Erschienen in:
29.10.2019 | Psychotherapie | Schwerpunkt: Grenzverletzungen in der Psychotherapie – Originalien
Komplexität doppelter Beziehungsangebote
Inhaltsanalytische Untersuchung sozialer Grenzverletzungen in der Psychotherapie
verfasst von:
Lena Kontny, Hannah Stuhler, Dr. med. Andrea Schleu, Bernhard Strauß
Erschienen in:
Die Psychotherapie
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Ausgabe 6/2019
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Zusammenfassung
Hintergrund
Soziale Grenzverletzung meint sowohl das Etablieren einer freundschaftsähnlichen Beziehung innerhalb der Therapie als auch parallel stattfindende private Kontakte zwischen TherapeutIn und PatientIn und weist Überschneidungen mit dem in der englischsprachigen Forschungsliteratur verbreiteten Begriff der „dual relationships“ auf. Soziale Grenzverletzungen stellen einen Bruch der schulenübergreifend geltenden Abstinenzregel dar. Trotz weiter Verbreitung sind Dynamiken dieser Grenzverletzungen bislang kaum systematisch untersucht.
Material und Methode
In einem naturalistischen Design wurden Verläufe sozial grenzverletzender Psychotherapien und Ablösungsmöglichkeiten von PatientInnen aus diesen Therapien erforscht. Es wurden 16 Beratungsfälle anhand von Dokumenten, die PatientInnen im Rahmen einer Beratung bei einer Anlaufstelle eingereicht hatten, qualitativ-inhaltsanalytisch untersucht.
Ergebnisse
Soziale Grenzverletzungen können sich auf unterschiedliche Weise manifestieren. PatientInnen hegen einerseits Zweifel an der grenzverletzenden Psychotherapie, während sie andererseits Motive für das Weiterführen der Therapie nennen (z. B. Gefühl, eine besondere Behandlung zu bekommen, drohende Einsamkeit). Weiter wurden Faktoren, die dieses Spannungsfeld aufbrechen, herausgearbeitet (z. B. Distanzierung durch den Therapeuten/die Therapeutin).
Schlussfolgerung
Zentral ist die Gleichzeitigkeit von anziehenden und abstoßenden Faktoren bezüglich der Weiterführung der Therapie bei sozialen Grenzverletzungen. In diesem Zusammenhang werden Ähnlichkeiten zu spezifischen Dynamiken des professionellen sexuellen Missbrauchs diskutiert.