Zusammenfassung
Unabhängig vom betroffenen Kompartiment sollte die Bildgebung spinaler infektiöser oder anderer entzündlicher spinaler Erkrankungen primär durch die Magnetresonanztomographie (MRT) erfolgen. Diese erlaubt die frühzeitige Erkennung von Veränderungen im Bereich des Bandscheibenfaches oder der Wirbelkörper. Auch assoziierte paraspinale und epidurale Ausbreitungen können aufgezeigt werden. Jedoch hat die MRT nur eine geringe Spezifität bei der Diagnostik inflammatorischer Erkrankungen der Wirbelsäule und kann üblicherweise nicht zwischen den verschiedenen Ursachen einer intramedullären Läsion unterscheiden. Dieser Artikel behandelt ein Spektrum inflammatorischer Erkrankungen des Rückenmarks.
Abstract
Regardless of the compartment involved, imaging of spinal infections and other spinal inflammatory diseases must be performed by magnetic resonance imaging (MRI). This allows early detection of changes in disk space or vertebral bodies. Associated paraspinal and epidural masses are depicted. However, in spinal cord inflammation MRI has a very limited specificity and cannot usually differentiate between the wide array of possible causes of intramedullary lesions. This article covers a spectrum of inflammatory lesions of the spinal cord.
Entzündliche Erkrankungen der Wirbelsäule und des Rückenmarks finden sich bei Erwachsenen häufiger als bei Kindern. Die häufigsten Erkrankungen sind die pyogene Diszitis beim Erwachsenen und die bakterielle spinale Meningitis beim Kind. Letztere bedarf jedoch keiner Bildgebung, da die Diagnose aufgrund der Klinik und Liquoruntersuchung erfolgt. Bei allen entzündlichen Erkrankungen der Wirbelsäule erscheint die Magnetresonanztomographie (MRT) die Bildgebung der Wahl. Unterschieden werden entzündliche Prozesse, die vorwiegend die Wirbelkörper, Bandscheiben und den epiduralen Raum betreffen, Infektionen, welche die Nervenwurzeln und Meningen befallen sowie die entzündlichen Veränderungen, die vorwiegend das Rückenmark betreffen. In der folgenden Übersicht wird auf die letztere Gruppe eingegangen.
Entzündliche Erkrankungen des Rückenmarks
Multiple Sklerose
Die Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste „entzündliche“ Erkrankung des Myelons [7, 12]. Wenn spinale Herde dominieren, liegt meist ein chronisch-progredienter Verlauf vor [18]. Auf sagittalen T2w-Sequenzen sind die Plaques hyperintens, das Myelon nur selten in der Akutphase aufgrund des Ödems erweitert. In axialen T2-gewichteten Sequenzen zeigt sich die typische Beteiligung nur der Fasern der weißen Substanz. Ausgebrannte MS-Herde können als Myelomalazie (z. B. Atrophie) erscheinen [2]. Ein Enhancement korreliert mit der Aktivität der Läsionen. Die Differenzierung zu einem glialen Tumor ist schwierig [15]. Häufig ist eine anschließende Untersuchung des Gehirns sinnvoller als die Kontrastmittelgabe. Generell sollte bei der Diagnose eines diffusen spinalen Prozesses, ob nun intramedullär oder leptomeningeal, auch die weitere Achse einschließlich Gehirn untersucht werden (Abb. 1).
Akute disseminierende Enzephalomyelitis (ADEM)
Etwa 30% der Patienten mit ADEM entwickeln Läsionen im Rückenmark. Klinisch zeigt sich typischerweise das Bild einer akuten transversen Myelitis. Die ADEM ist im Vergleich zur Multiplen Sklerose monophasisch, d. h. sie tritt nur einmal im Leben eines jeden Patienten auf. Eine wiederkehrende akute, transverse Myelitis wird als Variante der Multiplen Sklerose gesehen. Häufig werden die Patienten durch Krampfanfälle, Kopfschmerzen, Fieber und Zeichen eines Hirndrucks sowie der transversen Myelitis auffällig [17].
