Erschienen in:
01.11.2013 | Leitthema
Karl Jaspers
100 Jahre „Allgemeine Psychopathologie“
verfasst von:
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. H. Häfner
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 11/2013
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Zusammenfassung
Im Jahr 1913 hat Karl Jaspers mit der „Allgemeinen Psychopathologie“ der Psychiatrie erstmals eine umfassende methodisch-systematische Grundlage geschaffen. In Anlehnung an den Begründer der philosophischen Phänomenologie, Edmund Husserl, führte Jaspers die unvoreingenommene Vergegenwärtigung bewusster Phänomene als „statisches Verstehen“ ein. Von dem Philosophen Wilhelm Dilthey übernahm er die Unterscheidung des kausalen Erklärens als Zugang zur Natur und zu pathologischen Prozessen einerseits, vom hermeneutischen Verstehen – auch genetisches Verstehen genannt – als Zugang zu Seelischem andererseits. Der Einbruch von Unverständlichem in eine verstehbare Entwicklung wird als Verweis auf außerbewusste Vorgänge oder auf den Übergang in einen somatischen Prozess interpretiert. Biografisch gesehen, hat sich Jaspers früh für Philosophie entschieden. Nach abgebrochenem Jurastudium absolvierte er ein Medizinstudium, kam ohne gründliche psychiatrische Ausbildung zur Psychopathologie, ohne psychologisches Studium zur Psychologie und ohne Philosophiestudium auf einen Lehrstuhl für Philosophie. Obwohl er glaubte, schwer chronisch krank zu sein und vorzeitig sterben zu müssen, erbrachte er lebenslang eine schier unermessliche Leistung. Er verstarb 1969 im Alter von 86 Jahren.