Erschienen in:
01.06.2005 | Originalien
Zum Problem des Traumabegriffes in der Psychoanalyse
verfasst von:
Dipl.-Psych. Jochen Lellau
Erschienen in:
Forum der Psychoanalyse
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Ausgabe 2/2005
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Zusammenfassung
Der Begriff des psychischen Traumas erfährt in den letzten Jahren eine inflationäre Erweiterung. Reale Belastungen werden von verschiedenen Autoren zur Ursache für psychische Störungen erklärt und nicht mehr als Teil eines Bedingungsgefüges gesehen („Psychotraumatologie“). Das Trauma wird ausdrücklich in den Rang einer absolut zu setzenden Wirkungseinheit erhoben, die als Erklärungsmuster für psychisches Erleben und Verhalten keiner weiteren Ergänzungen oder Überlegungen bedarf. In der vorliegenden Arbeit werden diese wissenschaftlichen Tendenzen beschrieben und kritisiert. Zum Aufweis vorliegender Alternativkonzepte wird an die von Fenichel ausgearbeitete Anschauung erinnert, nach der das Trauma nicht als Ursache für bestimmte Folgeerscheinungen, sondern als Ergebnis unterschiedlicher Einflussfaktoren verstanden werden kann. Auf der Grundlage der Untersuchungen von Hillel Klein und der Arbeiten von Jean Améry wird gezeigt, dass auch Extrembelastungen von den Betroffenen als Lebenserfahrungen eigener Art verarbeitet werden. Diese einschneidenden Realereignisse werden ausdrücklich nicht nur auf die pathogene Wirkung hin untersucht, mit der sie das Ich des Subjekts überfluten. Es wird gezeigt, dass diese Erfahrungen auf einen individuellen, spezifischen, durch Konstitution und Lebensgeschichte des Subjekts höchst unterschiedlich bestellten Boden fallen und vom Subjekt individuell verarbeitet werden. Die Annahmen einer regelhaft auftretenden eindeutigen und überindividuell gültigen Wirkung der Realereignisse wird daher weit gehend abgelehnt. Nach Überzeugung des Autors wird der Traumabegriff unzulässig verwendet, wenn bei der Würdigung der Wirkungen von Realereignissen auf die Einbeziehung von Persönlichkeitsorganisation und Lebenserfahrung des betroffenen Subjekts und der dadurch determinierten Wahrnehmungseinstellungen und -empfindlichkeiten verzichtet wird. Der Autor plädiert dafür, den Umgang mit dem Traumabegriff auf dem Hintergrund der hier beschriebenen Überdeterminierungen zu überdenken.