Hintergrund
Überblick über lokale Wirkstoffträger
Autologes oder allogenes Knochentransplantat
Streuung von Antibiotika in die operative Wunde
Knochenersatzwerkstoffe
Kollagenschwämme
Andere lokale Träger
Antimikrobielle Beschichtungstechnologien
PMMA als Wirkstoffträger
Medizinprodukte mit Antibiotikazusatz
Wirkstofffreisetzung durch Diffusion
Gentamicin-haltiges Palacos® R
Beeinflussung der Freisetzung
Manuelle Zumischung
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die detektierten Keime werden nicht durch das Keimspektrum der in der Tab. 1 aufgeführten kommerziell erhältlichen antibiotikahaltigen Zemente abgedeckt,
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die Menge an Antibiotika in den vorliegenden PMMA-Zementen wird als nicht ausreichend empfunden und soll manuell erhöht werden,
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bei Risikopatienten mit Vorerkrankungen reicht das antimikrobielle Spektrum nicht aus und muss zielgerichtet erweitert werden,
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die Freisetzung der Antibiotika im Zement ist ungünstig und niedrig, insbesondere bei einer Spaceranwendung über mehrere Wochen,
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es bestehen Überempfindlichkeiten gegen bestimmte Antibiotika.
Antibiotikum | Antibiotikaklasse und Wirkungsmechanismus | Wirkungsspektrum | Beispiel |
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Gentamicin 1,25–2,5 %
| Aminoglykosid Bakterizid Hemmt die Proteinsynthese und bildet Nonsenseproteine, bindet am 30S-Ribosom | Breit wirksam gegen viele grampositive und -negative Bakterien (Staphylococcus spp., Enterococcus spp., Pseudomonas, E. coli, Klebsiella, Proteus) | Palacos R + G |
Tobramycin 2,5 %
| Aminoglykosid Bakterizid Hemmt die Proteinsynthese und bildet Nonsenseproteine, bindet am 30S-Ribosom | Wie bei Gentamicin | Simplex® mit Tobramycin |
Clindamycin 2,5 %
| (Lincoamid) Bakteriostatisch (in hohen Konzentrationen auch bakterizid); hemmt die Proteinsynthese, bindet am 50S-Ribosom | Wirkt gegen viele grampositive und -negative Bakterien (Streptococcus spp., Staphylococcus spp., Anaerobier, z. B. Propionibacterium acnes) | Copal® G + C |
Vancomycin 2,5–5 %
| (Glykopeptid) Bakterizid Hemmung der Zellwandsynthese | Wirkt gegen viele grampositive Bakterien (Staphylococcus spp., inklusive MRSA und MRSE, Enterococcus spp.) | Copal® G + V |
Erythromycin 1,25 %
| (Makrolid) Bakteriostatisch, hemmt die Proteinsynthese am Ribosom | Wirkt gegen viele grampositive (Streptococcus spp., Staphylococcus spp.), Anaerobier (Corynebacteria) | Simplex® mit Erythromycin und Colistin |
Colistin 0,6 %
| (Polypetid) Bakterizid, verändert die Permeabilität der Zytoplasmamembran (Plasma läuft aus) | Wirkt gegen gramnegative Bakterien (Pseudomonas aeruginosa, Klebsiella spp., Acinetobacter app.) | Simplex® mit Erythromycin und Colistin |
Beispiel Vancomycin-Zumischung
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Ist das Vancomycin steril?
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Welche Konsistenz weist Vancomycin auf?
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In welcher Salzverbindung wird das Vancomycin geliefert (Hydrochlorid)?
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Welchem PMMA-Zement soll das Vancomycin zugemischt werden?
Reproduzierbarkeit der Zumischung
Inhomogenitäten nach Zumischung
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Grundlage einer Zulassung von Knochenzement ist die Erfüllung von festgelegten Normen, z. B. in Bezug auf mechanische Stabilitätstestungen (ISO 5833, [30]). Wird ein Produkt manuell verändert (insbesondere Inhomogenitäten der zugemischten Antiinfektiva; Abb. 4), können Normwerte unterschritten werden, zudem wird ein nicht gesetzeskonformes Produkt eingesetzt.
