Abstinenz und Abstinenzverletzungen in der psychoanalytischen Ausbildung

Siehe dazu den Fall Masud Khan (Gabbard und Williams 2004; Sandler 2004) sowie Gabbard 1996; Gabbard und Peltz 2001.

Die Situation der Kandidaten in psychoanalytischer Ausbildung ist nicht nur durch die Abhängigkeit geprägt, die sich aus der wünschenswerten Regression im Rahmen der eigenen Selbsterfahrung/Lehranalyse entfaltet, sondern auch durch die Abhängigkeit, die aus der schulischen Struktur der Ausbildung (Prüfungen, Evaluationen zum Erlangen unterschiedlicher Ausbildungsniveaus, finanzielle Erfordernisse) ergibt. Insofern sind Kandidaten als Opfer missbräuchlicher Situationen – trotz ihres höheren Wissens über psychotherapeutisches Know-how – auch, genau wie Patienten, sehr hilflos. (Leider tendieren aber manche Kollegen und Kandidaten dazu, den Missbrauch in der Ausbildungssituation zu bagatellisieren und die Opfer zu beschuldigen: „Sie wusste doch, worauf sie sich einlässt!“)

Auch das Bekanntwerden des erschreckenden Ausmaßes von Missbrauch in kirchlichen und pädagogischen Institutionen im Jahr 2010, gefolgt von der Einrichtung des Runden Tisches der Beauftragten der Bundesregierung – als gesellschaftliches Signal, dass man den Opfern Gehör schenkt und glaubt – hat unseres Erachtens dazu beigetragen, dass uns zuletzt mehr Beschwerden erreichten.

Unter anderem sind psychoanalytische Verläufe und Dynamiken für Nichtexperten schwer nachzuvollziehen, während die Beweisfrage im Hinblick auf dyadische Situationen, bei denen per se keine Zeugen vorhanden sind, immer spinös ist. Darüber hinaus fühlen sich die Opfer schuldig und sind von Scham erfüllt.

Es ist sehr zu wünschen, dass psychoanalytische Institute und Gesellschaften, die für die Qualität ihrer Ausbildung bürgen, sich engagiert um Aufklärung und Verpflichtung von Lehranalytikern und Supervisoren auf ihre Verantwortung für durch Grenzverletzungen verursachte Schäden bemühen.

Für eine pointierte Analyse des Inzestuösen im psychoanalytischen Ausbildungssystem: Zagermann 2010.

Übersetzung durch G. Tibone.

Hierzu: Maios Konzept des „Gabecharakters der Psychotherapie“, 2012.