Erschienen in:
13.01.2016 | Polytrauma | Originalien
Präklinische Einschätzung der Verletzungsart und –schwere beim Schwerverletzten durch den Notarzt
Eine Auswertung des TraumaRegister DGU®
verfasst von:
Dr. E. Esmer, P. Derst, R. Lefering, M. Schulz, H. Siekmann, K.-S. Delank, das TraumaRegister DGU®
Erschienen in:
Die Unfallchirurgie
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Ausgabe 5/2017
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Zusammenfassung
Hintergrund
Die in der Präklinik vom Notarzt eingeschätzten Verletzungsarten und deren -schwere beeinflussen v. a. bei (potenziell) lebensbedrohlichen Verletzungsfolgen u. a. die Versorgungsstrategie inklusive Auswahl der Zielklinik. Vom Notarzt übersehene oder unterschätzte Verletzungsfolgen können die adäquate Behandlung verzögern und damit einen maßgeblichen Einfluss auf das Behandlungsergebnis insgesamt ausüben. In der vorliegenden Untersuchung wurde daher die Zuverlässigkeit der präklinischen Einschätzung der Verletzungsschwere durch den Notarzt anhand der Daten aus dem TraumaRegister DGU® analysiert.
Material und Methoden
Im TraumaRegister DGU® wurden für den Zeitraum 1993 bis 2009 die Datensätze von 30.777 Patienten retrospektiv ausgewertet. Dabei wurde die subjektive präklinische Einschätzung der Verletzungsschwere durch den Notarzt mit den in der Klinik objektiv diagnostizierten Verletzungsfolgen mittels Abbreviated Injury Scale (AIS) korreliert. Hierzu wurden auch die vom Notarzt als mittelschwer und schwer eingeschätzte Verletzungen sowie die in der Klinik diagnostizierte Verletzungen mit einer AIS ≥3 Punkte als relevant kategorisiert.
Ergebnisse
Insgesamt wiesen die 30.777 Verletzten mit einem Injury Severity Score (ISS) ≥ 9 Punkte 202.496 Verletzungen auf, davon 26 % (51.839/202.496) relevante Verletzungen mit einer AIS ≥ 3 Punkte. Die häufigsten relevanten Verletzungen betrafen mit 47 % den Schädel sowie mit 46 % den Thorax. Von den insgesamt 51.839 relevanten Verletzungen schätzten die Notärzte insgesamt 71 % korrekt ein. Bei 29 % der Fälle wurde eine relevante Verletzung unterschätzt. Übersehen oder unterschätzt wurden von den Notärzten an relevanten Verletzungsfolgen fast jedes 7. Schädel-Hirn-, fast jedes 3. Thorax- und fast jedes 2. Abdomen- oder Beckentrauma.
Schlussfolgerungen
Die Einschätzung der Verletzungsschwere anhand der körperlichen Untersuchung am Unfallort durch den Notarzt ist insgesamt wenig verlässlich. Bezüglich der Versorgungsstrategie und Auswahl der Zielklinik sollte der Notarzt daher neben erkennbaren Verletzungen und Vitalparametern auch Unfallmechanismus bzw. -konstellation berücksichtigen. Spätestens im Schockraum sollte der gesamte Patient prioritätenorientiert reevaluiert werden, um ihn durch initial nicht erkannte oder unterschätzte Verletzungen nicht zu gefährden.