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Wirkstoffpartikel im Zement führen nicht zwangsläufig zu schwächeren mechanischen Festigkeitswerten. Eine erhöhte Hygrophilie kann durchaus ein höheres Elastizitätsmodul oder Druckfestigkeit führen, während die Biegefestigkeit nicht mehr ISO-konform ist.
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Inhomogen verteilte Wirkstoffe reduzieren nicht nur die mechanische Stabilität, es können ggf. Zementpartikel leichter aus der Matrix brechen.
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Inhomogen verteilte Wirkstoffpartikel in der Zementmatrix (Stippen, Abb. 4), können die Freisetzung der Wirkstoffe signifikant erniedrigen oder erhöhen mit der Folge, dass die Freisetzung unkontrolliert erfolgt.
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Ein unkontrolliertes Elutionsverhalten kann zu kurzzeitigen toxischen Wirkspiegeln führen und/oder nicht ausreichend lang protektiv wirken. Im schlimmsten Fall kann dies zu einer bakteriellen Wiederbesiedelung des Spacers führen, bevor alle noch verbliebenen Bakterien abgetötet sind.
Synergien
Zumischempfehlungen nach Keimstatus
Mikroorganismus (S = sensibel,
R = resistent)
| Antibiotikum | Dosis (pro 40 g Zement, g) |
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Staphylococcus spp.
Oxacillin-/methicillin-S
| Gentamicin + Clindamycin | 1 1 |
Oxacillin-/methicillin-R
| Gentamicin + Daptomycin oder Vancomycin | 0,5 2 2 |
Streptococcus spp. | Gentamicin + Clindamycin | 0,5–1 1 |
Enterococcus spp. | ||
Vancomycin-S
Aminoglykosid-S oder -R
| Gentamicin + Vancomycin | 0,5 2 |
Vancomycin-R/
Aminoglykosid-S oder -R
| Gentamicin + Linezolid oder Daptomycin oder Fosfomycin | 0,5 1 2 1–2 |
Enterobacteriaceae | ||
Aminoglykosid-S
| Gentamicin (+/– Clindamycin) | 1 1 |
ESBL-Bildner oder Aminoglykosid-R
| Gentamicin + Meropenem | 0,5 2 |
Carbapenem-R oder Aminoglykosid-R
| Gentamicin + Colistin | 0,5 1–2 |
Nonfermenter | ||
Aminoglykosid-S und Chinolon-S
| Gentamicin + Ciprofloxacin | 0,5 2 |
Multi-R
| Gentamicin + Colistin oder Fosfomycin | 0,5 1–2 1–2 |
Anaerobier | Gentamicin + Clindamycin | 1 1 |
Candida spp. | Gentamicin + Amphotericin B liposomal (Ambisome) oder Amphotericin B nicht-liposomal (Fungizone) oder Voriconazol | 0,5 0,2–0,3 0,2–0,8 0,3–0,6 |
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Die Bestimmung der MHK orientiert sich an systemisch zu erzielenden Antibiotikakonzentrationen. Wegen oft wesentlich höherer lokaler Konzentrationen und synergistischer Effekte sind sie nicht 1:1 auf die lokale Applikation übertragbar.
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Nebenwirkungen und Interaktionen lokaler Antibiotika sind selten, dennoch müssen Serumspiegel von Vancomycin und von Aminoglykosiden (Gentamicin) bei Niereninsuffizienz (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate [eGFR] < 60 ml/min) und gleichzeitiger systemischer Applikation überwacht werden.
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Nur pulverförmige Antibiotika und keine flüssigen Substanzen verwenden! Antibiotika, die die Polymerisation hemmen (wie z. B. Rifampicin, Imipenem oder Metronidazol) oder die nicht thermostabil sind (z. B. gewisse Betalaktame) sollten nicht verwendet werden.