Klinisches Erscheinungsbild
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Schmerzen (oft interskapulär),
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Parästhesien (rasches Fortschreiten),
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Schwäche der Beine (rasch progredient),
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Blasen- und Mastdarmstörungen.
Die ADEM beginnt typischerweise 1–2 Wochen nach einer viralen Infektion [11]. Die Untersuchung des Liquors ist unspezifisch und zeigt eine Leukozytose sowie eine Proteinerhöhung. Häufig ist das thorakale Rückenmark betroffen (Abb. 2). In den T2-gewichteten Sequenzen sind multiple Areale mit diffuser Signalsteigerung im Rückenmark zu erkennen. Diese können sowohl in der weißen als auch in der grauen Substanz lokalisiert sein. Die Grenzen sind unscharf. Bei der ADEM besteht meistens kein Enhancement nach Gadoliniumgabe, während bei der idiopathischen transversen Myelitis ein gewisses Enhancement zu finden ist [5]. Mit Hilfe der Bildgebung ist eine Unterscheidung zwischen idiopathischer transverser Myelitis und der ADEM nicht möglich. Die idiopathische transverse Myelitis findet sich häufiger beim Erwachsenen, die ADEM ist eine Erkrankung des Kindesalters.
Bestrahlungsmyelitis
Hier kommt es 6–12 Wochen nach Bestrahlung zu einem erhöhten Signal auf T2-gewichteten Sequenzen. Das Enhancement ist variabel (Abb. 3). Nach Bestrahlung wird das normale Knochenmark zerstört und durch Fett ersetzt. Die Wirbelkörper erscheinen auf T1-gewichteten Bildern homogen hell [1]. Liegt die Dosis unter 55 Gy, entwickeln weniger als 5% der Patienten eine Schädigung des Rückenmarks. Liegt die Dosis jedoch über 58 Gy, kommt es in über 50% der Fälle zu einer Myelitis. Sie findet sich am häufigsten nach Behandlung von Hals- und mediastinalen Tumoren.
Akute virale Erkrankungen
Diese sind häufig mit einer Myelitis assoziiert [9]. Die Poliomyelitis ist heute selten und meist mit einer vorangegangenen Impfung verbunden, gelegentlich kann sie bei immunsupprimierten Patienten gefunden werden. Das Poliovirus verursacht eine direkte Schädigung an den Zellen des Vorderhorns. Beim Herpes zoster zeigt sich in der Akutphase eine Myelonschwellung, korrespondierend mit den betroffenen Dermatomen. Beim Masernvirus kommt es zu einer Autoimmunantwort, die das Myelon schädigt (subakute sklerosierende Panenzephalitis).
Devic’s-Erkrankung (Neuromyelitis optica)
Bis vor kurzem wurde diese Erkrankung als eine Variante der MS gesehen, heute wird sie jedoch als separate Entität betrachtet [13]. Es kommt zu einem nahezu gleichzeitigen Befall spinaler Nerven sowie des N. opticus. Im Gegensatz zur MS ist die Erkrankung rasch progredient, im Liquor zeigen sich Neutrophile sowie eine Erhöhung des Proteingehalts. Oligoklonale Banden, sonst typisch für die Multiple Sklerose, fehlen. Anders als bei der MS wird das Gehirn ausgespart. Es sind lediglich Rückenmark und Augennerven betroffen. Es handelt sich um eine Erkrankung des Erwachsenenalters, die vorwiegend Frauen betrifft. In der MRT zeigt das Rückenmark eine deutliche Signalsteigerung in der T2w-Bildgebung. Meistens sind längere Rückenmarkabschnitte betroffen sowie der gesamte Durchmesser. Nach Kontrastverstärkung kann ein Enhancement vorliegen [8].
