Erschienen in:
01.10.2008 | Leitthema
Wiederherstellende Chirurgie der Folgezustände nach Kompartmentsyndrom des Unterschenkels und/oder Fußes
Vorstellung einer neuen Klassifikation
verfasst von:
Prof. Dr. H. Zwipp
Erschienen in:
Die Unfallchirurgie
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Ausgabe 10/2008
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Zusammenfassung
Folgen eines abgelaufenen, unerkannten, nicht ausreichend entlasteten oder nicht beeinflussbaren (direkte Muskelquetschung) Kompartment- und/oder Postischämiesyndroms des Unterschenkels (meist nach Unterschenkelfraktur oder A.-poplitea-Läsion) manifestieren sich durch Nekrosen und Kontrakturen der extrinsischen Fußmuskeln, die Fehlstellungen des Fußes wie Krallenzehen, einen Pes equinus mit oder ohne Fußheberlähmung bis hin zum schwersten Pes equinovarus – je nach betroffenem Kompartment – hervorrufen können. Beim kombinierten Kompartmentsyndrom des Unterschenkels und Fußes sind nicht nur die langen, sondern auch die kurzen Flexoren betroffen, sodass es zur ausgeprägten Krallenzehenbildung der Kleinzehen und zum Hallux flexus kommt. Auch isolierte Kontrakturen des M. flexor hallucis longus sind beobachtbar, die funktionell bei geringer Verkürzung erst bei der „Kniebeuge” zum schmerzhaften Einkrallen der Großzehe führen. Beim unzureichend entlasteten, isolierten Kompartmentsyndrom des Fußes stehen kontrakte Hammerzehen im Vordergrund, die meist nach offenen oder drittgradig geschlossenen Kalkaneusfrakturen gesehen werden.
Entsprechend der vielfältigen Kompartmente des Fußes und der 4 Logen des Unterschenkels ergeben sich beim unzureichend behandelten Kompartmentsyndrom des Fußes und/oder Unterschenkels eine große Varianz von Fehlstellungen und Funktionsdefiziten. Nach der Schwere der Behinderung und dem Ausmaß der notwendigen operativen korrigierenden Maßnahmen wird eine neue Klassifikation der Funktionsstörung (Grad 1a bis 5c) vorgestellt.
Von 1994 bis zum 2006 wurden in der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus” der Technischen Universität Dresden 66 Patienten an den Folgen eines Unterschenkel- oder Fußkompartmentsyndroms operativ versorgt. Am häufigsten wurden Patienten mit Hammerzehen (meist D2 bis D5) nach Kalkaneusfrakturen (n=26) bei kompartmentbedingten Kontrakturen der Mm. flexores breves operiert. Am zweithäufigsten fanden sich Fälle eines schweren Pes equinovarus nach Kompartment- und/oder Postischämiesyndrom des Unterschenkels mit Kontrakturen der tiefen und oberflächlichen extrinsischen Beugemuskeln (n=24). Seltener wurden Folgen eines isolierten Kompartments extrinsischer Muskeln korrigiert, wie z. B. nach dem Ausfall der M.-tibialis-anterior-Loge, der Peronealsehnenloge, einzelner Muskeln der 4 Unterschenkelmuskellogen oder eines kombinierten Kompartmentsyndroms des Unterschenkels und Fußes (n=16).