Einleitung
Die erste 2008 von der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU) herausgegebene S2k-Leitlinie diente, ebenso wie die jährlich aktualisierte Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Urologie (European Association of Urology, EAU) und die Leitlinien der Amerikanischen Gesellschaft für Urologie (American Urological Association, AUA), als Basis für diese Leitlinie. Eine systematische Literatursuche fand für die vorliegende Aktualisierung im Suchzeitraum Januar 2015 bis Dezember 2017 statt. Zu einigen Themenbereichen wurde selektiv Literatur aus 2018 hinzugefügt. Eine erste überarbeitete Version wurde durch die Steuergruppe erstellt und anschließend von den Arbeitskreismitgliedern Harnsteine ergänzt. Alle Empfehlungen und Statements wurden online durch alle Leitlinienmitglieder konsentiert, wobei zu jedem der über 130 Empfehlungs- und Statementvorschlägen ein Konsens von zumindest 75 % Zustimmung der Teilnehmer erreicht wurde.
Veränderungen betreffen v. a. die Kapitel: konservative Therapie, Harnsteine bei Kindern, metabolische Diagnostik und Metaphylaxe.
Die konsentierte, auf verfügbarer Evidenz basierende Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis dient der verbesserten Behandlung von Harnsteinerkrankungen. Ärzte und Patienten mit Harnsteinen sollen durch die Leitlinie bei der Entscheidung über Diagnostik, Therapie- und Präventionsmaßnahmen unterstützt werden. Die Leitlinie wurde von der DGU finanziert. Eine inhaltliche Beeinflussung erfolgte dabei nicht.
Die komplette Fassung der „S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis“ einschließlich der ausführlichen Beschreibung der Methodik und Referenzen ist auf der Webseite der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) unter der Registernummer 043-025 veröffentlicht.
Diagnostik und Bildgebung
Methoden und Zielsetzung
Harnsteinbildner weisen aufgrund wiederholt durchgeführter Bildgebungen ein erhöhtes Strahlenexpositionsrisiko auf, wobei die tatsächliche Höhe unbekannt ist [
1]. Zwar ist die durchschnittliche Strahlenbelastung durch die Computertomographie (CT) in der Harnsteindiagnostik über die Jahre gesunken, aber dennoch höher als nach dem ALARA-Prinzip „as low as reasonably achievable“ wünschenswert [
2]. So können gerade junge Rezidivsteinbildner, die wiederholten CT-Untersuchungen unterzogen werden, erheblichen Effektivdosen ausgesetzt sein [
3].
Ultraschall
Der Ultraschall (US) stellt sowohl in der Notfall- als auch in der Routinediagnostik die erste Wahl dar [
4]. Die sonographische Darstellung des Harntrakts ist sicher, kann den Aufenthalt in der Notaufnahme signifikant verkürzen [
5] und führt zudem zu keinem relevanten Zeitverlust bis zu einer eventuellen Intervention [
6,
7]. Der Farbdopplerultraschall eignet sich in der akuten Kolik für die initiale Diagnose eines Harnleitersteins und ist mit den Ergebnissen des Steinsuch-CT vergleichbar [
8,
9]. Der US führt zwar zu einer Überschätzung der Steingröße [
10,
11] aber über spezielle US-Einstellungen (S-Mode) und die Messung der Schallschattenbreite ist eine genauere, mit dem nativen CT vergleichbare Größenbestimmung möglich [
12,
13].
Konventionelles Röntgen
Die Sensitivität der Abdomenübersichtsaufnahme beträgt 44–77 % und die Spezifität 80–87 %. Die Strahlendosis beträgt ca. 0,5 mSv. Sie ist hilfreich bei schattengebenden Konkrementen und im Rahmen der Therapiekontrolle/Nachsorge schattengebender Konkremente. Sie ist bei Kindern entbehrlich.
