Erschienen in:
01.04.2015 | Evidenzbasierte Medizin
Medizinische und rechtliche Verbindlichkeit von Leitlinien
verfasst von:
Dr. C. Muche-Borowski, MPH, I. Kopp
Erschienen in:
Zeitschrift für Herz-,Thorax- und Gefäßchirurgie
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Ausgabe 2/2015
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Zusammenfassung
Leitlinien sind wichtige Informationsgrundlagen und Hilfen für individuelle Entscheidungssituationen in der klinischen Praxis, von denen in bestimmten Fällen abgewichen werden kann oder sogar muss. Kommen Leitlinienempfehlungen aufgrund besonders hoher methodischer und fachlicher Qualität dem medizinischen Standard nahe, können sie dennoch schon aufgrund der Individualität der Patienten mit einem rechtlich verbindlichen Standard nicht gleichgesetzt werden. Die Klassifikation S1–S3 der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ermöglicht dem Leser, auf einen Blick zu erkennen, mit welchem methodischen Aufwand eine Leitlinie erstellt wurde. Innerhalb einer Leitlinie dient die Graduierung von Empfehlungsstärken der Erkennung des Ausmaßes an Erkenntnissicherheit, des fachlich-inhaltlichem Konsenses und der Legitimation für die Umsetzung der jeweiligen Empfehlung. Hinsichtlich der Akzeptanz und Abbildung des medizinisch gebotenen Standards für bestimmte Patientengruppen ist dies nicht unerheblich. Leitlinien haben insofern bei Gutachterfragen einen entscheidenen Anteil. Rechtlich sind Leitlinien zwar nicht bindend, dennoch sollten Herausgeber und Autoren von Leitlinien sich über ihre Verantwortung in Bezug auf sozial- und haftungsrechtliche Fragen bewusst sein, und Leitlinienanwender sowie auch gerichtlich bestellte Begutachter sollten sowohl auf aktuelle Leitlinien als auch auf individuelle Umstände eines Patienten, auf die Besonderheiten seiner Behandlung, eingehen.