Erschienen in:
01.10.2015 | Schwerpunkt
Schmerzmedizin aus einer interkulturellen und geschlechterspezifischen Perspektive
verfasst von:
Prof. Dr. M. Schiltenwolf, E.M. Pogatzki-Zahn
Erschienen in:
Der Schmerz
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Ausgabe 5/2015
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Zusammenfassung
Sowohl die Sozialisation als auch das Geschlecht des Schmerzpatienten scheinen Bedeutung für die Art und Schwere der Symptome, den Umgang mit ihnen sowie die Prognose und den Therapieerfolg zu haben. Interkulturell sind die unterschiedliche Wahrnehmung und sprachliche Umsetzung körperlicher und emotionaler Funktionen und Beschwerden von elementarer Bedeutung, wenn man Schmerzklagen von Menschen mit Migrationshintergrund verstehen will. Wesentlich ist, dass die schon mit Patienten aus unserem Kulturkreis schwierige Gestaltung der gelingenden Arzt-Patient-Beziehung dadurch weiter problematisiert ist, weil das Verstehen maßgeblich durch den kulturellen Hintergrund geprägt wird. In epidemiologischen Studien überwiegt das weibliche Geschlecht fast einheitlich hinsichtlich der Prävalenz von Schmerzen und Schmerzerkrankungen. Allerdings weisen neuere Untersuchungen darauf hin, dass diese Unterschiede möglicherweise geringer als primär angenommen und möglicherweise sekundär durch Begleiterkrankungen und psychosoziale Faktoren erklärbar sind, die bei Frauen vermehrt auftreten, z. B. Depressionen und Katastrophisierungsneigung. Biologische Faktoren scheinen zwar von Bedeutung zu sein; dies spiegelt sich aber weniger in simplen somatischen Veränderungen, z. B. verminderten Schmerzschwellen, wider als in komplexen genetischen, psychologischen und hormonell bedingten Interaktionen. Bildgebende und psychophysiologische Untersuchungen deuten auf eine besondere Bedeutung der Beeinflussung hemmender Einflüsse aus dem zentralen Nervensystem hin. Inwieweit diese Aspekte klinische Relevanz haben und welche therapeutischen Aspekte bei Männern und Frauen möglicherweise differenziert beachtet werden müssen, ist aber bisher noch ziemlich unklar. Vor allem humane experimentelle Untersuchungen und Studien mit Patienten sind erforderlich, um hier Klarheit zu schaffen.