Computertomographie
Verglichen mit der axialen Schichtung helfen koronare Rekonstruktionen der CT die maximale Größe bei Uretersteinen besser einzuschätzen. Die kraniokaudale Ausdehnung von Steinen wird bei der axialen Ansicht, wahrscheinlich aufgrund des Partial-volume-Effekts, deutlich überschätzt, verglichen mit der koronaren Ansicht. Sekundärpathologien und Zufallsbefunde können in >10 % der nativen CT gefunden werden [
14]. Das Dual-energy-CT ohne Kontrastmittelgabe eignet sich zur In-vivo-Einschätzung der Harnsteinzusammensetzung und einer möglichen Lysetherapie [
15‐
21].
Low-dose-Computertomographie
Trotz Einführung von „Low-dose-Protokollen“ für Patienten mit einem Body Mass Index (BMI) ≤30 ist die Strahlendosis im Vergleich zum i.v.-Urogramm und der Abdomenübersichtsaufnahme erhöht (Low-dose-CT: 0,97–1,9 mSv; reguläre Nativ-CT: 4,5–5 mSv; kontrastverstärktes CT: 25–35 mSv). In der täglichen Routine muss davon ausgegangen werden, dass die Verwendung von Low-dose-Protokollen seltener ist und die mediane effektive Dosis der CT-Untersuchung höher liegt (7,6 % Low-dose-, effektive mediane Dosis 11 mSv).
Hinsichtlich der Harnsteindetektion zeigen sich keine Unterschiede zwischen „Low-dose-“ und konventioneller nativer CT bei einer Reduktion der effektiven Dosis um 1/4 in der Low-dose-CT [
22,
23]. Die digitale Tomosynthese stellt mit geringerer Strahlenbelastung, guter Sensitivität und niedrigeren Kosten eine Alternative zum nativen CT dar, ist jedoch nicht flächendeckend verfügbar [
24].
Magnetresonanztomographie
In der Magnetresonanztomographie (MRT) werden Konkremente nicht direkt, sondern lediglich als Füllungsdefekt im Urin abgebildet. Ist eine Strahlenexposition kontraindiziert (z. B. Schwangerschaft), kann bei fehlender Aussagekraft der Sonographie das MRT eine diagnostische Alternative zum Nachweis einer Dilatation darstellen. Dennoch ist das MRT aufgrund der geringen Sensitivität zur Harnsteindiagnostik ungeeignet und kann diese nur als Füllungsdefekt darstellen [
25].
Notfalldiagnostik
Ein Nativ-CT stellt die weiterführende Standarddiagnostik bei Verdacht auf eine Urolithiasis dar. Insbesondere bei Verdacht auf Urosepsis, Fieber oder bei Einzelniere muss eine sofortige Diagnosesicherung und Therapie angestrebt werden. Neuere Untersuchungen zeigen, dass eine Sonographie oder die verzögerte Durchführung einer CT bei geringer Interventionswahrscheinlichkeit Alternativen darstellen und so die Zahl der CT-Untersuchungen verringert werden kann [
26].
Präinterventionelle Bildgebung
Die Art der Bildgebung wird durch die klinische Situation bestimmt und ist u. a. abhängig davon, ob ein Verdacht auf einen Nieren- oder Harnleiterstein vorliegt. Die präinterventionelle Bildgebung kann mittels i.v.-Urographie, kontrastmittelverstärkter CT sowie retro- oder ggf. antegrader Ureteropyelographie in speziellen Situationen (Kinder, Schwangerschaft) mit einer MR-Urographie erreicht werden. Diese liefert Informationen zur Anatomie, kann aber den Stein nur indirekt darstellen.
Postinterventionelle Bildgebung
Nach Durchführung einer extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (ESWL), Ureterorenoskopie (URS) oder perkutanen Nephrolitholapaxie (PCNL) dient der Nachweis von Restfragmenten der Indikationsstellung zu einer neuerlichen Therapie. Bei einer Bildgebung innerhalb der ersten Woche nach der Ersttherapie, können falsch-positive Befunde von spontanabgangsfähigen Restfragmenten zu einer Übertherapie führen. Da es bezüglich des idealen Zeitpunktes einer Kontrollbildgebung oder Indikationsstellung zum „second look“ keine ausreichende Evidenz gibt, bleibt dieser der Einschätzung des behandelnden Arztes überlassen.
