügig indiziert werden. Aufgrund der Invasivität der Maßnahmen stellte sich die Frage, ob die subjektive Diagnose des Notarztes der Thoraxverletzung mit der objektiven Verletzungsschwere übereinstimmte und weiterhin, ob die Einschätzung einen Einfluss auf das Überleben hatte.
Methodik
2392 Patienten im von Alter 39±1 Jahren und einer Verletzungsschwere im ISS von 27±0,3 aus der Datenbank der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie wurden in die Untersuchung eingeschlossen. Hierbei wurden die subjektive präklinische Einschätzung des TT (kein, leicht, mittel, schwer) mit der objektiven Verletzungsschwere des Thorax im Abbreviated Injury Scale (AIS=0: kein, 0>AIS<3: leicht, AIS=3: mittel, AIS>3: schwer) verglichen. Betrug hierbei die Differenz zwischen der subjektiven und der objektiven Verletzungsschwere 2 und mehr Stufen, wurde eine wesentliche Fehleinschätzung angenommen. Der Einfluss der präklinischen Einschätzung der Schwere des TT auf das Überleben wurde durch den Vergleich der erwarteten Letalität nach der TRISS-Methode mit der beobachteten Letalität untersucht.
Ergebnisse
Das fehlende TT wurde vom Notarzt in 62%, das leichte in 24%, das mittlere in 40% und das schwere TT in 46% richtig eingeschätzt. Somit gelang eine korrekte Einschätzung des TT bei 49% der Patienten. Andererseits wurde die Thoraxverletzung präklinisch in 20% wesentlich unter- und in 17% wesentlich überschätzt. 81% der Patienten mit richtig erkanntem schweren TT erhielten eine Thoraxdrainage, davon etwa 50% durch den Notarzt. Andererseits wurde bei 37% der Patienten mit präklinisch übersehenem TT die Indikation zur Thoraxdrainage gestellt, wobei diese in der Regel erst in der Klinik angelegt wurde. Es fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen vorhergesagter und beobachteter Letalität—sowohl für die Patienten mit korrekter Einschätzung der Verletzungsschwere (beobachtet: 34%; vorhergesagt: 42±2%) als auch bei Patienten mit initial übersehenem TT (beobachtet: 16%, vorhergesagt 24±2%).
Schlussfolgerung
Aufgrund der hohen Rate an Fehldiagnosen, den möglichen Komplikationen und dem Fehlen einer klinisch nachweisbaren Verbesserung der Prognose sollte auf die Intubation und die Anlage einer Thoraxdrainage beim vital stabilen Patienten verzichtet werden.