Erschienen in:
01.11.2010 | Leitthema
Psychiatrie im Nationalsozialismus
Historische Kenntnisse, Implikationen für aktuelle ethische Debatten
verfasst von:
Prof. Dr. V. Roelcke, M. Phil.
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 11/2010
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Zusammenfassung
Der Beitrag bietet eine Synthese aus den Ergebnissen der historischen Forschung zur Psychiatrie im Nationalsozialismus und einigen Implikationen für medizinethische Debatten. Thematisiert werden das Verhältnis zwischen Ärzteschaft und NS-Staat, die Bedeutung der eugenisch und ökonomisch motivierten Gesundheits- und Sozialpolitik für die Psychiatrie (Zwangssterilisation, „Euthanasie“) sowie die psychiatrische Forschung. Drei verbreitete Mythen werden entkräftet: 1. die Annahme, dass medizinische Verbrechen das Resultat einer irrationalen, der Medizin von außen aufgezwungenen Politik gewesen seien, 2. die Annahme, dass die Zwangssterilisationen und Patiententötungen nichts mit den zeitgenössischen Standards des medizinischen Handelns zu tun gehabt hätten, und 3. die Annahme, dass die ethisch unakzeptablen Forschungsaktivitäten von Psychiatern nichts zu tun hatten mit dem zeitgenössischen Standard der biomedizinischen Wissenschaften. Es wird die These formuliert, dass die Grenzüberschreitungen zwischen 1933 und 1945 nicht spezifisch für die Zeit des Nationalsozialismus waren, sondern lediglich eine extreme Manifestation von Potenzialen, die in der modernen Medizin generell angelegt sind.