Behandlung von Patienten mit Nierenkolik
Schmerztherapie
In einem Cochrane Review zeigten sich nichtsteroidale Antiphlogistika, Paracetamol und Pyrazolon-Derivate (Metamizol) Opioiden in der Behandlung der akuten Nierenkolik überlegen [
27]. Beachtenswert ist bei Diclofenac und Ibuprofen ein erhöhtes Risiko kardialer ischämischer Ereignisse bei Gefäßpatienten. Diese sollten daher nur unter sorgfältiger Abwägung gegeben werden. Diclofenac ist u. a. kontraindiziert bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz, kongestiver Herzinsuffizienz, ischämischer Herzkrankheit und peripherer arterieller und zerebrovaskulärer Erkrankung.
Konservative Therapie von Harnleitersteinen
Mit der verfügbaren Evidenz lässt sich nicht feststellen, bis zu welcher Steingröße ein Spontanabgang zu erwarten ist oder mit welchen Symptomen er einhergehen wird. Jedenfalls nimmt mit zunehmender Steingröße und proximaler Lage die Wahrscheinlichkeit eines Spontanabgangs ab (Tab.
1).
Tab. 1
Wahrscheinlichkeit des spontanen Uretersteinabgangs [
28,
29]
| <5 mm (n = 224) | 68 (46–85) | – |
5–10 mm (n = 104) | 47 (36–58) | – |
| 4–5 mm (n = 1654) | 87 | 6,1 ± 3,2 |
6–7 mm (n = 1093) | 75 | 12,5 ± 3,3 |
Medikamentöse Supportivmedikation
Mehrere Metaanalysen, darunter ein Cochrane Review, bestätigen die Wirksamkeit einer supportiven medikamentösen Therapie (MET), insbesondere bei Uretersteinen >5 mm. Diese erhöht die Wahrscheinlichkeit eines spontanen Steinabgangs und verringert die Zeit und den Schmerzmittelbedarf bis zum Steinabgang [
30]. Dabei wird bei zunehmendem Steindurchmesser und proximaler Lage im Harnleiter eine Spontanausscheidung unwahrscheinlicher. Pickard et al. [
31] konnten in einer multizentrischen, randomisierten Studie zwar keinen Effekt der MET auf die Steinausscheidungsrate zeigen, die Studie war allerdings auch nicht für Steingrößen >5 mm gepowert. Der Endpunkt war eine fehlende Interventionsbedürftigkeit 4 Wochen nach Randomisierung und nicht, wie in der bisher größten randomisierten Studie von Ye et al. [
29], die CT-basierte Steinfreiheitsrate distaler Uretersteine.
Medikamente
Verbesserte spontane Ausscheidungsraten durch MET wurden für α‑Blocker (u. a. Tamsulosin) und den Kalziumantagonisten Nifedipin nachgewiesen [
30]. Im randomisierten Vergleich wurden für Tamsulosin und andere α-Blocker vergleichbare Effekte gezeigt.
Einflussgrößen (Steingröße/Lokalisation)/Dauer der Behandlung
Die bisher größte multizentrische, randomisierte, doppelt verblindete Studie von Ye et al. [
29] konnte an über 3400 Patienten einen signifikanten Vorteil in der Ausscheidungsrate nach Tamsulosin-Gabe gegenüber Placebo bei distalen Uretersteinen >5 bis 7 mm (87 vs. 75 %) zeigen.
Eine 55 Publikationen umfassende Metaanalyse untersuchte als primären Endpunkt die spontane Steinpassage und konnte zeigen, dass α-Blocker den spontanen Abgang großer Konkremente in allen Abschnitten des Harnleiters fördern [
32]. Zur Behandlungsdauer gibt es keine exakten Untersuchungen. In einer Metaanalyse wurden in den einbezogenen Studien eine mittlere Dauer bis zum Steinabgang zwischen 1 und 12 Tagen angegeben, der Beobachtungszeitraum lag zwischen 3 und 6 Wochen.
