Erschienen in:
01.02.2011 | Leitlinien der DGU und des BDU
Nationale S3-Leitlinie „Unkomplizierte Harnwegsinfektionen“
Empfehlungen zu Therapie und Management unkomplizierter bakterieller ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten
verfasst von:
Prof. Dr. F.M.E. Wagenlehner, G. Schmiemann, U. Hoyme, R. Fünfstück, E. Hummers-Pradier, M. Kaase, E. Kniehl, I. Selbach, U. Sester, W. Vahlensieck, D. Watermann, K.G. Naber
Erschienen in:
Die Urologie
|
Ausgabe 2/2011
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Hintergrund
Harnwegsinfektionen (HWI) zählen zu den häufigsten bakteriellen Infektionen im ambulanten Bereich. Zunehmende Antibiotikaresistenzraten und ein neues Verständnis der epidemiologischen Nebenwirkungen von Antibiotika („Kollateralschäden“) haben eine Neubewertung der Therapieempfehlungen bei unkomplizierten HWI im Rahmen einer S3-Leitlinie notwendig gemacht.
Methode
Die Leitlinie wurde unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) erstellt, unter Mitwirkung der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM), der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM), der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI), der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG) und einer Patientenvertreterin. Systematische Literaturrecherchen zum Leitlinienthema wurden mittels der Datenbanken „Cochrane Library“ und „Medline“ für den Zeitraum 01.01.1998 bis 30.04.2008 durchgeführt, internationale Leitlinien der Jahre 1999–2007 wurden mit einbezogen.
Ergebnisse
Zu den unkomplizierten HWI zählen die unkomplizierte Zystitis und die unkomplizierte Pyelonephritis. Haupterreger ist Escherichia coli. Die Auswahl eines geeigneten Antibiotikums richtet sich nach 5 Kardinalkriterien: 1. individuelles Risiko des Patienten und Antibiotikavorbehandlung, 2. Erregerspektrum und Antibiotikaempfindlichkeit, 3. Effektivität der antimikrobiellen Substanz, nachgewiesen in klinischen Studien, 4. epidemiologische Auswirkungen, 5. Nebenwirkungen. Im Falle von Antibiotikavortherapien z. B. mit Trimethoprim/Sulfamethoxazol oder Fluorchinolonen liegt eine höhere Wahrscheinlichkeit einer Antibiotikaresistenz gegen diese Substanzen vor. Aufgrund zunehmender Resistenzraten von Escherichia coli auch bei unkomplizierten HWI gegenüber Cotrimoxazol/Trimethoprim, wird Cotrimoxazol/Trimethoprim nicht mehr als Mittel der ersten Wahl für die empirische Therapie der akuten, unkomplizierten Zystitis empfohlen, es sei denn, die lokale Resistenzrate liegt <20%. Die Antibiotikaresistenz bei unkomplizierten HWI gegenüber Fluorchinolonen liegt in Deutschland noch <10%. Es zeigt sich jedoch insgesamt eine deutliche Resistenzzunahme gegen Fluorchinolone im Vergleich zu früheren Jahren. Darüber hinaus haben v. a. Fluorchinolone und Cephalosporine der Gruppe 3 negative epidemiologische Einflüsse mit der Tendenz der Selektion multiresistenter Bakterienisolate. Aufgrund des hohen Stellenwertes dieser Antibiotikaklassen in der Therapie lebensbedrohlicher Infektionen sind solche Effekte bedeutsam. Für Substanzen wie Fosfomycin, Nitrofurantoin oder Mecillinam sind solche „Kollateralschäden“ gar nicht oder seltener beschrieben. Deshalb werden für die empirische Therapie der häufig vorkommenden unkomplizierten Zystitis an erster Stelle Fosfomycin-Trometamol, Nitrofurantoin oder Pivmecillinam (nicht in Deutschland gelistet) empfohlen. Für die orale Erstlinientherapie der akuten unkomplizierten Pyelonephritis werden aufgrund der noch <10% liegenden Resistenzraten und der im Vergleich zu anderen Antibiotika besseren Effektivität, weiterhin Fluorchinolone in hoher Dosierung empfohlen. Asymptomatische Bakteriurien (ASB) sollten nur in wenigen Ausnahmen, wie in der Schwangerschaft oder vor mutmaßlich schleimhautverletzenden endourologischen Eingriffen therapiert werden.
Schlussfolgerung
Die Leitlinie „Unkomplizierte Harnwegsinfektionen“ stellt eine umfassende Sammlung evidenz- und konsensbasierter Empfehlungen zur Epidemiologie, Diagnostik, Therapie und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener HWI bei erwachsenen Patienten dar. Eine breite Implementierung in allen mit HWI betrauten Fachgruppen ist notwendig, um eine vorausschauende Antibiotikapolitik bei diesen häufigen Infektionen zu gewährleisten und damit eine Versorgungsverbesserung zu erreichen.