Erschienen in:
01.06.2008 | Originalien
Ophthalmologische und soziale Rehabilitation sehbehinderter Patienten
Eine retrospektive Analyse an der Tübinger Sehbehindertenambulanz von 1999–2005
verfasst von:
Prof. Dr. N.X. Nguyen, M. Weismann, S. Trauzettel-Klosinski
Erschienen in:
Die Ophthalmologie
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Ausgabe 6/2008
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Zusammenfassung
Hintergrund
Neben der medizinischen Betreuung nimmt die ophthalmologische und soziale Rehabilitation von Sehbehinderten einen zunehmenden Stellenwert ein. Ziel unserer Arbeit ist die Evaluierung des aktuellen Spektrums der Erkrankungen und der entsprechenden Versorgung in einer Spezialambulanz für Sehbehinderte.
Methoden
In einer retrospektiven Studie wurden die klinischen Daten von 4711 Patienten, die von 01/1999–12/2005 in der Sehbehindertenambulanz der Universitäts-Augenklinik Tübingen behandelt wurden, untersucht und ausgewertet. Zielgrößen waren Alter, ophthalmologische Diagnose, Vergrößerungsbedarf, die verordneten Hilfsmittel sowie die Einleitung von Maßnahmen der beruflichen und sozialen Rehabilitation. Zusätzlich wurde zur Beurteilung der Effektivität der Anpassung vergrößernder Sehhilfen das Leseverhalten anhand der Lesegeschwindigkeit vor und nach der optischen Versorgung bei einer Untergruppe von 930 Patienten untersucht.
Ergebnisse
Eine altersbezogene Makuladegeneration war mit 40% die häufigste Erkrankung. Weitere Hauptdiagnosen waren tapetoretinale Dystrophien, Optikusatrophie und diabetische Retinopathie. Der durchschnittliche Vergrößerungsbedarf des besseren Auges war im Median 4fach. Es besteht eine hoch signifikante Korrelation zwischen gemessenem Vergrößerungsbedarf und dem Vergrößerungsfaktor der verordneten Hilfsmittel. Die visuelle Rehabilitation war häufig bereits mit optischen Hilfsmitteln möglich. Der Anteil der verordneten Bildschirmlesegeräte war mit 26% relativ hoch, wobei 85% dieser Patienten mehr als 6fache Vergrößerung benötigten. Das monokulare Fernrohr war mit 12% das am häufigsten verordnete Hilfsmittel für die Ferne. Die Hälfte der Patienten benötigte zwei oder mehrere Hilfsmittel für verschiedene Einsatzbereiche. Bei 40% aller Patienten wurden neben der ophthalmologischen Rehabilitation zusätzlich spezielle Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Rehabilitation eingeleitet. Bei 930 untersuchten Patienten betrug die Lesegeschwindigkeit durchschnittlich 35±50 Wörter/min vor und stieg signifikant auf 81±46 Wörter/min nach der Anpassung von vergrößernden Hilfsmitteln. Mit dem entsprechenden Hilfsmittel verbesserte sich die Lesegeschwindigkeit im Durchschnitt auf das Doppelte.
Schlussfolgerung
Unsere Daten zeigen die Bedeutung des Rehabilitationsbedarfs und das Ausmaß des Erfolgs bei sehbehinderten Patienten. Es zeigte sich eine überproportional hohe Anzahl an Patienten mit altersbedingter Makuladegeneration. Unabhängig von den ophthalmologischen Grunderkrankungen profitieren die Patienten in einer Sehbehindertenambulanz in hohem Maße von den eingeleiteten Rehabilitationsmaßnahmen, so dass sie an Lebensqualität wieder gewinnen können. Angesichts der stetigen Zunahme älterer Menschen mit Sehbehinderung sollte die Möglichkeit der ophthalmologischen Rehabilitation so früh wie möglich eingeleitet werden.