„Off-label-Gebrauch“
Patienten, die eine MET durchführen, sind über eine Off-label-Anwendung zu informieren. Für alle Medikamentengruppen gilt, dass Patienten auf den Off-label-Gebrauch und mögliche Nebenwirkungen wie retrograde Ejakulation oder Hypotonie vor Therapiebeginn hinzuweisen sind. Des Weiteren sind entsprechende Kontraindikationen (bekannte orthostatische Hypotonie, schwere Leberinsuffizienz, schwere Herzerkrankung) zu beachten.
Für Tamsulosin hat der Gemeinsame Bundesausschuss im März 2019 eine Änderung der Arzneimittelrichtlinie herausgegeben [
33]. Hierin sind die verordnungsfähigen Arzneimittel genannt, welche eine Zustimmung der pharmazeutischen Unternehmen für die „Off-label-Anwendung“ erhalten haben.
Kinderurologie
Je früher der Beginn der Steinerkrankung im Kindesalter auftritt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine metabolische Erkrankung die Nierensteinproblematik auslöst. Demzufolge sollte sie auch schnell diagnostiziert werden sollte um im Langzeitverlauf teils drastische Probleme zu vermeiden (z. B. frühzeitiges Nierenversagen bei primärer Hyperoxalurie Typ I). Die Inzidenz der Blasensteine hat in den entwickelten Ländern deutlich abgenommen, ist aber in den Entwicklungsländern aufgrund der Ernährungssituation weiterhin ein Problem [
34].
Klinische Symptomatik
Bei kleineren Kindern findet man oft nur Symptome der Gereiztheit und unspezifische Bauchschmerzen in der Nabelgegend, auch mit Erbrechen [
35]. Bei vielen betroffenen Kindern sind die einzigen Hinweise lediglich eine Mikrohämaturie oder eine Harnwegsinfektion, wobei die alleinige asymptomatische, idiopathische Mikrohämaturie selten auf eine Steinprädisposition hinweist.
Interventionelle Therapie
Eine Therapie, d. h. eine Steinentfernung, ist nur bei symptomatischen Steinen, bei Ausgusssteinen oder bei Infektsteinen zielgerichtet zu planen und sollte bei Kindern immer nur in erfahrenen Zentren mit kindgerechter Ausstattung und kleinkalibrigen Instrumenten durchgeführt werden. Bei kleinen asymptomatischen Patienten soll der Stein nicht unbedingt entfernt werden. Vielmehr sollte in dieser Situation primär eine Stoffwechselabklärung erfolgen.
MET bei Kindern
Diese Standardtherapie bei Erwachsenen hat bei Kindern bisher eine geringe Evidenz, obwohl die Wirksamkeit der α-Blocker, insbesondere Tamsulosin, beschrieben ist. Eine Metaanalyse von fünf randomisierten Studien zeigte, dass Tamsulosin effektiver zu sein scheint als Doxazosin [
36].
Basisdiagnostik
Grundlage der Einteilung in Niedrig- und Hochrisikogruppe ist die Harnsteinanalyse sowie die Basisdiagnostik. Patienten der Niedrigrisikogruppe bedürfen keiner weiteren Abklärung, für sie sind die Maßnahmen der „Allgemeinen Harnsteinmetaphylaxe“ ausreichend. Demgegenüber ist bei Patienten der Hochrisikogruppe eine erweiterte, steinartspezifische metabolische Abklärung sinnvoll, um anhand des ermittelten biochemischen Risikoprofils anschließend eine gezielte pharmakologische Metaphylaxe einzuleiten.