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Minimale effektive Dosierung. Vor allem zur Fixierung von Implantaten sollte die maximal empfohlene Dosierung 10 % der Pulvermenge nicht überschreiten.
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Die PIF-Empfehlungen basieren auf der Erfahrungslage zu Palacos®/Copal®-Knochenzementen sowie auf Literaturdaten.
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Im Vergleich zu den industriell gefertigten Produkten kann die manuelle Zumischung von Antibiotika in den Zement zu einer geringeren mechanischen Stabilität und geringeren Freisetzung führen. Bewertungen der mechanischen Kennwerte wurden gemäß ISO 5833 [30] vorgenommen; Legende: (++) = registriertes Produkt; (+) = Erfüllung der ISO-Norm wahrscheinlich (publizierte oder Labordaten); (0) = keine Daten verfügbar.
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Die Bewertung von Freisetzungsdaten erfolgte: Legende: (+) = verbesserte Freisetzung in Kombination (Synergismus); (0) = keine Daten verfügbar. Die Kombination mit Gentamicin (Clindamycin) führt in der Regel zu einer besseren Freisetzung (synergistischer Effekt).
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Fosfomycin ist ein Epoxidantibiotikum und in unterschiedlichen Salzformen erhältlich. Es gilt zu beachten, dass Fosfomycin-Trometanol besser resorbierbar ist und daher den anderen verfügbaren Salzformen vorgezogen werden sollte.
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Liposomales Amphotericin B wird in niedrigen Dosierungen gut freigesetzt und sollte anderen Formen vorgezogen werden.
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Die in Tab. 2 vorgestellten Empfehlungen sowie die zusätzlichen Erkenntnisse sind als „pocketguide“ erhältlich bzw. können von der PRO-IMPLANT-Foundation (Website www.pro-implant-foundation.org) elektronisch heruntergeladen werden.
Zumischempfehlungen bei Antibiotikaüberempfindlichkeit
Allergie gegen | Keimnachweis auf | AB-Alternative |
---|---|---|
Aminoglykosid | ||
Gentamicin/Tobramycin | Staphylokokken | Clindamycin |
Aminoglykosid/Lincosamid | ||
Gentamicin + Clindamycin (G + C) | Staphylokokken, Propionibakterien | Colistin, Daptomycin, Linezolid, Cefuroxim |
Glykopeptid | ||
Vancomycin/Teicoplanin | MRSA | Linezolid, Daptomycin, Chinolone |
Polymyxin | ||
Colistin | Pseudomonas, Propionibakterien | Gentamicin + Clindamycin (G + C) |
Makrolid | ||
Erythromycin | Staphylokokken | Aminoglykoside, G + C |
Fazit für die Praxis
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Die systemische Antibiotikagabe bei etablierten Knochen- oder Gelenkinfektionen gilt als Therapie. Die Applikation lokaler Antibiotika ist eine adjuvante Maßnahme, die der Absicherung der Chirurgie und des Therapieerfolgs dient.
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Zu den klinisch am häufigsten eingesetzten Trägersystemen für lokale Antibiotika gehören autologes, allogenes oder synthetisches Knochenersatzmaterial, Kollagenschwämme oder Knochenzement.
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Die Freisetzung aus Knochenzement folgt den Gesetzen der Diffusion und ist signifikant abhängig von der Zementzusammensetzung und der Oberfläche der Zemente. Beim Zumischen von Antibiotika, Antiseptika, Antimykotika und Zytostatika ist stets auf antagonistische bzw. synergistische Einflüsse zu achten.
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Als Basis für eine Zumischung keine antibiotikafreien Zemente verwenden. Eine bessere Elution erreicht man durch einen bereits mit Antibiotika vorgemischten PMMA-Zement. In handelsüblichen Knochenzementen findet man derzeit lediglich 6 unterschiedliche Antibiotika (einzeln oder in Kombination).