Neurosarkoidose
Hier kann es zu diffusen leptomeningealen, granulomatösen Knoten kommen, die nach Kontrastgabe kräftig enhancen (Abb. 4). Das Erscheinungsbild ähnelt einer karzinomatösen oder infektiösen Meningitis; granulomatöse Veränderungen im Wirbelkörper oder intramedullär können auftreten [14].
Pyogene und mykotische Infektionen
Ein bakterieller Abszess des Rückenmarks ist extrem selten [16, 19]. Etwa 50% aller spinalen Abszesse finden sich im Kindesalter. Häufigste Erreger bei einer Infektion des Rückenmarks sind Streptokokken, Staphylokokken, Mykobakterien sowie Schistosomas. Die Kinder haben häufig eine kongenitale Herzerkrankung und eine Störung des Immunsystems. Ein Dermalsinus kann Ausgangspunkt eines intraspinalen Abszesses sein [6]. Meistens ist die Beteiligung des Rückenmarks sekundär aufgrund einer hämotogenen oder lymphatischen Ausbreitung von Erregerzellen. Die Erkrankung beginnt als Myelitis und, wenn unbehandelt, kann es zu einer Abszessformation kommen. In der T2-gewichteten Sequenz werden eine Signalsteigerung sowie eine Auftreibung des Rückenmarks gefunden. Nach Kontrastmittelgabe kann es, je nach Stadium der Erkrankung, zu einem scharfen oder unscharf begrenzten Enhancement kommen. Ein ringförmiges Enhancement zeigt sich im älteren Abszess. Nach Therapie verschwindet die Signalsteigerung im T2w-Bild und das ringförmige Enhancement wird prominenter. Die Rückbildung dauert ca. 3 Wochen.
Auch Pilzinfektionen können das Rückenmark betreffen. Diese kommen jedoch fast ausschließlich bei immunsupprimierten Patienten vor (Chemotherapie aufgrund eines Tumors, AIDS-Patienten mit dem Risiko eines Lymphoms; [4]). Die Läsionen sind meistens multipel, klein und solide. Sie können ein ringförmiges Enhancement aufweisen. In der T2-gewichteten Sequenz zeigt sich eine Signalsteigerung, auch außerhalb des enhancenden Bereiches. Die Bildgebung ist jedoch unspezifisch. Eine Unterscheidung zwischen Neoplasie oder Infektion ist hier häufig nur durch eine Biopsie zu klären.
Die spinale Tuberkulose [3, 10] tritt meistens bei Kindern im Alter von 2–5 Jahren auf, v. a. in Entwicklungsländern. Im Unterschied zum Erwachsenen entwickelt sich eine Paraplegie bei Kindern nur selten, allerdings treten unterschiedliche Lokalisationen auf.
Die Infektion beginnt im vorderen, inferioren Anteil des Wirbelkörpers und breitet sich unter dem Lig. longitudinale anterior aus. Beim zentralen Typ beginnt die Infektion in der Mitte des Wirbelkörpers, resultierend häufig in einem Vertebra plana und einer Kyphose. Bei der nächsten Form beginnt die Infektion lateral der Bandscheibe und führt zu einer Verringerung des Abstands zwischen den Wirbelkörpern. Das Bandscheibenfach ist bei bis zu 70% der Patienten ausgespart. Dies liegt v. a. daran, dass Mycobacterium tuberculosis gerne in einer Umgebung mit hohem Sauerstoffgehalt lebt (hier wird die Bandscheibe initial nicht befallen). Des Weiteren besitzt das Bakterium keine proteolytischen Enzyme, sodass sich die Infektion unter den Ligamenten ausbreitet und nicht durch Destruktion des Bandscheibenfaches. Die häufigste Lokalisation ist in der thorakalen Region. Auch eine Beteiligung des Rückenmarks mit Abszessformation ist möglich (Abb. 5).
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Grunwald, I., Papanagiotou, P., Politi, M. et al. Entzündliche Wirbelsäulenerkrankungen. Radiologe 46, 1061–1065 (2006). https://doi.org/10.1007/s00117-006-1440-1
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00117-006-1440-1