Tab. 2
Eine Tabelle mit Darstellung der Hochrisikogruppen der Harnsteinbildner wurde neu erstellt
Allgemeine Faktoren | Frühes Auftreten von Urolithiasis (insbesondere Kinder und Jugendliche) |
Familiäre Steinformation |
Brushit-haltige Steine (CaHPO4 × 2H2O) |
Harnsäure und harnsäurehaltige Steine |
Infektsteine |
Einzelniere (die Niere selbst erhöht das Risiko der Steinbildung nicht besonders, aber die Verhinderung des Wiederauftretens von Steinen ist von größerer Bedeutung) |
Mit der Steinbildung assoziierte Erkrankungen | Hyperparathyreoidismus |
Metabolisches Syndrom |
Nephrokalzinose |
Polyzystische Nierenerkrankung (PKD) |
Chronische Magen-Darm-Erkrankungen (z. B. Jejunoilealbypass, Darmresektion, Morbus Crohn, malabsorptive Erkrankungen, enterische Hyperoxalurie nach Harnableitung) und bariatrische Chirurgie |
Sarkoidose |
Rückenmarksverletzung, neurogene Blase |
Genetisch bestimmte Steinbildung | Zystinurie (Typ A, B und AB) |
Primäre Hyperoxalurie (PH) |
Renale tubuläre Azidose (RTA) Typ I |
2,8-Dihydroxyadeninurie |
Xanthinurie |
Lesch-Nyhan-Syndrom |
Mukoviszidose |
Arzneimittelinduzierte Steinbildung |
Anatomische Anomalien bei der Steinbildung | Markschwammniere (tubuläre Ektasie) |
Subpelvine Harnleiterstenose (UPJ) |
Kelchdivertikel, Kelchzyste |
Ureterstriktur |
Vesikoureterorenaler Reflux |
Hufeisenniere |
Ureterozele |
Umweltfaktoren | Chronische Bleibelastung |
Cadmium |
Steinanalyse
Die bisherige Empfehlung eine Steinanalyse bei jeder neuen Steinepisode durchzuführen wurde präzisiert:
Steinartspezifische Rezidivprophylaxe (spezifische Metaphylaxe)
Die Maßnahmen der allgemeinen Harnsteinmetaphylaxe gelten als Basistherapie, die – in Abhängigkeit vom individuellen Risikoprofil eines Patienten – durch eine steinartspezifische, ernährungsmedizinische und pharmakologische Therapie ergänzt werden sollte. Eine spezifische Rezidivprophylaxe (Metaphylaxe) ist nur für Patienten der Hochrisikogruppe erforderlich.
Befundinterpretation und ätiologische Grundlagen
Risikofaktoren der Kalziumoxalatsteinbildung sind ein primärer und sekundärer Hyperparathyreoidismus, eine primäre Hyperoxalurie, eine renal-tubuläre Azidose sowie ein Fettmalabsorptionssyndrom, wie sie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder nach Darmchirurgie auftreten können. Allerdings finden sich bei ca. 70 % der betroffenen Patienten keiner dieser Risikofaktoren. Man spricht dann von idiopathischen Kalziumoxalatsteinbildnern. Es sollten unbedingt auch Stoffwechselerkrankungen, die entweder zur alleinigen Hyperkalziurie oder aber zur simultanen Hyperkalzämie und Hyperkalziurie führen mit in der Differentialdiagnostik bedacht werden (z. B. Williams-Beuren-Syndrom, „Dent’s disease“, Bartter-Syndrom u. a. m.).
Zystin-Steine
Tiopronin gilt als Mittel der ersten Wahl zur Disulfidbrückenspaltung. Die Evidenzlage bezüglich des ACE-Hemmers („angiotensin-converting enzyme“) Captopril und Vitamin C (Ascorbinsäure), die zu einer Senkung der Zystin-Konzentration im Urin durch Spaltung der Disulfidbrücke führen sollen, ist für eine Empfehlung als nicht mehr ausreichend anzusehen.
Hydrochlorothiazid
Aufgrund neuester Daten besteht bei Patienten mit Langzeitanwendung von Hydrochlorothiazid ein erhöhtes vorkommen des weißen Hautkrebses (spinozelluläres Karzinom). Es wird daher bis zum Vorliegen weiterer Ergebnisse empfohlen für die Korrektur der Hyperkalziurie auf Chlorthalidon oder Indapamid auszuweichen [
37‐
39].
Hyperurikosurie
Die Hyperurikosurie begünstigt ein Kalziumoxalatkristallwachstum, weil es zwischen Harnsäure- und Kalziumoxalatkristallen zur Kokristallisation kommt. Eine Senkung der Harnsäure im Urin hat also auch bei Kalziumoxalatsteinen einen rezidivprophylaktischen Nutzen. Allopurinol senkt nachweislich in einer Dosierung von 100–300 mg bei hyperurikosurischen Kalziumoxalatsteinbildnern die Steinrezidivrate. Als Alternative zu Allopurinol steht Febuxostat zur Verfügung, allerdings muss man bei dieser Substanz ein verschärftes Nebenwirkungsprofil beachten.
Stoffwechselstörungen und Erkrankungen, die zur Kalziumsteinbildung führen
Primärer Hyperparathyreoidismus
Ein erhöhtes ionisiertes Kalzium in der Basisdiagnostik kann auf einen primären Hyperparathyreoidismus (pHPT) hinweisen und zieht die Bestimmung des Parathormons im Serum nach sich. Sprechen beide Laborparameter für das Vorliegen eines pHPT, erfolgt eine Ultraschall- oder Schnittbilddiagnostik der Halsregion zur Bestätigung eines Nebenschilddrüsenadenoms. Die Therapie besteht klassischerweise in der chirurgischen Resektion des Nebenschilddrüsenadenoms. Seit kurzer Zeit steht mit Cinacalcet auch ein medikamentöser Ansatz als vorübergehende Therapiemöglichkeit zur Verfügung [
40].
Harnsäuresteine
Befundinterpretation und ätiologische Grundlagen
Die Hyperurikosurie kann exogen bedingt auf die (fehlerhafte) Ernährung zurückzuführen sein. Es gibt auch endogene Ursachen wie Gicht, Enzymdefekte, myeloproliferative Störungen, Tumorlysesyndrom, Medikamente oder katabole Stoffwechsellagen.
Ein niedriger pH-Wert im Urin kann verursacht sein durch: eine verminderte Ammoniumausscheidung im Urin (Insulinresistenz), eine erhöhte endogene Säureproduktion (Insulinresistenz, metabolisches Syndrom oder durch Bewegung induzierte Laktatazidose), eine erhöhte Säurezufuhr (hohe tierische Proteinzufuhr) oder einen vermehrten Basenverlust (Durchfall).
Fazit für die Praxis
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Zur Therapie akuter steinbedingter Schmerzen („Kolik“) sind Metamizol, Paracetamol und Diclofenac (bei normaler Nierenfunktion) wegen der höheren Effektivität und geringerer Nebenwirkungen Opioiden vorzuziehen.
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Bei Patienten mit neu diagnostiziertem Harnleiterstein bis 7 mm kann der Spontanabgang unter regelmäßiger Kontrolle abgewartet werden.
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Bei Kindern erfolgt die primäre Bildgebung mittels Ultraschall. Ist diese nicht eindeutig, kann eine native Low-dose-CT durchgeführt werden. Die Abdomenübersichtsaufnahme ist entbehrlich.
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Wenn zur Therapieplanung die Darstellung des Hohlraumsystems bei Kindern notwendig ist, dann sollte die Magnetresonanzurographie dem Ausscheidungsurogramm vorgezogen werden.
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Kleinere asymptomatische Steine bei Kindern bedürfen nicht unbedingt einer aktiven Therapie, eine metabolische Abklärung sollte in jedem Fall erfolgen.
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Die stationäre Behandlung ist bei Patienten, die sich notfallmäßig mit kolikartigen Flankenschmerzen in einem Krankenhaus vorstellen, bis zur Diagnosestellung und Festlegung eines vorläufigen Therapieplans gerechtfertigt.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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